Hochkonjunktur für das Anwerben von islamistischen Söldnern für Syrien

Bild: Bernard Schmid

Tunesien in der Krise: Kommt es nicht zu spürbaren Verbesserungen der Lebensverhältnisse, könnte das Land in naher Zukunft neuartige Probleme bekommen

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Mehrere Zehntausend Menschen aus 125 bis 130 Ländern kamen kürzlich in der tunesischen Hauptstadt zum Weltsozialforum zusammen. Die Gesamtbilanz dieser internationalen Zusammenkunft für Debatten und die Suche nach progressiven Perspektiven ist positiv zu werten (Tunis: Erwartungen übertroffen), auch wenn einige Schattenseiten nicht verschwiegen werden sollten.

So konnten einige Akteure an dem Forum teilnehmen, die mit absoluter Sicherheit bei einer progressiven Veranstaltung nichts zu suchen haben. Repräsentanten der iranischen Diktatur etwa konnten, unter dem Deckmantel der Kritik an israelischen Unterdrückungsmaßnahmen gegen die Palästinenser, geschichtsrevisionistische Parolen verbreiten: Ansonsten durchaus kritikwürdige Militäraktionen im Gazastreifen wurden in einer kleinen Fotoausstellung unter dem unglaublichen Slogan "The real holocaust" dargestellt. Eine zu starke inhaltliche "Offenheit" für alles Mögliche hat an dem Punkt die Grenzen des Erträglichen erreicht, und politische Klarstellungen sind für die Zukunft zu wünschen.

Dem positiven Gesamtcharakter des Ereignisses tut dies keinen Abbruch, denn die überwältigende Mehrheit der Forumsteilnehmer hat mit solch' hässlichen Aspekten nichts zu tun. Gewerkschaftliche Freiheiten und Frauenrechte, Gleichberechtigung und Bewegungsfreiheit für Immigranten, Eintreten gegen ökologische Katastrophen waren die Hauptthemen.

Die seit 2000 jährlich stattfindende internationale Großveranstaltung fand zum ersten Mal in einem arabischsprachigen Land statt. Die Hauptstadt Tunesiens wurde gewählt, weil von diesem Land der zündende Funke des so genannten Arabischen Frühlings, der Umbrüche und Umbruchsversuche von Marokko bis in die Golfstaaten, ausgegangen war.

Das Land hatte im Januar 2011, nach mehrwöchigen Demonstrationen und Unruhen, seinen langjährigen Präsidenten Zine el-Abidine Ben Ali gestürzt. Die Umwälzung war auch mit starken Hoffnungen auf soziale Veränderungen verbunden, die jedoch bislang in breiten Kreisen enttäuscht worden sind. Auch für soziale Verbesserungen zu kämpfen, war eines der fundamentalen Anliegen des Forums.

Billige Callcenter Mitarbeiter und alte Verbindungen von Paris nach Tunis

Bisweilen wurden die Debatten auch zu unmittelbarer Praxis. So, als französische Forumsteilnehmer und Gewerkschafter aktiv wurden, um einen Arbeitskampf beim multinationalen Konzern Téléperformance in Tunis zu unterstützen.

Téléperformance ist ein 1978 gegründetes Unternehmen mit Hauptsitz in Paris, das dort börsennotiert ist und in mehreren Ländern Call Center betreibt. Seine tunesische Filiale, deren Lohnabhängige ungefähr ein Fünftel so viel verdienen wie Beschäftigte in Frankreich in vergleichbarer Situation (225 Euro), betreibt den Telefonservice für mehrere führende französische Unternehmen. Das Unternehmen ist eng mit der französischen politischen Elite, aber auch mit Machthabern und früheren Machthabern in Tunesien verflochten.

Arbeitskampf gegen Téléperformance. Bild: Bernard Schmid

Im Aufsichtsrat sitzt ein Senator der französischen konservativ-wirtschaftsliberalen UMP. Der Gründer des tunesischen Ablegers von Téléperformance, Jacques Berebi, wurde noch 2010 durch den damaligen Diktator Zine el-Abidine Ben ‘Ali in seinem letzten Amtsjahr mit einem Orden ausgezeichnet. Das Unternehmen ist, wie andere seiner Art, in Tunesien weitgehend steuerbefreit.

Ausgesprochen üble Arbeitgeberpraktiken

Téléperformance betreibt in Tunesien ausgesprochen üble Arbeitgeberpraktiken. Ein Tarifabkommen besteht auf dem Papier seit dem Jahr 2010, es wurde jedoch noch nie angewandt. Die örtliche Direktion wird von den abhängig Beschäftigten beschuldigt, die Prämien für das Personal selbst einzusacken. Ende Februar 2013 lösten zehn Entlassungen von Lohnabhängigen einen Aufschrei des Personals aus. Das Unternehmen praktiziert schon aufgrund geringfügiger Anlässe - wie fünfminütigen Verspätungen - Lohnzurückhaltungen und verhängt Sanktionen.

Unausgesprochener Hintergrund dafür ist, dass das Unternehmen versuchen möchte, einen möglichst starken Turn-Over zu wahren, um eine längerfristige Verfestigung von Arbeitsverhältnissen zu vermeiden (welche die Firma theoretisch zu Lohnerhöhungen mit fortdauernder Betriebszugehörigkeit zwingen würden). Seit Ende Februar 2013 streikt deswegen ein Teil des Personals. Neun Tage lang waren Beschäftigte sogar im Hungerstreik.

An diesem 26. März treffen Delegationen der französischen Gewerkschaftsverbände Union syndicale Solidaires (auch unter dem Namen SUD bekannt) und CGT vor der glitzernden Fassade von Téléperformance-Tunesien ein. Zusammen mit streikenden Beschäftigten halten sie eine Kundgebung ab, nachdem SUD und CGT zuvor am Unternehmenssitz in Frankreich Druck auf den multinationalen Konzern ausgeübt hatten. Tunesische und internationale Journalisten sind vor Ort. Die Kundgebung bewirkt zumindest, dass noch an jenem Tag in Tunis formelle Verhandlungen durch das Unternehmen aufgenommen werden.

Allerdings legt die Direktion keinerlei Angebote auf den Tisch und die Verhandlungsrunde wird zur Farce; fünf Tage später flammt der Streik deswegen am Ostermontag umso stärker wieder auf, mit nunmehr 80 % Beteiligung.

"Landesverrat"

Die Arbeitskämpfe in den Call Centern, die in Marokko und Tunesien mindestens 400.000 - oft hochqualifizierte und bestens Französisch sprechende - junge Menschen meist für Unternehmen aus Frankreich beschäftigten, sind auch Gegenstand beim Sozialforum. Marokkanische Gewerkschafterinnen berichten, wie in ihrem Land noch üblere Bedingungen als in Tunesien herrschen. Fordern sie bessere Arbeitsbedingungen, so werden sie von konservativen Kreisen beschuldigt, Landesverrat zu üben und mit französischen Gewerkschaften unter einer Decke zu stecken: "Ihnen ginge es darum, die Arbeitsplätze nach Frankreich zurückverlagert zu bekommen. Und wir seien dumm genug, ihnen dafür Beihilfe zu verschaffen."

So schildert es Imad, ein junger Gewerkschafter, der sich um die Organisierung der Beschäftigten in Call Centern kümmert - kein leichtes Unterfangen, denn manche von ihnen lässt man schon bei der Einstellung eine Eigenkündigung "auf Vorrat" unterschreiben. Eine Gewerkschafterin aus Québec, der französischsprachigen Provinz Kanadas, dagegen berichtet:

Bei uns ziehen sich diese Unternehmen bereits wieder aus dem Maghreb zurück, weil sie meinen, dass die Leute dort inzwischen zu viel für ihre Rechte kämpfen. Sie haben eine neue Masche herausgefunden: Sie rekrutieren nun Arbeitskräfte dort und lassen diese mit befristeten Aufenthaltstiteln, die an den Arbeitsvertrag gekoppelt sind, nach Kanada kommen. Aber wenn sie den Mund aufmachen, wird ihr Aufenthalt dort beendet…

Die Notwendigkeit, Strategien zu entwickeln, die auf die Mobilität des Kapitals und das systematische Gegeneinanderhetzen der Beschäftigten in verschiedenen Ländern antwortet, bleibt also hochaktuell.

Junger Arbeitsloser verbrennt sich selbst: ein trauriges Déja-Vu?

Auch auf anderen Ebenen bleibt die soziale Situation in Tunesien angespannt. Es wirkt wie ein bitteres Déjà-vu: Am 12. März verbrannte sich ein 27jähriger junger Arbeitsloser bzw. Prekärer, der mangels anderer Verdienstmöglichkeit auf der Straße Zigaretten verkaufte, selbst. ‘Adel Khadri (auch Khazri aus dem Arabischen transkribiert) zündete sich im Stadtzentrum von Tunis selbst an und rief dabei aus:

Seht her, hier ist die Jugend, die Zigaretten verkauft, hier ist die Arbeitslosigkeit!

Bis dahin hatte er Zigaretten auf der Avenue Bourguiba verkauft, um sich selbst über Wasser zu halten, aber auch seine Mutter und seine drei Brüder (nach dem Tod seines Vaters) zu Hause zu versorgen. Am folgenden Tag starb er an den Folgen der erlittenen Brandverletzungen. Der bittere Zwischenfall erinnert in einigen Punkten an die Selbstverbrennung des 26jährigen, prekär seinen Lebensunterhalt verdienenden Mohamed Bouazizi am 17. Dezember 2010. Sie bildete den Auslöser für die tunesische Revolte im Winter 2010/11.

Invaliden der Revolution. Bild: Bernard Schmid

Er erinnert - sofern nötig - daran, dass die inzwischen abgeschlossenen Phasen der tunesischen Revolution zwar einen politischen Pluralismus durchsetzten, aber die drängendsten sozialen Fragen bislang mitnichten lösen konnten. Entsprechend stark ist der Erwartungsdruck auf die derzeit und künftig Regierenden. Ohne dass absehbar wäre, dass die Regierenden auf dieser Ebene irgendetwas lösen könnten - zumal sie keinerlei Anstalten machen, den durch den IWF oder auch die Europäische Union vorgegebenen Rahmen eines eng abgesteckten wirtschaftlichen "Modells" zu verlassen oder mit ihm zu brechen.

Neues Kabinett: Erinnert an das alte…

Mitte März lief die Vertrauensabstimmung im provisorischen Parlament in Tunis, der "Verfassungsgebenden nationalen Versammlung". Seitdem regiert das neue Kabinett unter dem bisherigen Innenminister Ali Laarayedh.

Ali Laarayedh zählt eher zum eher nach bürgerlicher "Normalisierung" strebenden Flügel der islamistischen Regierungspartei En-Nahdha. Er hatte am 22. Februar die Nachfolge des am 19. Februar zurückgetretenen Premierministers Hamadi Jebali angetreten. Er hatte daraufhin vierzehn Tage Zeit, um ein neues Kabinett vorzustellen. Kurz vor knapp, wenige Stunden vor Ablauf der Frist, präsentierte er Präsident Moncef Marzouki dann auch ein neues Regierungskabinett.

Dieses ist im Wesentlichen gegenüber dem alten unverändert zusammengesetzt: Es ist nicht gelungen, die "Troika" genannten bisherige Regierungskoalition (aus En-Nahdha, dem "Kongress für die Republik"/ CPR von Moncef Marzouki und der sozialdemokratischen Partei Ettakatol) um weitere politische Kräfte zu erweitern - wie Spitzenpolitiker der ausscheidenden Regierung dies explizit angestrebt hatten. Im Wesentlichen bleibt die alte Koalition im Amt, wobei jedoch vier Schlüsselministerien - Inneres, Äußeres, Verteidigung, Justiz - künftig mit parteilosen Fachleuten statt mit Vertretern von En-Nahdha besetzt werden.

Dies war eine der wesentlichen Forderungen der bisherigen Koalitionspartner von En-Nahdha, vor allem von Ettakatol, für ihren Verbleib in der "Troika" gewesen. En-Nahdha wiederum ist aus eigener Sicht auf die Koalition angewiesen, nicht allein aufgrund einer nur relativen Mehrheit im provisorischen Parlament (41 % der Sitze dank rund 37 % der Stimmen), sondern auch, um nicht allein die politische Verantwortung für Erfolge und v.a. Misserfolge der Regierung zu tragen. Denn auch En-Nahdha ahnt zumindest - trotz allen ideologischen Nebels, in dem die Islamisten wandeln mögen - dass sie die drängenden sozialen und ökonomischen Probleme des Landes eben nicht einfach lösen wird…

Wutdemonstration und neue Selbstverbrennungsversuche

Zur Beerdigung des 27jährigen Arbeitslosen ’Adel Khadri (Khazri), der sich zwei Tage zuvor verbrannt hatte, kamen mehrere Hundert Menschen in ein schwer zugängliches - und nur sehr schlecht an den Verkehr angebundenes - Dorf. Sie wandelte sich rasch in eine Zornes- und Protestdemonstration.

Am selben Tag fanden allein drei Versuche von öffentlicher Selbstverbrennung in Tunesien statt. Solche dramatischen Ereignisse geben einen Eindruck davon, wie drängend zugespitzt ihre soziale Lage von sehr vielen Menschen (vor allem jungen Tunesiern und Einwohnern der küstenfernen Regionen oder Menschen mit Familienangehörigen dort) empfunden wird.

Der neue Premierminister Laarayedh sprach in seiner Antrittsrede selbst davon, dass "der Terrorismus" islamistischer Extremisten wie der Salafisten sowie "die sozialen Spannungen die Zukunft des Landes bedrohen".

Migranten-Rechte

Ein weiteres wichtiges Thema in Tunesien ist die Migration. Im Gegensatz zu früheren Zeiten, in denen Ländern wie Marokko oder Tunesien überwiegend Auswanderungsländer - in Richtung Frankreich, Spanien und Italien - darstellten, bilden sie heute selbst auch Einwanderungs- sowie Durchgangsländer. Migranten aus dem subsaharischen Afrika oder Kriegsflüchtlinge aus Libyen reisten in Länder wie Tunesien ein, zum Teil mit dem Vorsatz, eine Weiterreise nach Europa zu versuchen; oder schlicht weil sie aufgrund der Not- und Gewaltsituation in ihren Herkunftsländern keine eine andere Wahl hatten.

Flüchtlinge aus dem Choucha-Camp. Bild: Bernard Schmid

Auch die Flüchtlinge aus dem subsaharischen Afrika, die seit zum Teil zwei Jahren im Choucha-Camp an der Grenze zwischen Tunesien und Libyen festgehalten werden, nahmen an vielen Debatten beim Weltsozialforum teil. Sie führen derzeit einen Hungerstreik vor den Büros des UNHCR in Tunis durch. Das Camp soll am 1. Juli dieses Jahres geschlossen werden, aber einige Flüchtlinge wissen immer noch nicht, wohin sie dann gehen können.

Tunesische Militärs kündigten ihnen an, "nur auf Befehle zu warten, um dann die Großreinigung zu beginnen", und beschimpften sie rassistisch als "Sklaven". Die vom UNHCR anerkannten Flüchtlinge sollen zum Teil in anderen Ländern "reinstalliert" werden, aber die Festung Europa zeigt sich weitgehend unnachgiebig.

Deutschland hat inzwischen wenigstens 201 Menschen aus Choucha aufgenommen, doch bei vielen anderen verzögert sich die Aufnahme noch immer. Vor allem sind all jene, die nach dem Tod Muammar al-Gaddafis (20. Oktober 2011) im Choucha-Camp ankamen - auch wenn sie drei Monate im Grenzgebiet festgehalten worden waren -, vom "Reinstallisierungs"-Programm ausgenommen.

Migranten sind aber auch viele junge Tunesier, die nach dem Sturz der Ben Ali-Diktatur 2011 die Ausreise versuchten, weil die polizeiliche Kontrolldichte vorübergehend abgenommen hatte - unter dem alten Regime konnte ins Gefängnis kommen, wer eine "illegale Ausreise" versucht hatte. Ab dem Stichtag 05. April 2011 schickte Italien die tunesischen Staatsbürger, die meist über die Insel Lampedusa einreisten, jedoch zurück.

. Bild: Flüchtlinge aus dem Choucha-Camp. Bernard Schmid

Ein junger Mann, Radouan Haji, erzählte auf einem der Debattenforen beim WSF, wie es ihm ergangen war. Beim Versuch der Überfahrt im Boot nach Italien wurden er und die anderen Insassen durch die italienische Küstenwacht aufgegriffen, nachdem sie die Passagiere eines anderen Schiffs mit eigenen Augen hatten ertrinken sehen.

Wir wurden in ein Aufnahmelager gesteckt, dann legte man uns Handschellen an und setzte uns in ein Flugzeug nach Tunesien. Bei der Rückkehr am Flughafen wurden wir erst von einem italienischen Polizisten noch an Bord angespuckt und dann von seinen tunesischen Kollegen bei der Grenzpolizei verprügelt.

Rekrutierungen

Radouan kommt aus Ghardaha, einer Kleinstadt in der Nähe der tunesisch-algerischen Grenze. Die Gegend hat einen eher schlechten Ruf, weil mancher ihrer Einwohner Schmuggleraktivitäten nachgeht, während die Arbeitslosigkeit dort sehr hoch ist. Deswegen hat er riesige Schwierigkeiten, einen Job in Tunis oder anderswo zu finden. Im November 2012 versuchte er deswegen erneut, einen Ausweg aus seiner Situation zu finden.

Ein Mann kontaktierte mich im Internet, der sich als in der Schweiz sitzender Unternehmer ausgab. Er behauptete, Aktivitäten in Tunesien entwickeln zu wollen und dafür Fernfahrer zu suchen - ich hatte zuvor als LKW-Fahrer gearbeitet. Er bot eine riesige Summe an, 100 Euro pro Tag. Wir trafen eine Verabredung. Am vereinten Ort warteten zwei Leute, die mir jedoch sagten, ich müsse ihren Auftraggeber im Nachbarland Libyen treffen, in Tripolis.

Sie fuhren mich zu einem Haus in 120 Kilometer Entfernung von Tripolis. Schnell begriff ich jedoch, dass es sich um die Durchgangsstation für ein Lager handelte, wo Dschihadisten für den Kampf in Syrien ausgebildet und vorbereitet werden sollen. Das wollte ich um gar keinen Preis. Dank des allgemeinen Aufbruchs zum Freitagsgebet in einer nahen Moschee konnte ich fliehen und in ein Sammeltaxi in Richtung Tunesien steigen. Als ich dort durch die Grenzpolizei festgenommen wurde, war ich zum ersten Mal richtig erleichtert…

Aufgrund der allgemein schlechten sozialen Situation, aber auch des Wirkens islamistischer Agitatoren unterschiedlicher Couleur hat das Werben von islamistischen Söldnern für Syrien zur Zeit in Tunesien Hochkonjunktur. In der Woche während des Weltsozialforums füllte das Thema mehrfach die Titelseiten tunesischer Zeitungen. Die Zahl der auf diese Weise Angeworbenen wird von manchen amtlichen Quellen auf bis zu 12.000 geschätzt.

Andere Beobachter halten dies für übertrieben oder geben jedenfalls an, so viele tunesische Dschihadisten seien auf keinen Fall in Syrien angekommen; der AFP-Journalist Djilali Belaïd schätzt ihre Zahl im syrischen Kampfgebiet auf "höchstens 2.000". Allerdings geben tunesische Journalisten wiederum an, 6.000 rekrutierte Tunesier befänden sich in Ausbildungslagern in Libyen.

Viele Menschen in Tunesien haben unterdessen vor allem davor Angst, was passiert, wenn diese Leute - durch die Kriegserfahrung enthemmt - in ihr Land zurückkehren. Eine entsprechende Erfahrung machte Algerien vor zwanzig Jahren mit jenen jungen Männern, die zuvor in Afghanistan gegen die Sowjetunion gekämpft hatten und später oft ein Rückgrat bewaffneter Banden bildeten. Kommt es nicht zu spürbaren Verbesserungen der Lebensverhältnisse im Land, könnte Tunesien in naher Zukunft auf diese Weise neuartige Probleme bekommen.