"Ganz klar ein Terroranschlag"

Reaktionen auf die Explosionen in Boston

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Die pakistanischen Taliban waren es nicht, sagte deren Sprecher Ahsanullah Ahsan gegenüber AP, die offensichtlich seine Telefonnummer haben. Alex Jones von InfoWars, wittert eine "false flag operation" hinter den Bomben in Boston und twitterte, die Sache stinke zum Himmel. Das wusste er bereits 30 Minuten nach den beiden Explosionen.

Der Druck solcher Ereignisse auf die Produktion der Medien ist groß. Am leichtesten fällt in solchen Momenten, wo überhaupt nichts klar ist, die aber so tragisch sind, dass berichtet werden muss, der Rückgriff auf Routinen und das Gebot, genau das Profil zu zeigen, wofür man bekannt ist, beim Publikum und/oder den kostbaren Werbekunden.

So fackelte man bei Fox News und CNN nicht lange damit, das Gespräch auf Dschihadisten bzw. mögliche arabische Täter zu bringen. Wobei Fox diesmal sogar als zurückhaltender geschildert wird, beim Blogger Angry Arab, der ganz gewiss kein Fox-Freund ist. Dem anderen US-Medienkritiker in Sachen Middle East, War on Terror, vorurteilslastige Berichtersattung, Juan Cole, erscheint dagegen Fox-News als Station, die sich auch in diesem Fall als Beispiel "negativer Energie" präsentiert. Das typische "Blame Game", wonach Muslime oder Amerikaner arabischer Abstammung vorschnell verdächtigt würden, beobachtet auch Alternet und nennt "hysterische Stimmen von Rechts", die sich bereits in die Debatte geworfen hätten.

Für Personen arabischer Herkunft, die sich in den USA aufhalten, haben solche Schuldzuweisungen, die auf medialer Ebene nicht selten vor allem zur Ertüchtigung der eigenen Marke geübt werden, reale Konsequenzen. Einer der ersten Verdächtigen, die vom FBI befragt wurden, war ein Mann aus Saudi-Arabien, der von einem Passanten angerempelt und festgehalten wurde, weil der ihn dabei beobachtet hatte, wie er vom "Ort der Explosion weglief". Natürlich war er nicht der einzige, der sich schnell vom Schauplatz des surrealen, tragischen Schreckens entfernte.

Das FBI verhörte ihn im Krankenhaus, ein Verdacht bestätigte sich nicht, werden die Ermittler zitiert. Ein harmloser Einzelfall, bisher. (Auch viele Saudis fürchten laut dem saudi-arabischen Blogger Riyad Bureau, dass Landsleute in den Bombenanschlag verwickelt sein könnten).

Der Blogger Cole plädiert dafür, dass die USA den mörderischen Anschlag, der drei Menschen das Leben gekostet und 130 - davon einige lebensgeführlich - verletzt hat, als Gelegenheit zur Empathie wahrzunehmen - und nicht nur als Vorlage für weiteres "racial-profiling".

Ausschnitt aus einem Video

Für Anschläge in Syrien und im Irak - dort starben am Montag 42 Menschen bei Explosionen - gebe es kaum mehr Aufmerksamkeit und Interesse. Für die US-Medien sei das ein unattraktives Thema, das Werbekunden vergraule - und nicht gerade eine US-Erfolgsgeschichte erzählt. Im iranischen Press.TV sind die Explosionen im Irak Topthema; der Anschlag in Boston wird gar nicht erwähnt. Übrigens auch nicht auf der Seite der syrischen Nachrichtenagentur Sana oder in US-kritischen arabischen Publikationen.

Für das Weiße Haus in Washington handelt es sich bei den Bostoner Explosionen klar um einen Terroranschlag.

Any event with multiple explosive devices, as this appears to be, is clearly an act of terror, and will be approached as an act of terror," a White House official said.

Der Bostoner FBI-Chef wird mit den Worten zitiert, dass es sich bei der Ermittlung um eine "potential terrorist investigation" handle. Bislang sei es noch zu früh, um etwas zu möglichen Gründe und Motive zum Bombenanschlag zu sagen, so das FBI. Derweil tendieren die Experten, die der Boston Globe befragt hat, in Richtung "domestic terrorists".