Ist Zypern gerettet?

Nikosia. Bild: W. Aswestopoulos

Rätselraten darüber, wie es auf der Insel weitergehen wird

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Der Tag danach ist für die Zyprioten ausgerechnet der Nationalfeiertag der griechischen Befreiung, der Jahrestag des 25. März 1821. Umso geschockter reagieren die Passanten und Beobachter von Nikosias Feiertagsparade auf die Nachrichten aus Brüssel. Denn offenbar ist trotz der verkündeten Rettung niemandem klar, wie es weiter gehen soll. Das Chaos komplettiert die Tatsache, dass die Einzelheiten der Vereinbarung der Eurogruppe bis zur Stunde noch nicht bekannt sind. Fakt ist, dass Zyperns Bankenwirtschaft endgültig am Ende ist. Offenbar ist Zypern gemäß der Logik der Eurogruppe nun auch vor dem Konkurs gerettet. Unklar ist noch die Summe, welche alle Kontoinhaber mit mehr als 100.000 Euro Einlagen verlieren. Alle Konteninhaber? Nein, es trifft zunächst nur die Kunden der beiden größten Geldhäuser Laiki Bank und Bank of Cyprus.

Die 100.000-Euro-Garantie der EU und der Republik Zypern gilt pro Bank und pro Kunde. Im Einzelnen bedeutet dies, dass ein einzelner Berechtigter mit 150.000 Euro auf dem Konto betroffen ist. Konten mit 500.000 Euro Einlagen werden nicht tangiert, wenn sie fünf Berechtigte haben. Ebenfalls glücklich sind all jene, die ihre Gelder auf verschiedene Banken verteilt und dabei die Freigrenze nicht überschritten haben.

Betroffen sind aber neben den immer wieder als Argument angeführten reichen Russen, Rentenkassen, kirchliche und institutionelle Konten, Geschäftskonten und Fondseinlagen. Die stets ruhig und besonnen auftretenden Zyprioten reagieren mittlerweile etwas allergisch auf den Geldwäschevorwurf aus Deutschland. Genüsslich verweisen sie auf entsprechende Berichte der CIA und auf Reportagen der Deutschen Welle, die ausgerechnet Deutschland als eines der Geldwäscheländer der globalen Finanzwelt enttarnen.

Einigen Insulaners ist jedoch nicht zum Scherzen zu Mute. Denn ebenfalls zum Kreis der Opfer zählen die Angestellten der beiden Banken, insbesondere diejenigen der Laiki Bank. Hier spielen sich dramatische Szenen ab, die vom Fernsehen immer wieder gezeigt werden. Da erscheint ein Ehepaar mit zwei Kindern, die sowohl ihren Job als auch ihr Geld los sind. Ein einkommensunabhängiges Arbeitslosengeld, das für alle pauschal lediglich knapp unter dem Existenzminimum liegt, gibt es nur für insgesamt sechs Monate. An die Konten kommen sie wegen der Begrenzung auf 100 Euro pro Tag und pro Konto nicht ran. Internetbanking wurde extrem eingeschränkt und bleibt für Privatpersonen de facto unterbunden.

Wie die Menschen nun ihre Bankkredite abbezahlen sollen, das ist eine der Sorgen, die von vielen Zyprioten kommt. Es ist für sie nicht nachvollziehbar, dass die Guthaben gekappt, die Kreditverpflichtungen jedoch in vollem Maße erhalten bleiben. Zusätzlich dazu erfahren sie, dass sie als Steuerzahler sämtliche nun den Banken gewährte Liquiditätsmittel ebenso abbezahlen dürfen, wie die angehäuften Bankschulden.

Warten vor dem Geldautomaten. Bild: W. Aswestopoulos

Die Zyprioten fürchten zudem, dass es nicht bei den jetzigen Maßnahmen bleiben wird. Zumal die Vereinbarung der Eurogruppe von der Nacht zum Montag mitnichten zu einem sofortigen Geldfluss nach Zypern führt. Zunächst, heißt es aus Regierungskreisen, sollen die Hilfsgelder erst "Mitte bis Ende April" kommen. Bis dahin seien "technische Fragen zu Reformmaßnahmen zu klären". Ob diese Maßnahmen dann durchs Parlament kommen können, bleibt weiterhin unklar. Ebenso seltsam erscheint, wie die bis jetzt als extrem angeschlagenen präsentierten Banken und die insolvente Staatskasse so lange noch aushalten können, wenn doch in den letzten Tagen von der täglich zu erwartenden unkontrollierten Pleite die Rede war.

Die jetzige Vereinbarung ist gesetzlich bereits abgesichert. Eigens in einer Vorbereitung auf einen "Plan B" wurden am Freitag entsprechende Gesetze für das Bankenwesen und den Kapitalverkehr durch das Plenum gejagt und dort ratifiziert. Die Opposition, aber auch Teile der Regierungskoalition äußern sich weiterhin rebellisch.

Überaus gestresst, übermüdet und alles andere als triumphal wandte sich Staatspräsident Anastasiades am späten Montagabend an sein Volk. Die Ansprache des Präsidenten fand im Anschluss an die Rückkehr aus Brüssel statt. Die eingeladenen Medienvertreter durften vor der Tür warten und dem Präsidenten wie das übrige Volk im TV lauschen.

Verkehrte Welt

In Nikosia fand im Kontrast zum politischen Tagesprogramm am Morgen des Nationalfeiertags vollkommen friedlich die Festtagsparade zum Nationalfeiertag statt. Bei der Feierstunde in der Kathedrale der "offenbarten Maria" vertrat Außenminister Ioannis Kasoulides den noch in Brüssel weilenden Präsidenten Nikos Anastasiades.

Für die europäischen Partner fand Kasoulides keine guten Worte. Er verglich, ohne direkt den Namen zu nennen, Finanzminister Wolfgang Schäuble und Angela Merkel mit Fürst Metternich . Wie der einstige Griechenhasser würden die europäischen Partner nun agieren. Im Gegensatz zu den Festlandsgriechen, die bei ihrer Parade zum Nationalfeiertag für Randale sorgten, während die Politik sich gelassen gab, lief es auf Zypern genau umgekehrt.

Der besorgte Außenminister Ioannis Kasoulides. Bild: W. Aswestopoulos

Zur Stunde ist noch nicht bekannt, wie sich die weitere Situation auf der Insel entwickeln wird. Eigentlich, so hieß es am Montag gegen Vormittag, sollten die Banken nach tagelanger Schließung, insgesamt sind es bislang elf, am Dienstag wieder geöffnet werden. Gegen Nachmittag wurde bekannt, dass sowohl die Laiki Bank als auch die Bank of Cyprus doch geschlossen bleiben sollten. Dann, buchstäblich fünf Minuten vor Mitternacht verkündete die Zentralbank die weitere Schließung aller Banken.

Die ausländische Berichterstattung und die Protestbewegung

Ein Problem bereiten die Zyprioten den Reportern, die auf der Suche nach Protestbildern sind. Denn wie alles auf der Insel sind auch die Protestgruppen kleiner dimensioniert als zum Beispiel in Griechenland. Zudem sind die Städte im Land, also auch die Hauptstadt Nikosia, so klein, dass nahezu jeder einen Verwandten bei der Polizei oder zumindest einen Nachbarn oder Bekannten hat. Auch dies ist ein Grund, warum die Zyprioten nicht einen solchen Krawall wie die Griechen veranstalten. Der zweite Grund ist, dass sie schlicht von den Ereignissen vollkommen überrascht wurden. Überraschung, Schockzustand und Skepsis kann man an jeder Straßenecke entdecken.

Das führt zu durchaus bizarren Situationen. So erscheinen auf fast allen kursierenden Fotos immer wieder die gleichen oder ähnliche Bilder gleicher Personen. Das wiederum nutzten einige Kollegen am Sonntag zur Gelegenheit, alte Fotos zu recyclen. Diese tauchten in Facebook auf und die vor dem Parlament versammelte Menge von Fotografen, die sich selbst gerade um eine Gruppe protestierender Russen scharte, wunderte sich. Denn statt der in Facebook abgebildeten tausend Personen verloren sich knapp 200 vor Ort. Gleichzeitig protestierten Parteigänder der oppositionellen AKEL vor der Vertretung der EU, während sich am Präsidentenpalast eine weitere Demonstration bildete. Die Protestkultur ist auf "der Insel der Aphrodite" noch nicht richtig organisiert worden.