TV-Quotenmessung unter Druck

Technische und soziale Entwicklungen zwingen das System zu Änderungen

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In den USA hat die Firma Nielsen seit vielen Jahrzehnten ein Quasi-Monopol auf die Messung von Fernsehquoten. Streaming-Portale und andere technische und soziale Entwicklungen entfernen die noch zu Radiozeiten entwickelten Methoden des Unternehmens allerdings zunehmend von der Realität. 2007 versuchte die Firma vorsichtig auf die zunehmende Verbreitung von Festplattenrekordern zu reagieren, indem sie in C3- und C7-Ratings auch Zuschauer berücksichtigte, die eine Sendung innerhalb einer Frist von drei Tagen beziehungsweise einer Woche nach der Ausstrahlung ansahen.

Diese Quoten wichen teilweise ausgesprochen deutlich von den direkt gemessenen ab. Bei der in den USA auf CBS ausgestrahlten Sherlock-Holmes-Adaption Elementary stiegen sie beispielsweise in der besonders werberelevanten Gruppe der 18- bis 49-Jährigen um bis zu 64 Prozent. Bezieht man alle Abspielvorgänge mit ein (also auch solche, die mehr als eine Woche nach der Ausstrahlung erfolgen), zeigt sich vor allem bei Science-Fiction-Serien eine deutlich höhere Zahl von Zuschauern.

Podbuster-Werbung zur Ausstrahlung in den Pausen der Serie Desperate Houswifes

In der Vergangenheit hatte Nielsen argumentiert, die neu gemessenen Zuschauer wären irrelevant, weil sie Unterbrechungen regelmäßig vorspulen würden und dadurch Werbung nicht zugänglich seien. Mittlerweile haben findige Agenturen aber Methoden gefunden, auch diese Konsumenten zu erreichen: Podbusters-Spots orientieren sich beispielsweise optisch stark an der Ausstattung der Serien, in deren Werbepausen sie laufen, und greifen manchmal sogar auf Schauspieler daraus zurück. Auf diese Weise bringen sie Zuschauer dazu, das Vorspulen zu unterbrechen und sich die Werbung anzusehen.

Eine andere Methode besteht darin, den Werbespot vorspultauglich zu gestalten, sodass man den Produktnamen auch bei sechsfacher Fast-Forward-Geschwindigkeit noch gut erkennt. Neueren Studien nach könnten solche Clips sogar mehr Eindruck hinterlassen als mit regulärer Geschwindigkeit betrachtete, weil Zuschauer, die beim Vorspulen auf das Ende des Werbeblocks warten, deutlich aufmerksamer sind als solche, die sich müde von einem Life-Programm berieseln lassen.

In Deutschland misst die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in ihren 5640 zufällig ausgewählten deutschen Haushalten die Wiedergaben auf Rekordern zwar seit 1985, bezieht sie aber erst seit 2011 in die öffentlich herausgegebenen Quoten mit ein. Noch zurückhaltender ist man in der Schweiz, wo der unlängst angegangene Versuch, die Festplattenrekorderzuschauer mit aufzunehmen, zu einem Streit zwischen einem Sender und dem Marktforschungsunternehmen Mediapulse führte, weshalb seit letzter Woche keine eidgenössischen Fernsehquoten mehr veröffentlicht werden.

Wired hält jedoch auch die bloße Einbeziehung der Abspielvorgänge von der Festplatte für längst nicht mehr ausreichend zur Beurteilung des wahren Erfolgs einer Serie: Es fehlen nämlich Streaming-Vorgänge auf den in den USA mittlerweile recht bedeutsamen Portalen Hulu, Netflix, Amazon Prime und iTunes, die Nielsen erst im Herbst integrieren will. Außerdem plant das Marktforschungsunternehmen eine Zusammenarbeit mit dem Kurznachrichtendienst Twitter, auf dem zu Stoßzeiten bis zu 40 Prozent der Meldungen Fernsehserien kommentieren. Und was dort für Aufmerksamkeit sorgt, muss nicht unbedingt nach traditionellen Quotenmessungen gut abschneiden, wie die Beispiele 30 Rock oder Community zeigen.

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