Ziel: Plagiatfreies Deutschland

Ein Netzwerk von Professoren will mit einem Plagiatsranking von Politikern im Wahlkampf Druck machen

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Im August, einen Monat vor der Bundestagswahl, will das Professorennetzwerk Profnet ein Ranking veröffentlichen, das ein kritisches Licht auf Dissertationsarbeiten von Politikern wirft. Das Ranking soll Einblick auf Plagiats-Hinweise geben und die Zugehörigkeit zu den Parteien, also auch ein Bild darüber vermitteln, aus welchen Parteien die Doktorarbeiten mit den meisten Verdachtsmomenten auf unkorrektes Zitieren stammen.

80 Professoren aus allen Fachrichtungen haben sich zu dem Netzwerk zusammengeschlossen. Unter der Leitung des BWL-Professors Uwe Kamenz von der Fachhochschule Düsseldorf widmet es sich der Aufdeckung von Plagiaten, "um den Ruf der Wissenschaft wiederherzustellen".

"Plagiatfreies Deutschland" heißt das Großprojekt, in dessen Rahmen die Dissertationen von Politikern mit einer eigenen Forschungsarbeit besonders beachtet werden. Auch das Ziel von "PolDiss" ist weit gesteckt: Das Netzwerk hat sich vorgenommen, 1.000 Politiker-Dissertationen auf Plagiatsindizien zu untersuchen.

Gestartet wurde "PolDiss" bereits 2011, kurz nach dem Fall Guttenberg. Jetzt, in den Monaten vor der Bundestagswahl, will man den Druck erhöhen, gibt Profnet bekannt. Die Unterstützung bzw. der Wille zum Mitmachen war bei den Politikern bisher nicht allzu hoch, ist der Ankündigung zum aktuellen Projekt "PolDiss Bundestagswahl 2013" zu entnehmen.

Wie eine Aufstellung zeigt, gibt es derzeit etwa 1.000 promovierte Politiker in Deutschland. 587 wurden angeschrieben - mit der Bitte, ihre Dissertation zu Verfügung zu stellen, um sie einmal genauer anzuschauen, und zum anderen, damit sie online veröffentlicht wird.114 Politiker haben auf die Anfrage geantwortet; 14 schickten ihre Dissertation; 18 stimmten einer Online-Publikation zu. Mit der Reaktion ist das Netzwerk wenig zufrieden; sie verweist darüberhinaus auf eine Haltung in den Wissenschaftsministerien, die nahelegt, dass die Maßstäbe und Vorschläge des Profnet unter Politikern nicht unbedingt auf Gegenliebe stoßen:

Außerdem lehnten alle Wissenschaftsministerinnen und - minister Maßnahmen zur Abschaffung der Plagiate an den Hochschulen ab.

Dieser Haltung will man nun öffentlich stärker entgegentreten. Für die Professorengruppe geht es um "Massenbetrug an den Hochschulen", der abzuschaffen sei, weswegen "der mediale Druck auf die Bundestagsmitglieder erhöht werden soll". Das soll im August über die Publikation von "Plagiatsrankings" in einem Wochenmagazin geschehen. Gewürzt wird diese Ankündigung mit dem Hinweis darauf, dass sich nach Stand der Dinge, 20 Politiker auf Prüfverfahren an den Universitäten gefasst machen müssten. Dazu komme, dass "die Schwächen aller Dissertationen einzeln publiziert werden".

Gratwanderung: Verdächtigungen über Indizien

Auf einer namentlichen Liste von 594 promovierten Politikern ist bereits jetzt schon zu erfahren, wie viele Indizien auf Plagiate in manchen Politiker-Dissertation gefunden wurden, allerdings nur die Zahl, ohne jegliche weitere Details. Wie diese Indizien gefunden wurden, erfährt der Leser nicht. Er kann sich nur einen spekulativen Reim darauf machen.

In einem Bericht des Stern vom August 2011, in bereits davon die Rede ist, dass Kamenz mit seinem Team 500 Angeordnete angeschrieben habe, wird erwähnt, dass eine selbstprogrammierte Software "mögliche Plagiatsindizien" findet, " in weniger als einer Stunde".

Mit einer selbst programmierten Software könne sein Team in weniger als einer Stunde mögliche Plagiatsindizien finden, so Kamenz, der gegenüber dem Magazin präzisierte: "Ich rede bewusst von Indizien. Die Software kann nur verdächtige Stellen zeigen. Ob es sich dann wirklich um ein Plagiat handelt, können nur Menschen erkennen."

Zum Vergleich ziehe die Software eine Datenbank aus anderen Doktorarbeiten, wissenschaftlichen Aufsätzen, Dokumenten und Büchern heran. Für das laufende Projekt "PolDiss Bundestagswahl 2013" benötige er "für ca. 100 Dissertationen jeweils mindestens 10 elektronische Vergleichsdokumente zum Plagiatsvergleich", heißt es in der Pressemitteilung von Profnet.

Wie verlässlich die Software zur Plagiatserkennung arbeitet, ist unbekannt, dies würde sich erst bei der Offenlegung zweifelhafter Stellen zeigen, die Vorwürfe müssten dann von den jeweiligen Universitäten genau geprüft werden. Bis dahin ist die Zurschaustellung "möglicher Plagiatsindizien" ein nicht weiter begründeter Vorwurf. Etwas seltsam mutet in dem Zusammenhang an, dass Profnet betont: "Wir sind keine Plagiatsjäger", aber zugleich die Frage formuliert: "Wie viele Politiker werden wir gemeinsam erwischen?"

Kamenz, der einige Aufmerksamkeit auf sich zieht - ProfNet firmiert als "Institut für Internet-Marketing, was eine Aufmerksamkeitsstrategie indiziert - ist nicht unumstritten. Grund ist eine Buchveröffentlichung vor sechs Jahren, wo er die Tüchtigkeit von Professoren in Zweifel zog. Sein Hauptvorwurf damals: Etwa die Hälfte der Wissenschaftler komme ihrer Verpflichtung gegenüber den Studierenden nicht nach und engagiere sich stattdessen lieber in lukrativen Nebenjobs (siehe dazu ein Telepolis-Interview mit Kamenz Professoren für Bildungsmissstand an Hochschulen verantwortlich?).