Geld stinkt, aber nicht für alle

Wer sich für moralisch integer betrachtet, hat weniger Angst, sich mit moralisch zweifelhaftem Geld die Finger schmutzig zu machen

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Geld stinkt nicht, heißt es. Man sieht es Geld zumindest nicht an, zumal wenn es sich nur um virtuelle Daten handelt, wie es erworben wurde. Auch wenn es sich um Schwarzgeld handelt oder um Geld, das an der Steuer vorbei in Steueroasen gelagert wird, scheint es keinen Makel für die Besitzer zu haben, zumal wenn sich diese als Gutmenschen verstehen. Wenn allerdings Strafverfolgung droht wie nun beim Bayern-Präsidenten Hoeneß würde man sich mitsamt des Geldes doch gerne weißwaschen. Umgekehrt wird vieles gemacht, um an Geld zu kommen. Dabei scheint es kaum Probleme zu geben, selbst wenn es sich um "schmutziges Geld" handelt.

Die Sozialpsychologin Jennifer E. Stellar von der University of California, Berkeley, und der Soziologe Robb Willer von der University of Harvard der Frage nachgegangen, ob die These von der Neutralität des Geldes, an dem nichts hängen bleibt, wirklich stimmt. Daher gingen sie von der gegenteiligen Hypothese auf, dass Menschen "schmutziges Geld" doch als schmutzig empfinden und sie es deshalb als weniger wertvoll und kaufkräftig erachten, weil sie eine "moralische Ansteckung" fürchten. Zum Test ihrer Hypothese führten sie zwei Experimente durch, wie sie in ihrem Beitrag schreiben, in der Zeitschrift Social Psychological and Personality Science erschienen ist.

Im ersten Versuch wurden 59 Versuchspersonen im Alter von 18-20 Jahren, die wie meist in Experimenten Studenten sind, gebeten, den Wert von 8 Waren (Doritos, Kugelschreiber, Notizbuch, Milch etc.) zu schätzen. Dann wurden ihnen 50 US-Dollar angeboten, die von zwei Unternehmen kommen würden. Als sauberes oder neutrales Unternehmen sollte die große US-Einzelhändlerkette Target gelten, "moralisch belastetes" Unternehmen wurde Walmart dargestellt, indem man gleichzeitig auf einen Prozess im Jahr 2005 hinwies, in dem das Unternehmen beschuldigt wurde, internationale Arbeitsstandards unterlaufen zu haben. Unterstellt wurde, dass das Preisgeld mit den Arbeitsverhältnissen bei Walmart zu tun haben könnte. Und den Versuchsteilnehmern wurde erklärt, man müsse aus rechtlichen Gründen diese Informationen angeben. Um das Geld zu gewinnen, musste auf bis zu 70 Losen Name, Email und Studentennummer angegeben werden. Das sollte dazu dienen, einschätzen zu können, wie groß der Widerstand war, das Geld zu erhalten. Anschließend sollten die Versuchspersonen sagen, wie viele der vorher gezeigten Waren sie jeweils mit den 50 Dollar kaufen könnten.

Die Versuchspersonen, die das moralisch belastete Geld erhalten sollten, füllten eher (13) kein Los aus als diejenigen, die das neutrale Geld bekamen (6). Letztere füllten öfter mehr als ein Los aus (25) als erstere (13). Daraus schließen die Sozialwissenschaftler, dass der Widerstand, moralisch belastetes Geld zu erhalten, größer ist. Das habe sich auch gezeigt, weil die Preisschätzungen nach der Information über die Geldquelle auseinandergingen. Wer das moralisch belastete Geld erhielt, glaubte dann etwas weniger dafür zu erhalten, bei den Snickers durchschnittlich 21.84, während die Versuchspersonen mit dem neutralen Geld schätzten, sie würden 28.13 kaufen können. Allerdings könnte auch eine Einstellung bei manchen vorherrschen, dass Walmart nicht moralisch falsch gehandelt habe, sondern dass sich so eben Unternehmen in einem kapitalistischen System verhalten, weswegen Grenzen und Moral von außen kommen müssen.

In einem zweiten Experiment mit 140 Versuchspersonen im Alter von 18-68 Jahren manipulierten die Sozialwissenschaftler das moralische Selbstbild einer Gruppe, weil sie davon ausgingen, dass wer von der eigenen moralischen Integrität überzeugt ist, paradoxerweise auch eher schmutziges Geld. Zumindest in dem Experiment wurde diese Hypothese des moralischen Freibriefs auch bestätigt.

Bei diesem Experiment mussten die Versuchspersonen etwas tun, um Geld zu verdienen. Ihnen wurde erzählt, sie sollten einige Umfragen beantworten. Nach einem ersten Fragebogen wurde die eine Hälfte gebeten, innerhalb von zwei Minuten eine Gelegenheit zu beschreiben, in der sie etwas moralisch Richtiges gemacht haben, um sie auf moralische Integrität zu "primen", die Mitglieder der Kontrollgruppe sollten lediglich beschreiben, welchen Weg sie zuletzt einschlugen, um zu einem Lebensmittelgeschäft zu gehen. Sie sollten dann gegen geringes Honorar Aufgaben lösen, bei denen Wörter kategorisiert werden, die alle mit Moral nichts zu tun hatten. Das Geld, so wurde ihnen erzählt, käme wieder von Walmart. Dazu gab es wieder die Geschichte mit den schlechten Arbeitsverhältnissen.

Die Versuchspersonen, deren Selbstverständnis auf Moral getrimmt worden war, lösten mehr Aufgaben und verdienten so mehr Geld aus einer moralisch fragwürdigen Quelle. Die in ihrem moralischen Selbstbild nicht verstärkten Versuchspersonen, so die komplementäre Deutung, finden "moralisch fragwürdiges Geld weniger erstrebenswert, weil sie eine Kontamination ihres moralischen Selbstbildes vermeiden wollen". Sie wären also demgemäß moralisch verunsicherter.

Moralische Ansteckung zum Weißwaschen?

Für die Wissenschaftler zeigen ihre Versuche, dass Menschen Geld und ökonomische Entscheidungen moralisch bewerten und von "schlechtem" Geld eine moralische Ansteckung befürchtet wird, was auch dann eintritt, wenn sie nicht amoralisch handeln, um das Geld zu erhalten. So erklären sie dann auch Boykottmaßnahmen gegen Waren, Dienste oder Kapitalanlagen, die nicht nur die Unternehmen bestrafen, sondern auch dazu dienen sollen, kein Geld aus amoralischen Quellen anzunehmen und die eigene moralische Identität aufrechtzuerhalten. Das funktioniere aber nur dann, wenn Menschen ihre moralische Integrität bedroht sehen. "Gutmenschen", hier könnte man das Wort einmal verwenden, die sich selbst als moralisch integer sehen, gehen schon mal über Bedenken hinweg und machen bei moralisch bedenklichen Geschäften mit, weil sie weniger Sorge haben, sich davon schmutzig zu machen. Geld würde also nicht nur, wie man oft sagt, die Moral beeinflussen, die persönliche Moral könne auch die Wahrnehmung von Geld beeinflussen.

Die Studie macht einmal mehr Annahmen deutlich, die eben in Redewendungen wie denen vom schmutzigen Geld eingehen. Die Experimente können aber bestenfalls nur die Folgen einer kurzfristigen Einstellung angesichts einer Entscheidung in einer Situation belegen. In Wirklichkeit vermeiden die Menschen aber im Alltag die Frage, ob das Geld, die Dienste oder die Waren, die sie erhalten oder kaufen, aus moralisch einwandfreien Händen stammen, um gar nicht in ein Dilemma zu kommen. Und viele werden sich auch daran gewöhnen, ihr Geld aus moralisch zweifelhaften oder auch unmoralischen Quellen oder durch eigenes Verhalten zu erhalten.

Interessanter ist wohl eher der Punkt, der wieder auf Hoeneß und Co. zurückführt, nämlich dass Menschen, die sich moralisch überlegen finden, weniger Scheu vor schmutzigem Geld, vor Korruption oder vor Betrügereien gegenüber dem Staat haben. Das betrifft sie alles gar nicht, glauben sie. Und so bewegen sich womöglich gerade die Menschen, die sich moralisch auf der richtigen Seite sehen, leichter hin auf Abwege als verunsicherte Menschen. Die sind aber wohl auch selbstkritischer oder selbstreflexiver, pflegen also auch die Aufklärung über sich selbst und verfallen so weniger der Selbsttäuschung.

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