Männer haben in Europa gegenüber Frauen eine um 7,5 Jahren geringere Lebenserwartung

Große Kluft in der Lebenserwartung in Europa zwischen und in den Ländern und zwischen den Geschlechtern

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Eine WHO-Studie, für die 53 europäische Länder untersucht wurden, hat neben der Zunahme nicht-ansteckender Krankheiten und einer sich dank der Krise verschlechternden medizinischen Versorgung unter anderem die wachsenden Ungleichheiten innerhalb und zwischen Ländern hinsichtlich der Gesundheit herausgearbeitet.

Insgesamt seien in den letzten Jahrzehnten zwar Erfolge in der Gesundheit der Menschen erreicht worden, die zu einer Erhöhung der Lebenserwartung geführt haben. Das sei vor allem dem Rückgang einiger Todesursachen und der verbesserten Prävention und sozioökonomischen Lebensbedingungen zu verdanken. Allerdings gebe es weiterhin "substanzielle Unterschiede", die zudem in letzter Zeit in vielen Regionen zunehmen würden, was sich nicht nur im Hinblick auf die Lebenserwartung, sondern gleichermaßen auf die Mortalität widerspiegelt, die wiederum stark von sozioökonomischen Faktoren abhängt. Wer in einem reicheren Land lebt und wer selbst reicher ist, lebt schlicht auch länger. Natürlich spielen auch Faktoren wie Luftqualität, Zugang zu sauberem Trinkwasser, Wohnsituation, Arbeitsbedingungen etc. eine Rolle, die aber auch mit dem Wohlstand zusammenhängen.

73 Millionen Migranten leben in der europäischen Region. Das sind 8 Prozent der insgesamt 900 Millionen Bewohner. Sie tragen 70 Prozent des Bevölkerungswachstums in den ansonsten veralternden Gesellschaften bei. Innerhalb der europäischen Region wandern vor allem Menschen aus Serbien, Montenegro, Albanien, Rumänien, Bulgarien. Moladavien oder Georgien aus und in westeuropäische Ländern. Die Zahl der Menschen in Städten wird weiter wachsen, was wie Alter und Migration Auswirkungen auf die Gesundheit haben wird.

Seit 1980 hat, was als besonderer Erfolg genannt wird, die Lebenserwartung um 5 Jahre auf 76 Jahre im Jahr 2010 zugenommen. Was im Durchschnitt wie eine kontinuierliche Zunahme aussieht, ist in Wirklichkeit jedoch komplizierter. Zudem gibt es noch eine gewaltige Kluft bei der Lebenserwartung ab Geburt. Sie reicht 2010 von 82,2 Jahren bis 68,7 Jahren, was heißt, dass Menschen, je nachdem, wo und in welche Umstände hinein sie geboren werden, bis zu 13,5 Jahre länger oder kürzer leben. In den 1980er Jahren hat die Ungleichheit zwischen den Staaten schnell abgenommen, ab Mitte der 1990er nahm sie vor allem bedingt durch die Situation in Osteuropa wieder zu, um ab 2006 wieder leicht zu schrumpfen.

Männer hinken den Frauen um eine Generation hinterher

Aber die Kluft im Hinblick auf die Lebenserwartung gibt es nicht nur zwischen Ländern und Schichten, sondern auch zwischen den Geschlechtern. Während die Frauen in der gesamten Region eine durchschnittliche Lebenserwartung von 80 Jahren haben, liegt sie bei Männern nur bei 72,5 Jahren. Männer hinken den Frauen beim Anstieg der Lebenserwartung um eine Generation hinterher, konstatiert der Bericht. 2010 haben die Männer erst erreicht, was bei Frauen schon 1980 der Fall war. Das trifft auch auf die Lebenserwartung ab dem Alter von 65 Jahren zu. Zudem unterscheidet sich die Lebenserwartung von Männern und Frauen auch regional sehr stark. Die Unterschiede zwischen den Ländern reichen bei den Männern bis zu 17 Jahren, bei den Frauen nur bis zu 12 Jahren. Das ist eine gewaltige Kluft.

Zwar werden Frauen überall älter als Männer, aber die Unterschiede sind doch verblüffend. Die geringsten Unterschiede von vier Jahren und weniger findet man in Island, in den Niederlanden, in Schweden und Großbritannien, die höchsten mit 10 Jahren und mehr in Weißrussland, Estland, Kasachstan, Litauen, Montenegro, Russland und in der Ukraine. Wenn in Ländern die allgemeine Lebenserwartung steigt, so heißt es im Bericht, verringert sich der Unterschied zwischen den Geschlechtern. Das würde auch eine gern vermutete biologische Begründung der unterschiedlichen Lebenserwartung (Männer, wollt ihr länger leben?) in Frage stellen und eher darauf hinweisen, das soziale Gegebenheiten, der Lebensstandard und ausgeglichene Rollenbilder einen Einfluss haben. Dafür würde auch sprechen, dass Männer seit 1990 größere Zugewinne an Lebenserwartung erzielt haben als die Frauen.

Zsuzsanna Jakab, WHO-Regionaldirektorin für Europa, erklärt: "Es gibt anhaltende und weitreichende Ungleichheiten in der Gesundheit in der Region, die sich in manchen Fällen vertiefen. Sie sind nicht notwendig und ungerecht. Es muss für uns eine Priorität sein, sie gemeinsam zu ändern." Das ist, wie der Bericht auch aufzeigt, in Zeiten der der ungleich verteilten Krise, schwieriger denn je. Wenn sie damit auch die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern meint, die nicht nur biologisch determiniert ist, dann wäre auch hier die Frage, wie sie zu verändern wäre. Müsste sich der Lebensstil der Männer ändern? Sind sie also selber schuld, wenn es nicht ihr Testosteron ist? Muss die Lohnarbeit vielleicht anders verteilt oder organisiert werden? Würde eine wirkliche Gleichberechtigung den Männern zwar Macht kosten, aber sie gesünder machen?