Eine kleine Welt im Kopf

Abb. 1: Die Kurve links stellt die Anzahl der Knoten von Grad 2 bis 30 in einem Netz dar. In der Kurve rechts sind die beiden Achsen logarithmisiert. Es gibt wenige Knoten mit einem hohen Grad und viele mit niedrigem Grad. Die Beziehung zwischen Knotengrad und Anzahl der Knoten mit diesem Grad ist linear, in logarithmischen Maßstab.

... und dazu eine Riesenkomponente: Was das Internet, Facebook und das Gehirn gemeinsam haben

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

In der Fachliteratur wird eine leise, aber intensive Debatte über die statistischen Eigenschaften des neuronalen Verbindungsnetzwerks im menschlichen Gehirn ausgefochten. Es ist noch zu früh, um all die Details der Verbindungsarchitektur dieses Organs vollständig verstehen zu wollen - allerdings kann man sich schon heute fragen, ob die Vernetzung der Gehirnneuronen nachvollziehbaren statistischen Prinzipien folgt.

Skalierungsfreie Netze

Wir treffen jeden Tag auf viele Arten von Netzen. Das Internet beispielsweise verbindet Computer. Soziale Netze wie Facebook verbinden Menschen. Wir können alle unsere täglichen sozialen Interaktionen im Grunde als Vernetzung deuten. In der Informatik besteht ein Netz aus Knoten und Kanten, gerichtet oder ungerichtet. Die Anzahl der Verbindungen eines Knotens zu anderen Knoten nennt man seinen Grad. Wenn ich z.B. in meiner gesellschaftlichen Umgebung bis zu 90 Personen als meine Freunde zähle, so ist mein Knotengrad im sozialen Geflecht genau diese Zahl 90. Einige Personen werden sicherlich mehr oder weniger Freunde als andere haben, so dass der Knotengrad sehr variabel sein kann. Ein anderes Beispiel: Im Internet können wir zählen, wie viele Webseiten mit anderen verlinkt sind. Einige Webseiten hängen lose im Internet (als reine Insel), andere wie Yahoo oder Google zeigen auf Millionen von Webseiten.

Denkt man abstrakt an Netze, d.h. lediglich als Ansammlungen von Knoten und Verbindungskanten zwischen Knoten, kann man die Frage nach der Durchschnittsanzahl von Verbindungen eines Knotens (der mittlere Knotengrad) und dessen Variabilität stellen. Man kann ebenfalls die möglichen Pfade von einem Knoten zu einem anderen prüfen, so wie man im Straßennetz von Ort zu Ort navigiert. Dabei stößt man auf interessante Konstellationen, wie z.B. sogenannte "small-world"-Netze.

Unsere heutige globalisierte Gesellschaft spiegelt eine solche kleine Welt wider. Beispiel: Man kann von jeder Person auf der Erde zu jeder anderen über weniger als sechs sozialen Verbindungen gelangen, d. h., es gibt irgendwo einen Bekannten, der einen Freund kennt, der einen Freund kennt, usw., so dass ich theoretisch jeder Person auf der Welt eine persönliche Nachricht zukommen lassen könnte (Einsiedler nicht eingerechnet!). Dies ist, was man populär als sechsfachen Trennungsgrad bezeichnet (six degrees of separation). Netze mit einer solchen Eigenschaft der kurzen Wege zu allen möglichen Zielen nennt man "kleine Welten". Daran werden wir gelegentlich erinnert, wenn wir in fernen Ländern auf Freunde von Freunden treffen.

Nun fragen sich manche Neurobiologen, ob das Gehirn auch eine solche kleine Welt darstellt und, ob es sogar noch mehr Struktur aufweist, z.B. die des einen "skalierungsfreien" Netzes. Ein Netz ist skalierungsfrei, wenn es einer inversen Potenzregel folgt, d. h. Knoten mit einem sehr hohen Grad kommen nicht so häufig vor, Knoten mit einem niedrigen Grad kommen exponentiell häufiger vor. Wenn man die Anzahl der Knoten mit Grad K zählt, folgt in diesen Netzen diese Anzahl einer Potenzregel: die Häufigkeit von Knoten mit Grad K ist invers proportional zu KA (K hoch einer Konstanten A). Wenn man die Häufigkeit des Knotengrades gegen den Knotengrad in doppellogarithmischem Papier aufträgt, bekommt man eine gerade Linie (Abb. 1). Dies ist die "Signatur" eines so genannten skalierungsfreien Netzes.

Abb. 2: Ein skalierungsfreies Netz kann durch stochastisches Wachstum entstehen. Wenn jeder neue Knoten sich zufällig vernetzt (wobei die älteren Knoten eine höhere Auswahlwahrscheinlichkeit besitzen) ergibt sich eine Struktur mit vernetzungsreichen und vernetzungsarmen Knoten von alleine.

Es ist interessant, dass viele Netze wie das Internet oder soziale Netze einer solchen inversen Potenzregel folgen. Skalierungsfreie Netze besitzen nur wenige Knoten mit Tausenden von Verbindungen, aber diese Knoten sind sehr wichtig für die Kommunikation im Verbund, da sie viele andere Knoten miteinander koppeln und damit Kommunikation über wenige Verlinkungen erlauben. Diese Knoten sind sogenannte "Hubs", d.h. so etwas wie zentrale Flughäfen, die als Drehscheibe für die Kommunikation in alle Richtungen dienen. Wenige solcher Hubs können ein Netz umspannen und es so in eine "kleine Welt" verwandeln, auch wenn der Rest der Knoten im Durchschnitt wenig vernetzt wäre. Wenn die Hubs gut miteinander verlinkt sind, kann man in wenigen Schritten über diese in die Nähe der einzelnen Elemente springen, so wie ich von Berlin aus jeden kleinen Flughafen in Europa mit wenigen Anschlussflügen erreichen kann, auch wenn der neue Flughafen in Berlin auf sich warten lässt, aber dafür eine Verbindung nach Frankfurt besteht.

Wenn von Netzen die Rede ist, wird häufig für die Analyse das Modell eines Zufallsnetzes herangezogen. Ein solches Netz verbindet Knoten homogen rein zufällig miteinander. Es entsteht ein mittlerer Knotengrad mit einer gewissen Streuung. Jeder Knoten ähnelt jedem anderen. Dagegen besteht ein skalierungsfreies Netz aus wenigen "reichen" Knoten (reich an Verbindungen) und vielen "armen" Knoten. Im Internet stellen die Internet-Provider die reichen Knoten und unsere privaten Anschlüsse die eher armen Knoten dar.

Der Physiker Albert-László Barabási hat diese Art von Netzen ausführlich charakterisiert.1 Ein skalierungsfreies Netz besitzt viel mehr Struktur als ein Zufallsnetz, da die Verlinkungen zwischen Knoten nicht rein zufällig angelegt wurden. Solche Netze "wachsen" mit der Zeit und generieren auf diese Weise ihre spezielle Vernetzungsstatistik. Für die Herausbildung eines skalierungsfreien Netzes reicht es anzunehmen, dass jeder neue Knoten sich präferentiell stochastisch mit den älteren Knoten verbindet (die nach und nach "reiche" Knoten werden). Wenige Reiche werden immer reicher, die Armen werden verhältnismäßig immer mehr - und beides exponentiell schnell (siehe Abb. 2). Klingt wie unsere moderne europäische Krisengesellschaft.

Aber um zum Anfang zurückzukehren, stellen wir erneut die Frage: Ist das Gehirn eine kleine Welt (als Netz) und ist es womöglich skalierungsfrei?

Das Gehirn als kleine Welt

Das menschliche Gehirn enthält um die 100 Milliarden Neurone und 100.000 Milliarden Verbindungen für deren Koppelung, d. h. jedes Neuron hat im Durchschnitt Grad Tausend! Damit kann man mit nur zwei konsekutiven Verlinkungen eine Million Neurone erreichen (Wiederholungen nicht eingerechnet). Spätestens nach vier Verlinkungen könnte man bei jedem anderen Neuron im Gehirn ankommen.

Neuronale Verbindungen sind aber gerichtet, d.h. Sender und Empfänger sind fest vorgegeben. Die verschiedenen neuronalen Areale weisen jedoch häufig sowohl vorwärtsgerichtete Verbindungen (von A nach B), wie auch Rückwärtskopplungen (von B nach A) auf. Solche Rückkopplungsschleifen sind z.B. für die visuelle Erkennung im menschlichen Kortex sehr wichtig. Die massive Gehirnvernetzung produziert damit eine kleine Welt.

Denken wir an die Implikationen dieser Kleine-Welt-Architektur: Im Prinzip wäre es möglich, von jeder Stelle im Gehirn jede partielle Verarbeitung über wenige Zwischenstationen überallhin zu verteilen. Für die genauere Ermittlung der Pfade von Neuron zu Neuron sollte man aber die Kopplungsrichtung berücksichtigen. Wenn man es tut, zerfällt ein solches gerichtetes Netz in drei Hauptgebiete: Eingabe- und Ausgabestationen, sowie eine Komponente, bei der alles mit allem in Verbindung steht (über Zwischenverlinkungen). Außerdem gibt es "Inseln", d.h. Subnetze, die nicht mit dem Rest verknüpft sind.

Die Neuronen in der Netzhaut z.B. liefern Signale von der Außenwelt ins Gehirn (sind Eingabestellen). Die motorischen Neuronen verwandeln neuronale Signale in Muskelbewegung (Ausgabestellen). Und dazwischen lebt eine "giant strongly connected component" im Gehirn, wo alle Areale mit allen anderen verbunden sind.2 Auch bei Zufallsnetzen, wenn man Kanten per Zufall zwischen den Knoten legt, entsteht beim Erreichen eines gewissen Vernetzungsgrads plötzlich eine "giant component", die alle Gebiete eines Netzes verbindet. Das Ganze ähnelt einem Phasenübergang, also wenn sich eine Flüssigkeit beispielsweise durch eine Temperaturänderung verfestigt. Bei skalierungsfreien Netzen reden wir auch von einem Phasenübergang sobald eine solche Riesenkomponente im Netz entsteht.

Solche Riesenkomponenten in gut verlinkten neuronalen Netzen scheinen sehr wichtig für Kognition und Gedächtnis zu sein. Bassett und Bullmore haben die Daten für Affen- und Katzengehirne untersucht.3 Für den Kortex der Makaken ergibt sich eine mittlere Pfadlänge von nur 2,3 Kanten zwischen 200 untersuchten Arealen (angenommen die Kanten sind bidirektional). Für den Kortex der Katze ist die mittlere Pfadlänge zwischen zwei Arealen kleiner als zwei. Dies ist eine bemerkenswert niedrige Zahl: Es bedeutet, dass jedes Areal im Gehirn das Ergebnis eines anderen Areals über wenige Zwischenstationen erspähen kann. Das ist von großem Vorteil, da Neuronen äußerst langsame Berechnungseinheiten im Vergleich zu Transistoren sind. Langsame Komponenten, aber dichte Netze: Das ist das Geheimnis des Gehirns -- seine Vernetzung übertrifft alles, was bis heute bei Parallelrechnern erreicht worden ist.

Und womöglich skalierungsfrei?

Jetzt müssen wir ein bisschen zurücktreten und uns fragen, woher die Forscher wissen, welche Gehirnareale mit welchen anderen verbunden sind? Ideal wäre es, mit dem Mikroskop jedes einzelne Neuron im Gehirn zu verfolgen und eine "Stadtkarte" der neuronalen Straßen zu erstellen, so dass Neurologen sich jederzeit damit zu Recht finden könnten. Das wird das "Connectome" des Gehirns genannt.

Da im menschlichen Gehirn die Anzahl der Neuronen und deren Verbindungen so groß sind, verfügen wir immer noch nicht über unsere Connectome. Am MIT hat Sebastian Seung ein soziales Netzwerk ins Leben gerufen, um das Connectome der Netzhaut und anderen Arealen des Gehirns in einer Art kollektivem Spiel zu erstellen.4 Jeder kann sich am Spiel mit Computer und scharfen Augen beteiligen, da die neuronalen Verbindungen von den Spielern aus den Gehirnaufnahmen per Hand gefärbt und gefunden werden.

Solange die Bemühungen von Seung und anderen Forscher noch nicht vorliegen, ist der nächstbeste Ansatz, die Aktivität des Gehirns über FMRI (Functional Magnetic Resonance Imaging) zu messen, den Cortex in kleine Areale zu unterteilen und die Vernetzung von diesen Arealen anhand deren Aktivierungskorrelation zu bestimmen. Das bedeutet, dass wir kleine Areale, die häufig gemeinsam aktiv sind (d.h. gemeinsam in FMRI-Bild "leuchten") als miteinander vernetzt betrachten. Areale, die sich unkorreliert aktivieren, sind dagegen nicht vernetzt. Auf diese Weise bekommt man eine Vernetzungskarte nicht nur von Neuronen, sondern von neuronalen Ensembles. Dies ist es, was Eguíluz und seine Koautoren getan haben und sie finden angeblich ein skalierungsfreies Netz im menschlichen Gehirn.5

Kritiker könnten allerdings durch die Größe der untersuchten Voxel-Areale stutzig werden, es handelt sich immerhin um Blöcke á 3 × 3.475 × 3.475 mm. Das Gehirn kann damit in 36 × 64 × 64 solcher Areale unterteilt werden. Das sind insgesamt 147.456 Regionen, aber jede davon enthält um die 700.000 Neuronen und zieht Millionen von Verbindungen an.

Eine solche FMRI-Analyse kann deswegen nur eine grobe Idee der Gehirnvernetzung liefern. Van den Heuvel und Sporns lehnen sich deshalb nicht so weit aus dem Fenster, reden aber von "Reichenklub-Netzen" im Gehirn. Das bedeutet, dass gewisse Gehirnareale eine sehr hohe Konnektivität aufweisen und sich in einen "Klub" zusammentun um das Gehirn abzudecken. Diese reichen Areale sind gerade die Hubs der Gehirnvernetzung und spielen eine sehr wichtige Rolle für die Kommunikation der Gehirnregionen untereinander. Wäre das Gehirn ein Zufallsnetz von Verbindungen, könnten solche massiven Hubs nicht entstehen. Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von "reichen" Knoten (reich an Verbindungen) ist deswegen überproportional groß, verglichen mit Zufallsnetzen (Abb. 3).6

Abb. 3: Die abstrahierte Vernetzung der "Hubs" im menschlichen Gehirn zeigt den "Reichenklub" der gut vernetzten Areale und deren Kopplung. Der Radius der roten Knoten ist proportional zu dessen Grad. Die Dicke der blauen Kanten ist proportional zur Anzahl der Verbindungen. (Abbildung aus van den Heuvel und Sporns, 2011).

Was hat man davon, dass das Gehirn durch diese "Klubs" von Reichenknoten abgedeckt ist? Theoretiker haben errechnet, dass Zufallsnetze zwar "kleine Welten" bilden können, aber eher anfällig gegen Verluste von Kanten sind. Fängt man an, zufällig Kanten aus dem Netz zu streichen, zerfallen Zufallsnetze viel schneller in getrennte Verbunde als skalierungsfreie Netze. Durch einen Reichenklub ist das ganze Netz abgedeckt und Kantenverluste können an den Hubs viel länger als in Knoten von Zufallsnetzen verkraftet werden.

Denken wir nur an das Internet: Der Wegfall einiger Hundert Kanten stört die Hauptknoten nicht, sie sind eben reich. Das ganze Netz in zwei unabhängige, große Gebieten zu trennen, bedürfte einfach zu vieler Kantenverluste an speziellen Stellen. Skalierungsfreie Netze bilden deswegen kleine Welten und sind außerdem robust gegen Zufallsangriffe (wobei gezielte Angriffe auf die Hubs eher bedrohlich sind).

Reichenklub im Gehirn

Es gibt zwei sehr wichtige Einsichten, die aus dieser Diskussion über die Vernetzungsstatistik des Gehirns gewonnen werden können. Zum einen wird klar, dass FMRI-Versuche aktive Areale abbilden, dass aber viele kognitive Funktionen sich nicht auf eine einzige Stelle lokalisieren lassen. Wir sehen im FMRI die Bilder der aktivsten Regionen, diese können aber "rechnen" oder bei der Kommunikation beteiligt sein. Gewisse Areale bearbeiten beispielsweise die Merkmale einer visuellen Erkennungsaufgabe, während andere damit beschäftigt sind, Areale miteinander zu verknüpfen.

Die Informationsverarbeitung findet verteilt statt und es ist nicht so einfach, anhand von FMRI-Bildern punktgenau zu bestimmen, wo etwas insgesamt berechnet wird. Die Intelligenz befindet sich im Netz und nicht an einer isolierten Stelle. Es ist außerdem gut bekannt, dass auch dann, wenn bedeutsame Teile eines Areals ausgefallen sind, die Funktionalität des Gehirns nicht linear proportional dazu beeinträchtigt wird. 80% Verlust kann u.U. nur einen zwanzigprozentigen Ausfall einer Funktion bedeuten. Kognitive Funktionen zeigen deswegen eine extreme Robustheit.

Sehr wichtig ist auch, dass sich durch die Kleine-Welt-Eigenschaften und die Abdeckung mit einem Reichenklub Gehirnareale schnell synchronisieren lassen. Einige Neurobiologen wie Wolf Singer denken, dass eine einheitliche neuronale Verarbeitung eine synchrone Schwingung der beteiligten Gehirnregionen voraussetzt. Diese könnte über den Reichenklub katalysiert werden, so dass wir in Bruchteilen von Sekunden die Umrisse von Buchstaben mit unserem Langzeitgedächtnis und unseren Sprachkenntnisse verbinden können: Wir lesen dann einen Text auf der Straße unwillkürlich und fast unbewusst. Wer hat nicht beim schnellen Blättern im Buch ein Wort unbewusst gelesen und dies erst danach bemerkt, wenn die Hand bereits das nächste Blatt geholt hat? Blitzschnelle Schwingungskopplung von Gehirnarealen könnte durch die Struktur der Verbindungsnetze beeinflusst werden.7

Die Existenz eines "Backbones" von reichen Knoten kann außerdem dazu beitragen, die Kosten der Vernetzung im Gehirn niedrig zu halten. Das ist ein altbekanntes mathematisches Problem: Will ich ein Gebiet mit minimalen Kosten vernetzen, muss ich das sogenannte Problem des kürzesten Netzes lösen.8 Will ich alle Klein- und Großstädte in Deutschland mit einem Bahnnetz bedienen, muss ich mir darüber Gedanken machen, wie die Gleise optimal gelegt werden, so dass alle Städte verbunden, die Baukosten aber minimal sind.

Ein ähnliches Problem haben wir im Gehirn. Konnektivität ist gut, aber nicht die Kosten dafür. Wären die Neuronen im Gehirn alle miteinander verbunden, wäre unser Kopf Hunderte von Metern breit. Die Neurobiologen beschäftigen sich deswegen schon lange mit dem Problem der optimalen Vernetzungsdichte von Arealen z.B. im Kortex.9 Zwei Prozesse treten hier in Wettbewerb: Einerseits ist es gut, viele Neuronen in einem gewissen Kortex-Volumen zu haben, andererseits ist es vorteilhaft, so viele wie möglich miteinander zu verbinden. Der vorhandene Raum muss zwischen "Prozessoren" und "Verkabelung" geteilt werden. Die Axone von Neuronen sind aber eher voluminös und deswegen ist die Berechnung der richtigen Proportion keineswegs trivial. Mehr Verkabelung zieht die Neuronen auseinander und dann braucht man noch längere Kabel. Niedrige Vernetzung lässt die Anzahl der Neuronen steigen, aber diese können Informationen dann nicht schnell genug austauschen.

Walter Freeman hat eine Vermutung aufgestellt, für die es eigentlich keinen Beleg gibt, die aber nett klingt. Unser Ich, diese Vorstellung, dass wir alles in uns überblicken, wäre demnach nur der Ausdruck der kollektiven und synchronen Schwingung der Riesenkomponenten in unserem vernetzten Gehirn10:

The newly developing concept of the "macroscopic giant component" is one of the most important and exciting ideas to emerge from graph theory into brain theory, as the possible basis for the unity of consciousness.

Man kann nur mit Spannung darauf warten, was die Neurobiologie und die Erforschung des Connectomes in den nächsten Jahren ans Licht bringen werden.