Ausländerfeindlichkeit ist bei Deutschen weit verbreitet

Eine Studie zum rechtsextremen Weltbild gibt Aufschluss über die Unterschiede zwischen den Altersgruppen und zwischen Ost- und Westdeutschland

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Am stärksten ausländer- oder fremdenfeindlich sind nicht diejenigen, die mit Ausländern zusammenleben, sondern die kaum oder keinen Kontakt zu ihnen haben. Dann können sie als Projektion für Ängste dienen, während konkrete Erfahrungen stereotype Urteile eher brechen.

Das ist eines der Ergebnisse einer Studie des Teams von Elmar Brähler, der Leiter der Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, und der Psychologe Oliver Decker an der Universität Leipzig. Untersucht wird anhand von repräsentativen Erhebungen, die alle zwei Jahre durchgeführt werden, die rechtsextreme Einstellung in Deutschland. Jetzt wurden die Ergebnisse der letzten zehn Jahre, für die mehr als 16.000 Menschen befragt wurden, in dem Buch Rechtsextremismus der Mitte - Eine sozialpsychologische Gegenwartsdiagnose veröffentlicht.

Bekanntlich ist die Ausländerfeindlichkeit in den östlichen Bundesländern höher, was vermutlich damit zu tun hat, dass nur 36 Prozent der Ostdeutschen gegenüber 75 Prozent der Westdeutschen Kontakt mit Migranten in der Nachbarschaft oder am Arbeitsplatz haben. Auch im Familien- und Freundeskreis ist der Unterschied ähnlich hoch. Im Westen haben 58 Prozent Kontakt zu Migranten, in Ostdeutschland nur 24 Prozent. Wer im privaten Kreis Kontakte besitzt, entwickelt am wenigsten Ausländerfeindlichkeit.

Insgesamt ist die Ablehnung von Ausländern stark verbreitet. 22,7 Prozent stimmen der Aussage "überwiegend" zu, dass Deutschland "durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet ist", 14,5 Prozent stimmen ihr "ganz" zu. Das ist also mit insgesamt 37 Prozent keine Randmeinung. Rechnet man noch die 27,7 Prozent hinzu, die teilweise zustimmen, dann hat mehr als die Hälfte eine ausländerfeindliche Haltung. Ähnlich fallen die Antworten auf die Aussagen: "Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen" sowie "Wenn Arbeitsplätze knapp werden, sollte man die Ausländer wieder in ihre Heimat zurückschicken".

Im Osten Deutschlands stimmt ein knappes Drittel aller Jahrgänge ausländerfeindlichen Aussagen zu. Zwischen Osten und Westen gibt es hier gravierende Unterschiede, besonders zwischen denjenigen, die ab 1981 geboren wurde, die also um die 30 Jahre und jünger sind. Während im Osten 31 Prozent zur Ausländerfeindlichkeit neigen, sind es im Westen nur, aber immer noch 18 Prozent. Mit zunehmendem Alter nähern sich die Ostdeutschen und Westdeutschen hier. Bei den Über-80-Jährigen haben die Westdeutschen mit 32,8 Prozent sogar die Ostdeutschen mit 31,5 Prozent übertroffen.

Zum Antisemitismus neigen hingegen die Westdeutschen eher - und zwar in allen Altersgruppen, auch hier je älter, desto stärker. Jeder Zehnte ist in Westdeutschland antisemitisch eingestellt, in Ostdeutschland ist es jeder 16. Mit höherem Bildungsgrad sinkt der Antisemitismus, also etwa zu meinen, dass der Einfluss der Juden noch immer zu hoch sei oder diese zu uns nicht passen. Mehr als 10 Prozent sagen, dass man Hitler ohne Judenvernichtung als großen Staatsmann ansehen würde oder dass der Nationalsozialismus auch seine guten Seiten hatte. Die Verharmlosung betrifft vor allem die älteren Westdeutschen, die vor 1930 und 1931-1940 Geborenen.

Sehnsucht nach dem Führer und einer Diktatur

Nach Brähler ist Ausländerfeindlichkeit die "Einstiegsdroge" in den Rechtsextremismus, man merkt im Hintergrund dabei die Theorie vom "autoritären Charakter". Eine rechtsextreme Einstellung haben in Ostdeutschland vor allem junge Menschen, in Westdeutschland stärker die Älteren, die sich offenbar von der Vergangenheit nicht lösen konnten. Für eine Diktatur aus nationalem Interesse unter bestimmten Umständen sind 8,6 Prozent Befragten, als teilweise zustimmend kommen allerdings noch 19,8 Prozent dazu. Einen "Führer", der "zum Wohle aller mit starker Hand regiert", sehen sogar 14,5 Prozent positiv, teilweise 18,7 Prozent. Für eine starke Partei, "die die Volksgemeinschaft verkörpert", sind 23,6 Prozent. Demokratie ist hier nicht verankert. Auch die Neigung zu einer rechten Diktatur ist im Osten am stärksten verbreitet - nicht nur bei den Jungen (Ostdeutsche 6,5, Westdeutsche 3,4%), nur die zwischen 1941 und 1950 Geborenen scheinen ein klein wenig skeptischer zu sein. In Westdeutschland sind die Menschen je älter, desto eher dafür.

Ein "manifest rechtsextremistisches Weltbild" haben in Ostdeutschland immerhin 10 Prozent nach den Wissenschaftlern die nach 1971 Geborenen, aber auch in den anderen Jahrgängen neigt mit Schwankungen etwa dieser Prozentsatz dazu. Es scheint sich hier also eine Schicht festgesetzt zu haben. In Westdeutschland haben die Jüngeren mit 5,2 Prozent eine deutlich geringere Neigung dazu, mit zunehmendem Alter werden es aber mehr, und auch mehr als in Ostdeutschland, bei den über 80-Jährigen sind es 16,5 Prozent, in Ostdeutschland "nur" 9 Prozent. Mitautor und Psychologe Oliver Decker sucht den die Unterschiede so zu erklären:

Mit dem Zusammenbruch von Gemeinschaften, die ihre Mitglieder autoritär integrieren, treten autoritäre Aggressionen hervor. Zunächst gab es auch im Westen nach dem Krieg eine Kontinuität. Die prosperierende Wirtschaft ermöglichte den West-Bürgern die Identifikation mit Stärke und Macht, die den Verlust der Identifikation mit der Nazi-Ideologie ausglich. Allerdings kam es dann im Westen durch die 68-er Bewegung zu einer nachholenden Liberalisierung, im Osten wurde dies erst durch den Mauerfall möglich. Aber wie bei den vor 1930 Geborenen, so blieb auch auf die seit 1981 zunächst in der DDR und dann in Ostdeutschland Geborenen die Entwertung der Ideale der Elterngeneration nicht ohne Wirkung.

Das ist aber vermutlich etwas zu einfach gestrickt. Während Decker in Westdeutschland auf die prosperierende Wirtschaft als Faktor noch hinwies, fehlt der Verweis in Ostdeutschland, in dem u.a. die Industrie niederging und trotz Abwanderung und Milliardeninvestitionen noch immer eine höhere Arbeitslosigkeit herrscht. Das verursacht, was die Autoren dann doch unter dem Stichwort "Kontrollverlust", aber eher im Hinblick auf "Beschleunigung" thematisieren, Unsicherheit, die die Neigung bei den Jungen zur Ausländerfeindlichkeit und autoritärer rechter Politik verstärkt.

Andere Studien sehen eine Zunahme des Rechtsextremismus, vor allem in Ostdeuschland (Ausländerhass, Abschottung und Entsolidarisierung). Auf die wachsende Unsicherheit im Zusammenhang mit der steigenden Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, weist hingegen die Studie über die "Deutschen Zustände" hin. Aus dem Abschlussbericht 2011 geht hervor, dass die Menschen, die Deutschland als überfremdet empfinden (50%) oder die zu viele kulturelle Unterschiede für einen Zusammenhalt als schädlich betrachten (37%), sich auch eher als benachteiligt oder krisenbedroht sehen: "Gefühle des Ausschlusses, der Vereinzelung und Desintegration gehen mit Verunsicherungen über den Zustand (der Gesellschaft) einher." Gleichzeitig sehen sich diese Menschen natürlich auch bedroht von den Anderen und Fremden, über die man sich stellt, um sie zu degradieren (Angst vor dem Absturz und der kulturellen Vielfalt führt zum Hass auf Minderheiten). Auf diesem Hintergrund kann man erahnen, was in Südeuropa losgetreten werden könnte oder wie in Griechenland schon losgetreten wurde.