Erster Open-Source-Architekturwettbewerb Deutschlands

Neues Wohnen: Modular, mobil, autark, ökologisch und günstig - bauen für unter 25.000 Euro

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40 Prozent der Energie wird in Deutschland im Gebäudesektor verpulvert, durch schlechte Dämmung, Einsatz von nicht nachhaltigen Materialien, Strom. Der Gebäudesektor - eine große Stellschraube bei der Bekämpfung von Treibhausgas-Emissionen.

Einen radikalen Ansatz zur Lösung des Problems beschreiten jetzt die Macher des Rachel-Architekturprojekts. Unter dem Dach des gemeinnützigen Vereins Jack in the Box in Köln läuft jetzt ein Open-Source-Architekturwettbewerb mit dem Ziel, Häuser zu entwickeln, die nicht mehr auf Fremdversorgungsnetze setzen, sondern Strom selber produzieren, Wasser bereitstellen, Wärme liefern. Ein ehrgeiziges Ziel: Ähnlich einer Weltraumstation sind die Baukörper komplett autark.

Freilich hat diese Energie- und Wasserautarkie ihren Preis, denn die künftigen Bewohner werden nicht aus dem Vollen schöpfen können, sondern haben nur ein definiertes Kontingent zur Verfügung. Beim Wasser etwa rechnen die Macher mit lediglich 25 Liter Verbrauch pro Tag und Kopf - das sind fast 100 Liter weniger als in Deutschland zurzeit verbraucht wird, nämlich 123 Liter. Konventionell duschen oder baden ist somit passé, es läuft wohl auf eine Art Eimerdusche hinaus. Eine Toilette mit Wasserspülung gibt es nicht, Fäkalien werden gesammelt und kompostiert, der Urin abgeschieden und einer Wurzelraumkläranlage zugeführt.

Auch beim Strom ist Genügsamkeit angesagt, geplant ist lediglich ein 24-Volt-Stromnetz im Haus. Daran lassen sich nur relativ kleine Verbraucher anschließen. Es gibt aber bereits eine Vielzahl von 24-Volt-Geräten gerade aus dem Camping-Bereich.

Die Häuser sind nachhaltig, weil sie möglichst geschlossene und regionale Kreisläufe initiieren: Durch die Verwendung von regional verfügbarer Dämmung wird der Heizbedarf auf Passivhausstandard minimiert. Zum Einsatz kommen nur Materialien, die entweder traditionell im Hausbau Verwendung finden oder neu entwickelte Materialien, die vollständig kompostierbar sind. Das Haus wird 24 Quadratmeter groß sein (Wie viel Quadratmeter Wohnfläche braucht der Mensch?). Wem das nicht reicht, der kann das Raumangebot vergrößern: Die Baukörper sollen sich an allen sechs Seiten des Raumes miteinander verbinden lassen, so dass größere Einheiten entstehen können, und das bis zu fünf Geschossen hoch. Somit ist auch verdichtetes Bauen in Städten möglich. Interessant ist auch die Option, kurzfristig innerstädtische Konversionsflächen zu besiedeln. Die Gebäude sind nämlich mobil und lassen sich de- und remontieren. Dadurch könnten Kommunen Flächen einer Zwischennutzung zuführen, die jahrelang brach liegen, etwa alte Güterbahnhöfe oder aufgegeben Militärflächen.

Die Baukörper sind konzipiert für Menschen, die konsequenten ökologischen Lösungen zugeneigt sind. Oder für Menschen, die keine Lust haben, für die bloße Anwesenheit auf der Erde einen großen Geldbetrag auszugeben, entweder durch den Kauf oder den Bau von Wohnraum. Natürlich werden auch für Rachel-Bewohner Kosten anfallen, jedoch weit geringer, als das bei konventionellen Unterkünften der Fall ist.

25.000 Euro soll das Haus kosten, bei hoher Eigenleistung auch weniger. Die Häuser können selber gebaut werden, alle Pläne werden frei verfügbar gemacht. Das ganze Projekt ist Open Source und trägt damit zur Schaffung von Gemeingütern bei. Ähnlich wie beim Linux-Kernsystem ist eine kommerzielle Verwendung nicht ausgeschlossen. Dadurch soll erreicht werden, dass Handwerker oder gar Fertighaus-Produzenten die Pläne kostenfrei nutzen und Rachel-Gebäude herstellen. Geplant ist eine Vielzahl von Hausdesigns, um eine formalen Gleichförmigkeit zu vermeiden.

Bis zum 15.08.2013 läuft jetzt dieser erste Open-Source-Architekturwettbewerb Deutschlands, der in seiner ersten Stufe den Schwerpunkt auf die Visualisierung des Projektes legt. In einer weiteren Stufe sollen Pläne erarbeitet werden, mit denen ab Spätsommer 2014 ein Prototyp gebaut werden kann.

Durch den ungewöhnlichen Open-Source-Charakter des Wettbewerbs steht den Teilnehmern der zweiten Wettbewerbsstufe die Möglichkeit offen, sich fremde Ergebnisse der ersten Wettbewerbsstufe zu eigen zu machen und diese zu bearbeiten und zu vertiefen. Über die 2.000 Euro Preisgeld richtet eine Jury, die unter anderem aus dem Postwachstumsökonomie-Forscher Niko Paech, dem Hamburger Autor Niles Boeing, Walter Prigge vom Bauhaus Dessau und Telepolis-Chefredakteur Florian Rötzer besteht.