Zypern und Griechenland

Bild: W. Aswestopoulos

Troikanische Parallelwelten

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Die Troikaner befinden sich sowohl in Griechenland als auch in Zypern. Zusätzlich dazu durchforstet Horst Reichenbach mit seiner Task Force Griechenland. In beiden Fällen geht es um das Gleiche. Es gibt gegenseitige Erpressungen, Gefeilsche und Skandale. Offensichtlich geht es dabei recht ruppig zu, denn ein achtunddreißigjähriger Troikaner erlitt in Athen bereits einen Gehirnschlag.

In Zypern wird das erste Memorandum diskutiert. Ob die Regierung es wagt, den Vertrag dem Parlament vorzulegen, steht noch in den Sternen. Bereits jetzt errechneten die Zyprioten, dass der Kreditplan der Troika nicht aufgehen kann. In Griechenland ist, während in Zypern verhandelt und in ganz Europa über die nächsten Kandidaten für ein Memorandum gerätselt wird, der nunmehr vierte Rettungsplan im Gespräch. Folgerichtig wird in Zypern bereits vor der Unterschrift unter das erste Memorandum über das zweite Memorandum diskutiert.

Premierminister Antonis Samaras wollte das zweite Memorandum seiner Amtszeit eigentlich auf den Juni verschieben, muss jedoch wegen der schlechten Wirtschaftsentwicklung bereits jetzt in den sauren Apfel beißen.

Auffällig bleibt, dass die Zeche immer von denen bezahlt werden soll, die kaum mehr Einfluss auf die Entscheidungen haben können, also von den einfachen Bürgern. Ermutigend ist, dass in Zypern mit der juristischen Belangung der Hauptverantwortlichen begonnen wird. Dort gibt es keine Amnestiegesetzte, die wie in Griechenland, der Politik eine Straffreiheit bescheren.

Zyperns Drama

Zumindest wissen die Konteninhaber der Bank of Cyprus nun, dass sie für ihre Einlagen über 100.000 Euro aller Wahrscheinlichkeit nach fünfzig Prozent abschreiben können. Erst in der laufenden Woche soll endgültige Klarheit geschaffen werden. Bei der Cyprus Popular Bank - Laiki Bank sind alle Einlagen oberhalb von 100.000 Euro verloren. Statt der immer wieder zitierten reichen Russen erwischte es vornehmlich Normalbürger, aber auch einige Prominente, wie den ehemaligen griechischen Nationalspieler Trajanos Dellas. Kunden anderer Banken sind zunächst nicht betroffen.

Hinsichtlich der Beschränkungen des Geldverkehrs, wurde seit dem 28.3.2013 das fünfte Dekret erlassen. Nunmehr können zur Begleichung von Rechnungen Überweisungen bis zu 10.000 Euro getätigt werden. Obwohl allerorts über die Sicherheit von Einlagen bis zu 100.000 Euro geschrieben wird, können die Konteninhaber der Laiki Bank immer noch keinen müden Cent von ihren Guthaben abheben.

Zentralbankchef Zyperns Dimitriadis tritt zurück: "Schämt euch" am Eingang der Zentralbank. Bild: W. Aswestopoulos

Die immer noch ratlose agierende politische Führung erhält Drohbriefe, in denen eine grausame Art der Rache angedroht wird. Auf griechischsprachigen Inseln ist die Blutrache immer noch präsent. Genau dies droht eine noch frische Gruppe den Politikern an. Sie möchten mit den Enkeln beginnen und danach die gesamte Familie der Regierenden auslöschen. Erst am Ende soll der jeweilige Politiker sterben.

Was mit den Bankern des Landes geschehen soll, ist noch unklar. Es ist rational nicht nachvollziehbar, wie die Selbstbedienungsmentalität der Privatbanker so lange unauffällig blieb. Andreas Vgenopoulos, der griechische Tycoon, der mit seiner MIG in den letzten Jahren von der Olympic Airways über den nunmehr zur deutschen Telekom gehörenden Telekommunikationsriesen OTE oder dem Fußballverein Panathinaikos Athen bis hin zur Laiki Bank alle möglichen Investments tätigte, hatte gar die Chuzpe, Zypern vor Gericht zu zerren.

Vgenopoulos wollte nicht einsehen, warum sein Bankinvestment zwangsverstaatlicht wurde. Er hätte jedoch wissen müssen, dass es nicht unbedingt normal ist, über eine eigene Bank Kredite zu vergeben und die Kreditnehmer gleichzeitig von jeglicher Rückzahlung einer Rate oder von Zinsen bis zum Vertragsende zu entbinden. Wirklich seltsam erscheint es jedoch, wenn diese vorzüglichen Kreditbedingungen an eine Voraussetzung gebunden sind, das Geld musste in die MIG investiert werden. Mit diesem über Liquiditätsmittel aus dem ESM des ESFS finanzierten Schneeballsystem konnte Vgenopoulos seine listigen Großindustriellenfantasien sehr lange ungestört ausleben. Weder die staatliche noch die europäische Bankenaufsicht kamen auf die Idee, den Fluss der benötigten Gelder zu überprüfen. Zumindest für Vgenopoulos und einige seiner Manager hat dieses Handeln nun ein juristisches Nachspiel.

Während bei Vgenopoulos übermäßiges Gewinnstreben als eindeutiges Motiv angesehen werden kann, wird kaum jemand die Kurzsichtigkeit von Andreas Eliades verstehen. Eliadis kaufte griechische Staatsobligationen in großem Stil, nachdem das faktisch bankrotte Griechenland im Mai 2010 unter den europäischen Rettungsschirm schlüpfte. Eliadis handelte jedoch nicht auf eigene Rechnung, sondern als CEO der Bank of Cyprus, die er mit seinem Schritt buchstäblich in die Pleite trieb. Besonders übel für die Bank of Cyprus war, dass der Haircut für griechische Staatsanleihen nicht als Zahlungsausfall gewertet wurde. Es gab daher keine Zahlungen von CDS-Kreditausfallversicherungen.

Angesichts solcher Summen fallen die Geldgeschenke, die alle zypriotischen Banken an Politiker, Wirtschaftsbosse und Gewerkschaftler machten, kaum noch ins Gewicht. Sie werden aber ebenso wie die immer wieder auftauchenden Berichte einzelner superreicher Arbeitsloser aus Griechenland für Schlagzeilen sorgen.

Athener Straßenbild. Bild: W. Aswestopoulos

Griechenlands Endlostheater

Griechenland erlebt trotz des ersten Haircuts Anfang 2012 und des zweiten am Ende des Jahres weiterhin das immer gleiche Spiel. Die Troika ist mal wieder da und hat einiges zu bemängeln. Die Regierung tönt im Rundfunk, sie werde hart verhandeln, aber am Ende wird es doch nur die neuen, von der Troika verlangten Steuern geben.

Obwohl Finanzminister Yannis Stournaras den Troikanern drohte, dass sie dem SYRIZA Parteivorsitzenden und Oppositionsführer Alexis Tsipras den Schlüssel des Finanzministeriums übergeben könnten, wenn sie weiter auf ihren Forderungen bestehen würden, wird er am Ende nachgeben. Bereits am Sonntagabend sah man ihn lächelnd mit den Troikanern. Gemeinsam hatte man den vorher bereits beschlossenen Fusionsdeal von National Bank of Greece und Eurobank gestoppt.

Unter der Woche hatten die drei Regierungsparteien einvernehmlich einen weiteren endlosen Zank beendet. Sowohl Antonis Samaras als auch Fotis Kouvelis von der DIMAR hatten im Wahlkampf hoch und heilig versprochen, dass die über die Stromrechnung eingetriebene "Sonderabgabe für Elektrifizierte Bebaute Flächen", im Volksmund kurz Charatsi genannt, abgeschafft würde. Kouvelis hatte sogar den Fortbestand der Koalition davon abhängig gemacht.

In der Tat wird die 2011 als kurzfristige Abgabe eingeführte Sondersteuer nun sehr einfach abgeschafft. Sie wurde schlicht umgetauft und wird weiterhin mit der Stromrechnung eingetrieben. Maximal 200 Millionen Euro aus dem 3,5 Milliarden Steuerpaket sollen als Entlastung wegfallen. Für jede einzelne der seitens der Troika verlangten Maßnahmen, so auch den anstehenden und der Verfassung widersprechenden Beamtenentlassungen gibt es einen tagelangen, medial minutiös überwachten Poker.

Manolis Glezos (rechts). Bild: W. Aswestopoulos

Weniger als in Deutschland beachtet wurde dagegen der erste Bericht über die ausstehenden Reparationen und Kreditrückzahlungen, welche die Bundesrepublik als Rechtsnachfolger dem griechischen Staat schuldet oder schulden soll. Anders als es aufgrund des Artikels bei Spiegel Online offenbar den Anschein hatte, steht die Regierung nicht als Initiator hinter der Abrechnung mit der Vergangenheit. Treibende Kraft war in diesem Fall hauptsächlich die Opposition und allen voran der Weltkriegsveteran Manolis Glezos. Glezos wird nicht müde zu betonen, dass Griechenland schließlich auch seine Schulden aus der Zeit vor der Staatspleite 1932 beglichen habe.

An anderer Stelle erlebt Hellas weiterhin eine verzerrte Sicht auf die Vergangenheit. Nach dem nach Aussage seines Trainers Ewald Lienen politisch vollkommen ungebildeten Stürmer Giorgos Katidis stellte sich der nationalistische Sangeskünstler Notis Sfakianakis im Hitlergruß vor sein Publikum. Zur Textphrase "Deutschland Deutschland über alles" möchte er mit dieser Geste seinem Protest gegen Kanzlerin Angela Merkel Ausdruck verleihen.

Wie beide Länder mit der Krise umgehen

Derweil in Griechenland ein Bauer seinen Traktor verkaufen muss, um seine Medikamente zahlen zu können, und die zypriotische Regierung die kostenlose Medizinversorgung für Nicht-EU-Ausländer streichen möchte, zeigt sich auf der Insel etwas, was in Griechenland erst langsam anlief: die Solidarität. So übergaben die Häftlinge des Landes 9000 gesammelte Euros an eine soziale medizinische Einrichtung für Arme.