Prozessbeginn gegen russischen Oppositionsführer Navalny

Dem rechtsliberalen russischen Aktivisten und Blogger Alexej Navalny drohen zehn Jahre Arbeitslager wegen angeblicher Unterschlagung bei einem Handel mit Holz

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Gestern begann in der 1.000 Kilometer östlich von Moskau gelegenen Stadt Kirow der lange erwartete Prozess gegen den in der russischen Protestbewegung populären Blogger und Aktivisten Aleksej Navalny und den Direktor des Holz-Unternehmens "Wjatskaja-Holz-Gesellschaft", Pjotr Ofizerow. Beide waren laut staatlichen Ermittlungen 2009 in einen Handel mit 10.000 Kubikmeter Holz verwickelt, bei dem sich Nawalny um 400.000 Euro bereichert haben soll. Dem Aktivisten drohen zehn Jahre Arbeitslager.

Alexej Navalny . Bild: navalny.ru

Navalny arbeitete damals als Berater für den liberalen Gouverneur des Kirow-Gebietes, Nikita Belych. Navalny bestreitet zwar nicht, dass er den Direktor des Privatunternehmens "Wjatskaja-Holz-Gesellschaft" persönlich "seit Jahren" kenne. Er habe mit ihm aber nie über Geld gesprochen. Auch habe die Staatsanwaltschaft keinen Beweis für die Behauptung, dass er bei dem Holzverkauf "Druck ausgeübt", sich persönlich bereichert oder dies angestrebt habe. In der russischen Protestbewegung, die zur Zeit nicht sehr aktiv ist, ist man der einhelligen Überzeugung, dass das Verfahren gegen Navalny politisch motiviert ist.

Der erste Verhandlungstag in dem Bezirksgericht von Kirow brachte keine große Überraschung. Das Verfahren wurde auf Antrag der Verteidigung um eine Woche verschoben, um dem neuen Anwalt von Nawalny Zeit zum Aktenstudium zu geben. Der Aktivist entschuldigte sich bei den 100 Unterstützern und Journalisten, die in einem Zug mit ihm von Moskau nach Kirow gefahren waren. Obwohl Navalny mit den russischen Nationalisten liebäugelt und an den sogenannten "Russischen Märschen" gegen Gastarbeiter aus Zentralasien ("Russischer Marsch" droht mit arabischen Verhältnissen) teilgenommen hat, wurde er neben dem Linksfront-Aktivisten Sergej Udalzow) zu einer der wichtigen Führungsfiguren der russischen Protestbewegung, die sich im Dezember 2001 wegen offensichtlicher Unregelmäßigkeiten bei den Duma-Wahlen gebildet hatte (Russische Protestbewegung zeigt Putin die Harke).

Gestern Abend versammelten sich auf dem Platz am Puschkin-Denkmal in Moskau nach unterschiedlichen Schätzung 1.500 bis 3.000 Anhänger von Nawalny, um ihre Solidarität mit dem Angeklagten zu bekunden. Die Teilnehmer hielten Plakate mit der Aufschrift "Volksfeind Putin" und "Aleksej und Julia – wir sind mit Euch." Julia ist die Frau von Nawalny.

Wegen der "negativen PR", welche von Seiten der staatlichen Medien gegen ihn laufe, rechnet der Aktivist mit einer Verurteilung. Die Frage sei nur, ob er ins Arbeitslager bekomme oder auf Bewährung verurteilt werde. Navalny geht davon aus, dass das Verfahren gegen ihn mehrere Monate dauert. Sollte der Aktivist tatsächlich zu zehn Jahren Arbeitslager verurteilt werden, könnte er nicht an den Präsidentschaftswahlen 2018 teilnehmen. Dass Navalny kandidieren würde, ist nicht ausgeschlossen. Navalny ist 36 Jahre alt. Er hat in Moskau Jura studiert und 2010 an der Yale University in den USA eine Fortbildung absolviert. Er ist Kleinaktionär bei mehreren russischen Groß-Unternehmen wie Gasprom und Rosneft. Die von ihm gegründete Stiftung RosPil beschäftigt sich mit der Aufdeckung von Beamten-Korruption und finanziert sich aus Spenden von Privatpersonen.

Die von Navalny entwickelte Parole von der "Partei der Diebe und Räuber", die sich gegen die Kreml-Partei "Einiges Russland" richtete, wurde im Dezember 2011 zur wichtigsten Parole der russischen Protestbewegung für "ehrliche Wahlen". Aufgeschreckt durch die Protestbewegung an der sich vor allem Angehörige der Moskauer Mittelschicht (Studenten, Programmierer, Geschäftsleute) beteiligten, startete der Kreml im Herbst letzten Jahres selbst eine Anti-Korruptions-Kampagne. Im Zuge dieser Kampagne laufen wegen persönlicher Bereicherung bereits Untersuchungsverfahren gegen den ehemaligen Verteidigungsminister Anatoli Serdjukow, die ehemalige stellvertretende Landwirtschaftsministerin Jelena Skrynnik und den für den Bau von Ski-Kurorten im Nordkaukasus verantwortlichen Spitzen-Beamten Achmed Bilalow.