"Ich bete, dass es die Kirche in der jetzigen Form noch lange gibt"

Manfred Deix über die katholische Kirche

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Einen bunten Strauß voll herrlicher Kirchenschelten und entzückender Blasphemien bringt uns Manfred Deix, der zur Freude des Publikums in seinem neuesten Bildband Der heilige Deix die katholische Kirche maliziös untersucht. Ein Gespräch mit dem genialen Maler, Karikaturisten und Beach-Boys-Fan.

Bild: Ecowin Verlag

Herr Deix, der Katholizismus ist ja eine sehr sinnliche und derbe Religion, in welcher trotz aller Jenseiterei die niederen Regionen des Menschseins sehr wohl ihren Platz haben: Wie sehr hat Sie der Katholizismus als Künstler beeinflusst?

Manfred Deix: Der Katholizismus hat mich von Kleinauf beschäftigt. Ich bin katholisch erzogen worden: Erstkommunion, Firmung und alles, was dazu gehört. Als Sechsjähriger bin ich durch einen Religionslehrer täglich mit Religion konfrontiert worden und habe das erst einmal hingenommen, wie alle anderen auch. Als ich dann aber neun oder zehn Jahre alt geworden bin, habe ich gemerkt, dass hier etwas nicht ganz stimmt. Und mit elf wurde ich dann mit dem Phänomen der Homosexualität bekannt, obwohl ich mir damals gar nicht so recht vorstellen konnte was das ist: Ich hatte nämlich einen Religionslehrer, der immer recht nah an mir und meinen Tisch gestanden ist und mit mir sehr charmant war.

Manfred Deix. Bild: Ecowin Verlag

Dieser Mann hat mich dann eines Tages darum gebeten, ein Buch durchzulesen, um daraus einen Comic-Strip zu machen. Dieser wurde dann ein Jahr lang mit jeweils vier bis fünf Bildern in der Niederösterreichischen Kirchenzeitung gedruckt. Das hat mich hellauf begeistert. Geld gab es ja auch noch. Viele Abonnenten haben meinen Eltern damals gratuliert und so wurde ich schließlich, auch auf den Rat meiner Lehrer, nach Wien auf eine Schule für Werbegrafik geschickt. Gottseidank, denn ich war in Mathematik und Chemie einfach zu schlecht. Wien war für mich immer die Stadt der Träume, so wie Hollywood für Amerikaner. Nach der Werbgrafikschule bin ich dann auf die Kunstakademie gegangen.

Dann haben Sie also dem Katholizismus eigentlich ihre Existenz als Künstler zu verdanken...

Manfred Deix: Der Katholizismus hat mich insofern begleitet, weil ich mich mit 11 und 12 Jahren über die Kirche wahnsinnig lustig gemacht habe. Es gibt in der Kirche so viele Schwachstellen, die ich mit meinem detektivisch-akribischen Auge sofort erkannt habe, was mich wundert, denn in meiner Familie hat das ansonsten keiner. Aber ich habe ein scharfes Auge entwickelt, in die Leute hineinschauen und falsch von richtig unterscheiden können. Die Falschheit der Priester habe ich erkannt, weil sie merkwürdige Doppelleben geführt haben.

Ich wohnte zu der Zeit mit meinen Eltern, die ein Gasthaus hatten, in einem Ort mit 3500 Einwohnern. Und ich musste, ob ich wollte oder nicht, jeden Sonntag die Kirche besuchen und der Wandlung beiwohnen. Wissen Sie was die Wandlung ist?

Nein, keine Ahnung.

Manfred Deix: Bei der Wandlung wird eine Hostie in den Leib Christi verwandelt. Der Priester hält eine runde Oblate in die Höhe und sagt: So, das ist jetzt der Leib Christi. Ich dachte mir immer: Um Gottes Willen, ich bin doch kein Kannibale, ich will den Leib Christi doch gar nicht fressen! Ich dachte wirklich, ich beiß da rein und es spritzt Blut heraus. Dann habe ich natürlich gemerkt, dass es ein fad schmeckendes Gebäck ist, aus dem man ansonsten Eistüten macht. Das alles hat die Kirche in mir in Bewegung gebracht.

Welche Aspekte am Katholizismus reizen Sie am meisten?

Manfred Deix: Reizen tut mich alles an der Kirche. Ich bin froh, dass es sie gibt und wehre mich gegen jede Modernisierung, jede Zeit-Anpassung und jede Änderung. Die Kirche ist an sich höchst reizvoll: Erstens habe ich es gern, wenn merkwürdige Herren merkwürdige Kleider tragen. Dann gefallen mir Kirchen an sich als Sakralbauten, weil es tolle Architektur ist. Und nicht zuletzt bin ich froh, dass die Kirche Tausende Fehler hat, über die ich mich zeichnerisch hermachen und sie sezieren kann. Davon lebe ich schließlich. Ich bete, dass es die Kirche in der jetzigen Form noch lange gibt.

Sind Sie überhaupt religiös?

Manfred Deix: Ich?

Ja.

Manfred Deix: Überhaupt nicht. Aber ich halte mich an die Regeln, die ja ungefähr den zehn Geboten entsprechen. Aber daran hält sich jeder, der nicht krank ist. Das sind so normale Regeln, dass man sie auch ohne Kirche kapiert.

Katholizismus und Sex: Warum ist das so eine explosive Mischung?

Manfred Deix: Für mich ist das ein Lustgewinn, weil es die Widersprüche so nach oben schwenkt: Bei Priestern, die kein Sexualleben haben dürfen, wirkt es eben besonders stark, wenn sie ihre sexuellen Zwänge bekommen und diese verdrängen müssen. Das belustigt mich und ich freue mich über jede neue Veröffentlichung darüber, was es da alles an Merkwürdigkeiten gibt. Das ist mir äußerst kostbar. Was die Kirche mit der Sexualität aufgeführt hat und weiter aufführt, ist alles wunderbar. Ich liebe die Kirche.

Könnten Sie sich vorstellen, dass das Thema "sexueller Missbrauch" der katholischen Kirche noch einige Zeit erhalten bleibt?

Manfred Deix: Mit ganz großer Sicherheit. Es werden noch schöne Dinge auf mich zukommen, die nächsten Skandale sind vorprogrammiert: Die Priester haben alle geschwollene Eier und das muss ja alles irgendwo ausgegossen werden. Und das sind nicht selten Männerafter.

Können Sie eine Schätzung abgeben, wo mehr geheuchelt wird: im Katholizismus oder bei den Protestanten?

Manfred Deix: Auf alle Fälle bei den Katholiken, schließlich dürfen die Protestanten viel mehr machen als die Katholiken. Also gibt es bei denen viel weniger Heuchelei als bei den Katholen.

Nun ist Papst Benedikt vom Franziskus, einem Jesuiten, abgelöst worden. Versprechen Sie sich davon irgendwelche Verbesserungen?

Manfred Deix: Alles, was er besser machen könnte, wäre für mich eine Verschlechterung. Also hoffe ich, er ändert nicht allzu viel.

Judentum, Christentum, Islam und Buddhismus: Sehen Sie hier eher Unterschiede oder Gemeinsamkeiten?

Manfred Deix: Die Gemeinsamkeit ist der große Glaube dieser Leute an Horrorgeschichten und anderen erfundenen Scheiß. Ich kann mit denen allen nichts anfangen, das ist mir alles zu verquer und schräg. Ich bin kein religiöser Mensch und so interessieren sie mich nicht. Ich wünsche ihnen alles Gute. Sie sollen so bleiben, wie sie sind.

Was ist ihre Meinung zu den Mohammed-Karikaturen?

Manfred Deix: Sie sind etwas sehr streng, unsere moslemischen Brüder, ein wenig schroff in der Auslegung der Karikaturen. Man darf nur nicht allzu viel dazu sagen, sonst ... So etwas gehörte gestoppt, aber so etwas lässt sich nicht aufhalten, weil sie emotional durchdrehen und sich mit Händen und Füßen und Waffen wehren. Ich halte sie für gefährlich.

Vorletzte Frage: Was sind ihre Lieblings-Beach-Boys-Lieder und was stellt das Cover von Surf's Up dar?

Manfred Deix: Das Cover habe ich jetzt gerade nicht präsent. Was ist da drauf?

Es ist ein gemaltes Bild. Ich würde sagen, ein erschöpfter Teufel in der Nacht mit gesenkter Lanze, der auf einem Klepper sitzt, der sich kaum noch auf den Beinen halten kann.

Manfred Deix: Es gibt in den USA, in England, in Mitteleuropa viele verschiedene Covers von den gleichen Beach Boys-Platten. An einen erschöpften Teufel kann ich mich jetzt nicht erinnern. Aber auch die Frage nach den Lieblingsplatten ist schwierig, weil es so viele davon gibt. Momentan sind es Do It Again und Wouldn't It Be Nice, aber das ändert sich von Monat zu Monat.

Ein Mensch hat einmal über die Beach Boys geschrieben: Von allem Irdischen gereinigter Schmerz, der sich in Schönheit artikuliert."...

Manfred Deix: Das ist ein guter Mann, der das gesagt hat.

Aber hat das nicht schon wieder etwas Christliches?

Manfred Deix: Na, das scheint ein religiös angehauchter Mensch zu sein, aber es ist schön wenn so jemand so Respekt hat vor der Musik, dann kann ich ihm nur zustimmen, egal ob er christlich ist oder nicht.

Na ja, der Satz ist von mir und ich bin eigentlich Marxist!

Manfred Deix: Was sind Sie?

Marxist.

Manfred Deix: Ja ja, okay.