Kühlt Washington den "grünen Rausch"?

Zwei US-Staaten setzen die "Legalize it"-Forderung in Gesetze um. Bald darf Marijuana legal verkauft werden; man hofft auf Steuereinnahmen, aber noch ist unklar, wie sich die Obama-Regierung dazu verhält

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Im November vergangenen Jahres stimmten die Bürger der US-Bundesstaaten Colorado und Washington mehrheitlich für eine Legalisierung von Cannabis zum Freizeitgebrauch. Genuss, Herstellung und Handel mit Marihuana sollten nicht länger strikt verboten, sondern ähnlich reguliert werden, wie dies bei Alkohol und Tabak der Fall ist (Das Volk hat gesprochen). Den beiden Staaten wurde durch die Annahme der Proposition 64 in Colorado und der Initiative 502 in Washington auferlegt, dass sie ihre Gesetze entsprechend ändern. Der Prozess ist im vollen Gange. Bis Ende dieses Monats soll in Colorado ein entsprechendes Gesetz vorgelegt werden, über das bis Ende der Legislaturperiode am 8. Mai abgestimmt werden soll.

Die große Neuerung des Vorhabens, das eine 180°-Wende in der bisher repressiv ausgerichteten Drogen-Politik im Bereich der sogenannten weichen Drogen markiert, liegt weniger in der Erlaubnis des Konsums, auch wenn hier ein bemerkenswerter Schritt über den aus medizinischen Gründen erlaubten Konsum hinaus gemacht wurde, sondern in der staatlichen Erlaubnis der Herstellung und des Verkaufs von Marijuana. Statt Strafen gibt es plötzlich Aussichten auf einen erlaubten Markt mit Aussichten auf größere Gewinne, von denen auch der Staat über Steuereinnahmen profitieren kann.

Schätzungen des Colorado Legislative Council spekulieren mit Verkaufssummen von bis zu 920 Millionen Dollar im nächsten Jahr. Dabei seien noch nicht einmal Einnahmen eingerechnet, die über den Verkauf an "Pot-Touristen" dazu kämen.

Nach den Vorschlägen, die die Task Force für das neue Gesetz in Colorado in einem umfangreichen Papier (PDF) kürzlich vorgelegt hat, sollen Verkäufe - mit etwas strengeren Vorgaben - auch an Besucher ("out-of-state purchasers") künftig erlaubt sein. Auch aus dem amtlichen Papier meint man eine gewissen Optimismus herauszulesen, wenn es um die Steuereinnahmen geht.

So heißt es, dass man mit den ersten 40 Millionen Dollar, die man über eine 15% Verbrauchssteuer hereinholt, das Budget für Schulgebäude in Colorado aufstocken will. Darüberhinaus erwägt man noch eine eigene Marijuana-Verkaufststeuer, über deren Einrichtung man die Bürger abstimmen lassen will. Begründet wird eine zweite Steuer mit den Kosten, die für die Regulierung dieser "neuen Industrie" anfallen. Zu hoch dürften die Steuern allerdings nicht sein, so heißt es in den Task-Force-Empfehlungen, weil man sonst den Schwarzmarkt weiter ermutigen würde.

Bei der Einrichtung des neuen erlaubten Marktes rät die Task-Force zu einem Stufenmodell. Im ersten Jahr darf nur derjenige Marijuana verkaufen, der bereits eine Lizenz für den Verkauf der Droge zu medizinischen Zwecken hat, erst später sollen neue Lizenzen hinzukommen. Erwartet wird, dass der Verkauf von Cannabisprodukten zum Freizeitgebrauch ab Anfang 2014 erlaubt wird. Die Lizenzen sollen nur begrenzt ausgegeben werden, wei auch der Anbau begrenzt werden soll.

Lizenzen zum Verkauf sollen nur an Lizenznehmer vergeben werden, die in Colorado ansässig sind und den Großteil ihrer Ware (70 Prozent) selbst produzieren. So dass die Aufzucht von - der Absicht nach gekennzeichneten - Marijuana-Pflanzen bis zum Verkauf ("from seed to sale") in einer Hand sein soll. Dafür hatte man eine umfangreiche, hochtechnische Überwachung über RFIDs geplant, was sich jedoch in praktischen Versuchen als wenig überzeugend zeigte, angeblich weil zu wenig Geld investiert wurde (vgl. Colorado: Medical marijuana dispensaries: High-tech tracking system unfulfilled).

Im Widersprich zur Bundesgesetzgebung

Nun gibt es alleine gegen diese Vorschläge schon einiges Kontra, Gegenstimmen von Abgeordneten, die bemerken, dass die Bevorzugung von Geschäftsleuten, die bereits eine Lizenz haben, einer "Monopolisierung" den Weg bereiten könnte.

Doch während die Abgeordneten in Colorado und Washington über Regulierungen nachdenken, die den legalen Verkauf regeln sollen und die Gefährdung Jugendlicher begrenzen (alle Verkaufsstellen weit weg von Schulen, kindersichere Verpackungen; Warnungen auf Packungen, Abgabe nur an über 21-Jährige etc.), hängt vieles davon ab, zu welcher Entscheidung die Regierung Obama kommt. Ende Februar teilte Justizminister Holder mit, dass er bald zu den "politischen Optionen und den internationalen Implikationen" Stellung nehmen wird. Bislang stehen nämlich die einzelstaatlichen Gesetze im Widerspruch zur Bundesgesetzgebung: "Marijuana is illegal under federal law". Hatte Obama bisher die Politik der lockeren Leine verfolgt ("es gibt wichtigere Themen"), so lange es um den Marijuana-Konsum ging, bei der Gesetzgebung zum erlaubten Verkauf könnte sich das ändern.

Von Beobachtern in Seattle wird nicht erwartet, dass aus der Hauptstadt ein positiver Bescheid kommt. Eigentlich müsste für Rechtssicherheit in der Sache Marijuana aus dem Controlled Substances Act als "Schedule 1 substance" herausgenommen werden, argumentieren Befürworter. Der Schritt ist für die Obama-Regierung möglicherweise zu groß.

Kein Konto, keine Kredite, Beschlagnahme jederzeit möglich

Die Rechtsunsicherheit, so beklagen Geschäftsleute, die laut Washington Post schon längst in den Startlöchern stehen, führe zu erheblichen Problemen. Die Banken geben ihnen keine Kredite, manchmal nicht einmal ein Konto, weil jederzeit ein Verbot des Business und Beschlagnahme der Ware möglich ist. Alle Investitionen wären mit einem Schlag vernichtet, fürchten die Unternehmer, die die Zeitung als Geschäftsleute darstellt, die nichts mit dem Hippie-Klischee zu tun haben.

"We’re not those Woodstock hippies who have had secret grows in the mountains for decades," Kelly said. "We’re business people."

Schaut man sich in den Kommentaren zum Artikel um, so gibt es unter Marijuana-Konsumenten auch die Ansicht, dass es den Verkauf in größerem Stil gar nicht brauche, das sei doch wieder nur ein Einfallsgebiet für größere Konzerne, etwa aus der Tabakindustrie. Man habe doch eigentlich nur dafür gestimmt, dass den Selbstversorgern keine Strafen mehr drohen. Doch ist längst mehr im Gang, wie immer, wenn sich ein neuer Markt auftut.