Plante Beresowski einen Deal mit Putin?

Seine Rückkehr nach Russland habe sich der nach London geflüchtete Oligarch Boris Beresowski mit dem Ausplaudern von Geheimnissen über russische Geschäftsleute und das Aufdecken angeblicher Umsturzpläne des britischen Geheimdienstes gegen Putin erkaufen wollen, behaupten russische Experten

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Boris Beresowski starb am 23. März unter bisher ungeklärten Umständen in seiner Villa in Ascot, einem feinen Vorort von London. Der einzige Leibwächter der dem 2000 nach London geflüchteten Oligarchen noch verblieben war, fand seinen Dienstherren bekleidet und tot auf dem Fußboden seines Badezimmers. Die Badezimmertür war verriegelt und musste aufgebrochen werden.

Die Informationen über den Tod des Oligarchen tröpfelten in den vergangenen Tagen nur spärlich. Nachdem die Polizei zunächst erklärt hatte, Beresowski sei an einem Herzschlag gestorben, hieß es letzte Woche, man habe um den Hals des Toten so etwas wie einen Strick gefunden. Spuren eines Kampfes habe man nicht festgestellt. Fremdeinwirkung könne man aber nicht ausschließen.

Einige Freunde von Beresowski hatten zunächst vermutet, dass er Selbstmord begangen hat. Einen Prozess gegen seinen Geschäftspartner Roman Abramowitsch hatte Beresowski verloren. Er musste 150 Millionen Pfund Anwaltskosten bezahlen. Darauf sei der Oligarch in tiefe Depressionen verfallen, berichten seine Freunde einhellig. Es gab aber auch dem Emigranten nahestehende Personen, die gleich nach dem Tod des Ex-Milliardärs erklärten, er sei immer ein "Kämpfer" gewesen. Auch aus einem Selbstmord hätte er noch politisches Kapital geschlagen und zumindest einen Abschiedsbrief hinterlassen. Ein Selbstmord sei unwahrscheinlich.

Dmitri Peskow, der Pressesprecher des russischen Präsidenten, erklärte bereits einen Tag nach dem Tod von Beresowski, dieser habe sich vor einigen Monaten in einem Brief an Putin für seine Fehler entschuldigt und um Hilfe bei seiner Rückkehr nach Moskau gebeten. Dass Beresowski einen reumütigen Brief geschrieben hat, kann dem Kreml nur recht gewesen sein. Veröffentlicht wurde der Brief allerdings nicht.

Die britischen Behörden waren Beresowski möglicherweise schon länger überdrüssig. Nachdem der Oligarch 2006 zum gewaltsamen Sturz von Putin aufgerufen hatte, wurden ihm von den britischen Behörden weitere Aufrufe in dieser Richtung untersagt. Für die britische Geschäftswelt sind gute Wirtschaftsbeziehungen zu Russland wichtig. Der britische Ölkonzern BP hält bereits ein Fünftel der Aktien des russischen Ölkonzerns Rosneft.

"Er klang besser als sonst"

Katerina Sabirowa, eine 23jährige Moskauerin, die mit Beresowski in den letzten fünf Jahren nach eigener Aussage ein intimes Verhältnis hatte, bestätigte gestern in einem aufsehenerregenden Interview mit dem Kreml-kritischen Wochenmagazin New Times, dass es den Brief von Beresowski an Putin gegeben habe. Sie habe den mit der Hand geschriebenen Brief an den russischen Präsidenten selbst gesehen. Der Brief sei im November abgeschickt worden.

Dass Beresowski Selbstmord gemacht hat, kann sich Katerina nicht vorstellen. Noch einen Tag vor seinem Tod habe sie mit ihrem Freund telefoniert, erklärte Sabirowa. Für den 25. März hatte das Paar ein Treffen ausgemacht. "Er hatte die feste Absicht, dass wir uns in Tel Aviv treffen", sagt Katerina. Die Tickets waren bereits gekauft. Doch der Tod ihres Freundes habe diesen Plan zunichte gemacht. Awi, Beresowskis Leibwächter, habe am Telefon geweint und sie um Vergebung gebeten.

Dass es hundertprozentig kein Selbstmord war, behauptet aber auch Katerina nicht. Sie erinnert sich an eine Äußerung des Polit-Emigranten. "Stell dir vor, es gibt mich nicht mehr und alle Probleme verschwinden sofort," soll Beresowski einmal gesagt haben. Nachdenklich stimmen auch die Gesprächsnotizen, welche ein Journalist der russischen Ausgabe von Forbes veröffentlichte. Der Reporter hatte einen Tag vor dem Tod von Beresowski ein Interview mit dem Emigranten geführt. In dem Gespräch soll er gesagt haben, dass er keinen Sinn mehr im Leben sehe.

Beresowski wusste viel

Das Interview mit der Freundin von Beresowski erhärte die These, "dass Beresowski womöglich ermordet wurde, um zu verhindern, dass er nach Russland zurückkehrt, mit Geheimnissen über den britischen Geheimdienst und über einige russische Geschäftsleute", schrieb das Moskauer Massenblattes Komsomolsksaja Prawda.

Schon letzte Woche hatte der ehemalige Chef von Beresowskis Sicherheitsdienst "Atoll" im gleichen Blatt die These aufgestellt, Beresowski habe sich mit dem Ausplaudern von Geheimnissen seine Rückkehr nach Russland erkaufen wollen. Sokolow ist überzeugt, dass er ermordet wurde, weil er "Informationen" hatte, die für einige russische Unternehmer "gefährlich" waren.

Sokolow war übrigens auch derjenige, welcher behauptete, der ehemalige FSB-Offizier und Freund von Beresowski, Aleksandr Litwinenko, habe sich 2006 beim unachtsamen Umgang mit Polonium selbst vergiftet, womit der Ex-Leibwächter Sokolow der Vermutung britischer Sicherheitsbehörden widersprach, hinter dem Tod von Litwinenko steckten russische Sicherheitskreise. Das Polonium habe Litwinenko im Juni 2006 von einer unbewachten ehemaligen sowjetischen Militärbasis in Kasachstan besorgt und beim Transport Fehler gemacht, behauptet Sokolow.

Nach Meinung der Komsomolskaja Prawda gibt noch eine andere Meldung der Mord-These Nahrung. Wie die britische Sunday Times am Sonntag berichtete, erwartete Beresowski nach Ermittlungen der britischen Polizei 200 Millionen Pfund von einer Finanzgesellschaft, die den Auftrag bekommen hatte, die Geld-Anlagen von Beresowski in drei Offshore-Zonen aufzulösen. Beresowski scheint also doch nicht völlig verarmt gewesen zu sein, wie erste Medienberichte nach seinem Tod nahe legten.

Der Oligarch hat Einfluss im Kreml

Boris Beresowski war wie kein anderer Symbol der chaotischen 1990er Jahre, als "neue Russen" mit guten Beziehungen in den Kreml das Staatseigentum unter sich aufteilten. Beresowski machte sein erstes Geld bei der Firma Logawas, die mit Autos der Marke Lada handelte. Mitte der 1990er Jahre kaufte sich der Auto-Händler dann in den staatlichen Fernsehkanal ORT ein und wurde außerdem Miteigentümer von Aeroflott. Wegen Betrug und Diebstahl verurteilten russische Gerichte Beresowski später in Abwesenheit zu mehrjährigen Gefängnisstrafen.

1996 sorgte der Oligarch mit seinem Fernsehkanal ORT dafür, dass bei der Präsidentschaftswahl Boris Jelzin und nicht KP-Chef Gennadi Sjuganow gewann. Jelzins Popularität in der Bevölkerung war wegen stillgelegter Fabriken und monatelangem Warten auf Löhne und Renten auf vier Prozent gesunken. Mit Hilfe von Beresowskis Medienmacht gewann Jelzin die Wahl dann doch noch.

Nicht nur wegen seinem schnell erworbenen Reichtum ist das Ansehen von Beresowski in der russischen Bevölkerung gering. Viele Russen erinnern sich auch daran, dass der Oligarch, der in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre stellvertretender Vorsitzender des russischen Sicherheitsrates war, während des Tschetschenienkrieges mit tschetschenischen Feldkommandeuren um die Herausgabe von gefangenen russischen Soldaten verhandelte und dabei auch eigenes Geld einsetzte. Für viele Bürger ist das ein Beleg dafür, dass der Oligarch schon damals gegen Russland arbeitete. Denn die Auslöse-Gelder landeten direkt in der Kriegskasse der Separatisten.

"Ich habe Putin zum Präsidenten gemacht"

Beresowski war fest überzeugt, mit seiner Hilfe könne Putin irgendwann gestürzt werden und er könne als Sieger nach Russland zurückkehren. Er habe Putin 1999 zum Präsidenten gemacht und werde ihn auch entmachten, prahlte Beresowski einmal in London. Doch der Oligarch pokerte zu hoch.

Schon 1999 hatte sich der Oligarch verschätzt. Kurz nach Putins Machtantritt kam es zwischen dem neuen russischen Präsidenten und Beresowski zum Zerwürfnis. Die Details sind nicht bekannt. Soviel weiß man inzwischen: Beresowski gehörte zu den Oligarchen, die vor allem an ihren persönlichen Erfolg dachten und sich an Vorbilder aus den USA orientierten. Wladimir Putin forderte dagegen von den Oligarchen eiserne Unterordnung, um den langsamen Zerfall Russlands und das wirtschaftliche Chaos zu stoppen.