Lohndiskriminierung von Frauen

Lohndiskriminierung von Frauen ist ein politisch umkämpftes Thema, das vor allem von der Forderung nach Frauenquoten dominiert wird. Fakten werden selten aufgeführt

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Um auf die Lohndiskriminierung von Frauen aufmerksam zu machen, wurde in Deutschland 2008 der Equal Pay Day nach US-amerikanischem Vorbild ins Leben gerufen. Der Equal Pay Day ist der "internationale Aktionstag für die Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen". Er findet im Jahr 2013 heute, am 21. März, statt. Das Datum "markiert den Tag, bis zu dem Frauen nach Ablauf eines Jahres länger arbeiten müssen, um dasselbe Gehalt zu erzielen, wie Männer bereits am 31.12. des Vorjahres. Der Equal Pay Day markiert also den geschlechtsspezifischen Entgeltunterschied (Gender Pay Gap), der laut Statistischem Bundesamt aktuell bei durchschnittlich 22 Prozent liegt."

Gemeint ist, dass Frauen in Deutschland durchschnittlich 22 Prozent weniger Bruttostundenlohn erhalten als Männer. Die Zahlen zur Lohnlücke (engl.: Gender Pay Gap) stehen auf einem empirisch starken Fundament. Neben der genannten Untersuchung des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2010 kommen zwei weitere Studien zu ähnlichen Ergebnissen. Eine vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Auftrag gegebene Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans Böckler Stiftung beziffert die Lohnlücke ebenfalls bei rund 22 Prozent. Und eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) von 2010 beziffert die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen auf 29 Prozent.

Allerdings sind solche Angaben wenig geeignet, die Lohndiskriminierung von Frauen beweiskräftig zu belegen. Zum einen beschreibt die häufig zitierte Lohnlücke lediglich eine Korrelation und keinen Kausalzusammenhang zwischen dem Durchschnittsbruttolohn und dem Geschlecht. So ließe sich, um ein Beispiel aus einem anderen politischen Feld anzuführen, ein Lohngefälle zwischen In- und Ausländern nicht allein durch Diskriminierung, sondern auch durch unterschiedliche Ausstattungsmerkmale in der Schul- und Berufsausbildung erklären.

Zum anderen hat eine auf aggregierten statistischen Daten festgestellte Lohnlücke keinerlei Aussagekraft. Verantwortlich dafür ist das in der Statistik bekannte Simpson-Paradoxon, nach dem aggregierte statistische Daten der Realität zuwider laufende Ergebnisse zeigen können. Prominentestes Beispiel für das Simpson-Paradoxon war eine Klage wegen Diskriminierung von Frauen gegen die University of California, Berkeley. Die aggregierten statistischen Daten zeigten auf, dass universitätsweit 44 Prozent der männlichen Bewerber und nur 35 Prozent der weiblichen angenommen wurden. Tatsächlich lag die Annahmequote von Frauen leicht höher als die von Männern. Was paradox klingt, klärt sich bei Betrachtung der einzelnen Fachbereiche auf. Zumeist wurden in den einzelnen Fachbereichen prozentual mehr Frauen als Männer aufgenommen. Nur bewarben sich Frauen weitaus häufiger als Männer in solchen Fachbereichen, die eine - Geschlechts-unspezifische - niedrige Aufnahmequote hatten. Obwohl Frauen in den einzelnen Fachbereichen tatsächlich häufiger angenommen wurden, zeigten die auf die gesamte Universität aggregierten Daten ein umgekehrtes falsches Bild. Um belastbare Aussagen über die Lohndiskriminierung von Frauen zu erhalten bedarf es tiefer gehender statistischer Analysen. Diese wurden im Rahmen der eingangs erwähnten Studien durchgeführt.

Qualitative Analysen

Das Statistische Bundesamt, das WSI und das IW haben zunächst in einer qualitativen Analyse bekannte Geschlechts-unspezifische Lohn bildende Faktoren und das Verhältnis der beiden Geschlechter untersucht. Neben einer Vielzahl Lohn bestimmender Faktoren wirkten sich besonders Vollzeitbeschäftigung, Ausbildung, Branche, hohe berufliche Qualifikation und Leistungsklasse (hohe Verantwortung und Führungspositionen) positiv auf einen höheren Stundenlohn aus. Teilzeitarbeit1, geringe Ausbildung sowie Tätigkeiten im Sozial- und Dienstleistungssektor bedingten niedrigere Stundenlöhne.

Im Gesamtbild zeigte sich, dass der Anteil an Frauen bei Faktoren, die zu einem niedrigen Stundenlohn führen, hoch war, während der Anteil der Männer bei Faktoren, die einen hohen Stundenlohn begünstigen, ebenfalls hoch war. So waren nach dem Statistischen Bundesamt 80 Prozent der Männer in Vollzeitarbeit, während bei Frauen der Anteil nur rund 44 Prozent betrug. Während rund 36 Prozent der beschäftigten Männer in leitender Stellung oder als herausgehobene Fachkräfte beschäftigt waren, traf dies nur auf 28 Prozent der Frauen zu. Auch bei den Wirtschaftsabschnitten zeigten sich deutliche Differenzen. 73 Prozent der beschäftigten Männer waren im relativ gut entlohnten verarbeitenden Gewerbe tätig. Bei Frauen lag der Anteil bei 27 Prozent. 77 Prozent der berufstätigen Frauen waren im schlecht entlohnten "Gesundheits- Veterinär- und Sozialwesen" beschäftigt. In diesem Bereich waren 23 Prozent der berufstätigen Männer vertreten. Insgesamt fand sich eine deutlich ungleichmäßige Berufsverteilung. Während sich 90 Prozent der Frauen für 20 Prozent der Berufe entschieden, fanden sich 90 Prozent der Männer in 40 Prozent der Berufe wieder.

Vergleicht man Frauen und Männer mit gleichen einzelnen Ausstattungsmerkmalen, ergibt sich ein genaueres Bild. So verringert sich die Lohnlücke von 22 auf 17,9 Prozent wenn männliche und weibliche "herausgehobene Fachkräfte" (destatis) betrachtet werden. Auch das Ausstattungsmerkmal "Tarifbindung" verringert die Lohnlücke sowie der Wirtschaftsabschnitt, in dem Männer und Frauen tätig sind. Uneinheitlich gestaltet sich die Lohnlücke nach ausgewählten Berufen. Während Frauen im Bereich Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung 44 Prozent weniger verdienen als Männer, verdienen Männer bei der Kindererziehung und -pflege rund ein Prozent weniger als Frauen. Auffällig zeigt sich die Differenzierung nach Altersklassen. Während bei den unter 25-Jährigen die Lohnlücke nur zwei Prozent beträgt, liegt sie bei über 60-Jährigen bei fast 30 Prozent.

Insgesamt zeichnet sich ab, dass die Lohnlücke bei Betrachtung einzelner Ausstattungsmerkmale sich verringert, aber nicht verschwindet.

Quantitative Analyse

Wesentlich genauere Erkenntnisse bringt der Vergleich der Stundenlöhne von Männern und Frauen, die nicht nur in einzelnen Ausstattungsmerkmalen gleich sind, sondern in allen. Hierzu wandten alle drei Studien die so genannte Komponentenzerlegung nach Oaxaca-Blinder an. In sie gehen die bekannten und erklärbaren Ausstattungsmerkmale sowie der unbekannte und nicht erklärbare Anteil ein.

Das Statistische Bundesamt ermittelte so, dass 63 Prozent des durchschnittlichen Lohnunterschieds von 22 Prozent durch bekannte lohnbildende Faktoren erklärbar sind. Würden Frauen die gleichen Tätigkeiten wie Männer ausführen, in gleichen Betrieben arbeiten und gleiche Leistungsklassen besetzen, läge ihre Lohndifferenz zu Männern damit nur noch bei acht Prozent. Das Bundesamt wies darauf hin, dass die bereinigte Lohnlücke von acht Prozent nicht zwingend auf Diskriminierung zurückzuführen ist. Der Wert läge niedriger, wenn dem Amt Daten zu Erwerbsunterbrechungen zur Verfügung gestanden hätten.

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt die Untersuchung des WSI. Es stellte ebenfalls fest, dass sich die Lohnlücke zu 63 Prozent durch die bekannten Faktoren der Berufswahl erklären lassen und dass eine bereinigte Lohnlücke von acht Prozent verbleibt. Widersprüchlich zeigt sich die Studie bei der Bewertung der bereinigten Lohnlücke. Im wissenschaftlichen Text heißt es, dass im nicht erklärten Teil (bereinigte Lohnlücke) "neben Diskriminierungseffekten auch die Effekte der nicht beobachteten Faktoren enthalten sind". In der Zusammenfassung hingegen steht, dass der unerklärte Teil "in der Literatur in der Regel als Diskriminierungsmaß interpretiert" wird. Als Beleg wird jedoch lediglich eine Publikation einer Mitarbeiterin des Instituts angeführt. Dieser Widerspruch deutet darauf hin, dass das Auftrag gebende Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in die Zusammenfassung eingegriffen hat.

Das IW kam zu ähnlichen Ergebnissen. Es stellte eine bereinigte Lohnlücke von 12,9 Prozent fest, wenn Erwerbsunterbrechungen bei Lohnarbeitskräften nicht als Ausstattungsmerkmal berücksichtigt wurden. Sie fällt auf nicht signifikante vier Prozent, wenn Erwerbsunterbrechungen mit einbezogen werden.

Reale Lohnlücke

Wegen bekannten Problemen mit aggregierten statistischen Daten hat die in den Qualitätsmedien überwiegend zitierte unbereinigte Lohnlücke von 22 Prozent zwischen Männern und Frauen keinerlei Aussagekraft, ob beide Geschlechter in Deutschland unterschiedlich entlohnt werden.

Zielführend für die Frage, ob eine Lohndiskriminierung von Frauen vorliegt, ist vielmehr die bereinigte Lohnlücke. Sie gibt an, ob und wie viel Frauen weniger verdienen als Männer, wenn sie über die gleichen bekannten Ausstattungsmerkmale wie gleiche Tätigkeit, Ausbildung, Branche und Leistungsklasse verfügen. Dann verdienen Frauen vier bzw. acht Prozent weniger als Männer. Der Unterschied ist jedoch unerklärt. Er kann noch unbekannte lohnbildende Faktoren beinhalten oder er kann auf tatsächliche Diskriminierung zurückzuführen sein. Um Auskunft hierüber zu erhalten, sind weitergehende wissenschaftliche Forschungen notwendig.

Ergänzung: Spiegel Online hat noch eine weitere Ungereimtheit entdeckt. Die Equal Pay Initiative habe nämlich aufgrund einer falschen Berechnung der Prozentzahlen den Equal Pay Day zu früh angesetzt. Eigentlich müsste er, geht man weiterhin von den 22 Prozent Lohnabstand aus, auf den 12. April gesetzt werden.