Striptease ist nur dann schlimm, wenn Frauen strippen

Norwegen folgt Island in den Überlegungen, Striptease zu verbieten - allerdings nur, wenn Frauen strippen

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Vermutete Zusammenhänge ohne Fakten

Vor drei Jahren entschloss sich Island zu einem Verbot der Stripteaselokale. Diese, so die Argumentation, würden nur dazu dienen, arme Frauen auszubeuten. Viele, größtenteils arme Frauen, waren bis zu jenem Datum nach Island eingewandert, um dort in den diversen Lokalen dem männlichen Publikum ihren nackten Körper zu zeigen und damit den Lebensunterhalt zu bestreiten. Der parlamentarische Ausschuss hatte geschlussfolgert, dass es nach Polizeiinformationen wahrscheinlich sei, dass die Frauen nicht alle freiwillig in dem Gewerbe arbeiten würden und ferner Menschenhandel und Prostitution Bestandteil eines Geflechts seien, zu dem auch Striptease gehöre. Eine Ausnahmegenehmigung, die es Lokalen ermöglichte, durch Stripteaseveranstaltungen Profit zu erzielen, wurde zum 1. Juli 2010 abgeschafft und auch das bekannte Lokal "Goldfinger" schloss seine Pforten. Zahlen darüber, wie viele der Frauen tatsächlich zu der Stripteasetätigkeit gezwungen worden waren, lagen nicht vor.

Drei Jahre später folgt Norwegen diesem Beispiel. Noch 2007 hatte man überlegt, stärker vom Striptease zu profitieren und Eintrittskarten zu derartigen Veranstaltungen mit 25% Mehrwertsteuer zu belegen. Zwei Jahre zuvor hatte man dies damit durchsetzen wollen, dass man Striptease kurzerhand nicht mehr als Kunst bzw. kulturelles Ereignis deklarierte. Dem setzte jedoch die Klage eines Barbesitzers ein Ende. Das von ihm angerufene Gericht gab seiner Ansicht Recht, es handele sich bei Striptease eben doch um Kunst, weshalb die höhere Mehrwertsteuer nicht zum Tragen komme. Da niemand auf die erhöhten Steuereinnahmen verzichten wollte, wurde kurzerhand überlegt, für den Striptease eine Sondergesetzgebung einzuführen, um damit die Gerichtsurteile faktisch auszuhebeln.

Doch inzwischen haben sich die Ansichten bezüglich des Striptease gewandelt und insbesondere die norwegische Linkspartei hat nunmehr angeregt, Striptease im allgemeinen zu verbieten. Die frauenpolitische Sprecherin dieser Linkspartei, Marthe Hammer, bedient sich dabei der Argumente, die auch in Island genutzt wurden. Es würden, so Frau Hammer, Frauen durch Striptease ausgebeutet und er sei eng verknüpft mit Prostitution und Menschenhandel. Ferner basiere der Lohn der Stripperinnen auf dem Geld alkoholisierter Männer. Und wenn der Striptease verboten wird, würde auch Prostitution eingedämmt, was letztendlich (nicht nur) die Frauen mit Migrantenhintergrund schützen würde, die derzeit in diesem Bereich tätig sind.

Was nach einem hehren Ziel klingt, offenbart jedoch Schwächen. Denn auch in Norwegen gibt es keine harten, belastbaren Zahlen für Zusammenhänge zwischen Prostitution, Striptease und Menschenhandel, sodass die Argumentation letztendlich auf Annahmen besteht. Doch Astrid Renland, Kriminologin und Leiterin einer Interessensorganisation von Prostituierten, sieht noch weitere kritikwürdige Punkte in dem Vorstoß: "Dass viele weibliche, ausländische Migranten aus Südostasien und Osteuropa für einen Hungerlohn in norwegischen Haushalten arbeiten, erregt keinen Anstoß oder dasselbe Engagement" schreibt sie in einem Gastbeitrag für die norwegische Zeitung Aftenposten. "Als ob eine Balance in der globalen Ungerechtigkeit hergestellt wird, indem man armen Frauen ihre Alternativen zur Armut verbietet und dabei geflissentlich übersieht, dass das Gesetz gegen diese Frauen eingesetzt wird".

I was a male stripper in a gogo bar

Zusätzlich zum Armutsaspekt wird aber auch klar, dass nicht der Striptease im allgemeinen als verwerflich angesehen wird, sondern Frau Hammer hier nur die weiblichen Stripper im Visier hat. Zu der Frage, inwiefern Männer durch Striptease Profit erzielen können, äußert sie sich nicht - was interessant ist, da in Kürze die bekannte Stripshow der "Chippendales" auch in Norwegen gastiert. Wer die Shows der attraktiven Männer einmal gesehen hat, der stellt fest, dass hier gerade auch Frauen sich am Striptease und den dadurch nach und nach offengelegten nackten Tatsachen erfreuen und insofern die Männer (folgt man der Argumentation gegen den Striptease) zur Ware reduzieren.

Dabei sind die "Chippendales" lediglich die bekannteste Gruppe von männlichen Strippern. Längst haben Privatpersonen wie auch Clubs entdeckt, dass Frauen dem Anblick von (fast) nackten Männern nicht abgeneigt sind und bieten "Ladies Nights" mit entsprechenden Stripshows an. Die Erwartungen der Frauen sind in Bezug auf das Aussehen der Stripper ungleich höher als die der männlichen Zuschauer bei Stripshows, wie sich beispielsweise im Februar 2013 zeigte als ein von Frauen als unattraktiv angesehener Strippter zu einem Tumult führte.

Warum mit Betroffenen reden?

Interessant am Vorstoß der Linksparteipolitikerin ist, dass ihre Forderung größtenteils auch ohne Kontaktaufnahme mit Betroffenen auskommt. Gerade im Bereich der Prostitution bzw. der Sexarbeit ist dies etwas, was in politischen Diskussionen immer wieder offenbar wird: Das Weltbild derjenigen, die Prostitution oder Striptease verbieten wollen, ist bereits klar definiert, eine differenzierte Auseinandersetzung mit Betroffenen, mit Pro- und Kontraargumenten ist nicht wirklich gewollt. Dies zeigte sich z.B. auch in der Spiegel Online-Kolumne zum Thema "Verrichtungsboxen", in der Sybille Berg diese kurzerhand zu entwürdigenden Käfigen stilisierte, ohne sich Gedanken darüber gemacht zu haben, wozu diese Verrichtungsboxen dienen.

Die Diskussion um Sexarbeit im allgemeinen ist geprägt von bereits vordefinierten Ansichten, wobei sich bei der Diskussion die verschiedensten Argumentationsstränge finden, die allesamt darin münden, dass Sexarbeit verwerflich ist. Während einige die Sexarbeit als etwas ansehen, was die Arbeitenden degradiert und sie der Gnade der Freier aussetzt, sehen andere dies gerade andersherum: Für sie degradieren die Sexarbeiter die Freier zu Bettlern, die der Gnade der Arbeiter ausgesetzt sind, um Sex zu erhalten. Es verwundert wenig, dass diese Argumentation auch gerne von jenen vertreten wird, die Frauen per se als berechnende und ausnutzende Personen ansehen, die sich auf die ein oder andere Weise durch Sex ein Einkommen holen, sei es als Ehefrau, Geliebte oder Prostituierte. Der Mann wird so zum Opfer des Sextriebes, den er nur dank Geld ausleben kann - weshalb dann Sexarbeit auch abgeschafft werden muss, da es unmenschlich ist, Sex nur gegen monetären Ausgleich anzubieten. Eines eint jedoch all diese Argumentierenden: Diejenigen, die die Sexarbeit ausüben, werden nicht gefragt.

Ob Norwegen dem Vorstoß folgt und sich zu einem Stripteaseverbot entschließt, bleibt abzuwarten. Doch schon jetzt wird klar, dass das emotional besetzte Thema instrumentalisiert wird, um Placebopolitik zu betreiben. Den Frauen, die in die Prostitution gezwungen werden, hilft dies wenig. Diejenigen, die aber lieber "blankziehen" als sich in diversen Niedrigjobs zu verdingen, würden so kriminalisiert werden. Und wie immer hat der Anteil der Männer im Sexarbeiterbereich in der Diskussion keinen Platz.

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