Wir brauchen klare Regeln für die Netzneutralität

Die aktuelle Debatte rund um die Datendrosselung im Rahmen von Flatratetarifen der Deutschen Telekom zeigt eines: das Internet darf nicht komplett dem freien Markt überlassen werden. Es braucht verlässliche Regelungen, damit wir uns ein freies Internet, wie wir es kennen, erhalten können.

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Bislang war die Marschrichtung im Bereich des Internet klar: Alles wird schneller! Wer hätte nicht vor ein paar Jahren von DSL-Geschwindigkeiten von 16.000 kbit/s geträumt? Heutzutage sind bereits wesentlich schnellere Anschlüsse verfügbar. Auch das Internet passt sich dieser technischen Entwicklung an. Webseiten werden aufwendiger, überall sind Videos vorzufinden, die immer öfter auch in HD-Qualität verfügbar sind. Eine politische Regulierung des Marktes schien bis vor kurzen nicht nötig zu sein.

Der Weckruf für die Politik hätte nicht deutlicher sein können und schlug innerhalb kürzester Zeit im Internet hohe Welle. Der Marktführer Deutsche Telekom hat sich dafür entschieden, seine Tarifmodelle grundlegend zu ändern. Früher unterschieden sich die Flatratetarife dadurch, dass das Unternehmen verschiedene Geschwindigkeiten im Angebot hatte. Je mehr Highspeed der Kunde wollte, desto teurer wurde der Vertrag. In Zukunft sollen alle Neuverträge bei der Telekom ein Inklusivvolumen enthalten, wie dies heutzutage nur bei Mobilfunk-Internetflatrates der Fall ist.

Wird das Volumen überschritten, wird die Geschwindigkeit gedrosselt und zwar auf 384 kbit/s. Das ist so, als würde man den User mit einer Zeitmaschine ins Jahr 1998 zurückbefördern. Heutige Webseiten sind mit einer solchen Geschwindigkeit kaum noch sinnvoll nutzbar (Die aktuelle Webseite der Deutschen Telekom benötigt auf diese Weise gut 100 Sekunden, bis diese komplett geladen ist). Tarife mit unbegrenztem Volumen soll es hingegen bei der Deutschen Telekom nicht mehr geben.

Die Telekom, der im Netz mittlerweile der Schmähname „Drosselkom“ verpasst wurde, verteidigt ihr neues Tarifmodell mit der Argumentation, dass dieses ja nur für Vielsurfer greife. Wer sich die Tarifbedingungen genauer anschaut wird wahrscheinlich feststellen, dass er nach der Definition des Unternehmens bereits zu den „Vielsurfern“ gehört. Schon ab 75 GB würde man im Tarif mit einer Geschwindigkeit von 16.000 kbit/s auf 384 kbit/s gedrosselt. Ein zweistündiger Film in HD Qualität schlägt bereits mit ca. 10 GB zu buche. Wer sich nun neben ein paar Spielfilmen noch bei Youtube Videos anschaut, womöglich auch noch in HD, der findet sich schnell vom Tempo her im vorletzten Jahrzehnt wieder.

Bis zu diesem Punkt kann man der Telekom lediglich vorwerfen, dass sie eine kunden- und technikfeindliche Schiene fährt. Einen Anlass für eine Marktregulierung kann hierbei noch nicht erblickt werden. Schließlich dauert das Aufrufen der Telekomseite ebenso lange, wie der Aufruf von Konkurrenzseiten. Die virtuelle Zeitreise betrifft schließlich das gesamte Internet. Im Rahmen der Netzneutralität kommt es jedoch darauf an, dass jeder Nutzer zu gleichen Bedingungen beliebige Dienste im Internet aufrufen kann. Dies können auch gleich schlechte Bedingungen sein.

Allerdings bietet die Telekom nicht nur DSL an, sondern betreibt mit T-Entertain auch eine eigene Plattform, die ebenfalls über das Internet bestimmte Dienste anbietet. Zum einen werden dort Fernsehsendungen übertragen, der Kunde kann zudem noch Mediatheken und Videos über die Plattform abrufen. Dieser Dienst soll von der Drosselung ausgenommen werden.

Aus Sicht der Telekom stellt dies kein Problem dar. Schließlich handele es sich bei T-Entertain um kein Internet- sondern um ein Rundfunkangebot. Diese Argumentation greift aber zu kurz: Sofern man beides heutzutage überhaupt unterscheiden kann, so ist doch zu bemerken, dass die Daten von T-Entertain ebenfalls über die DSL-Leitung übertragen werden.

Dass man nur mit speziellem Receiver und nicht vom PC auf das Angebot zugreifen kann, spielt im Rahmen der Netzneutralität keine Rolle. Schließlich steht das Angebot auch in direkter Konkurrenz zu anderen Anbietern im Internet, die Fernseh-Streams anbieten (wie etwa Zattoo.com) oder diversen Video-on-Demand-Plattformen (wie etwa Maxdome oder Love-Film).

Nur weil sich diese keines Receiver-Systems, sondern lediglich des Browsers bedienen, bedeutet das nicht, dass es sich um wesentlich andere Angebote handelt. Welcher Telekomkunde wird nicht geneigt sein, lieber die Angebote der Telekom in diesem Bereich zu nutzen, die, selbst wenn dies mit einem weiteren Entgelt verbunden ist, nie der Drosselung unterliegen können, als zusätzlich auf andere Anbieter auszuweichen, dessen Benutzung ihn nach kurzer Zeit in die IT-Steinzeit befördert?

Dies alles zeigt dass es sich bei den Telekomtarifen um weit mehr handelt, als um ein umstrittenes und unzeitgemäßes Tarifmodell. Vielmehr handelt es sich um eine rechtspolitische Angelegenheit. Der Gesetzgeber muss aktiv werden und die Netzneutralität gesetzlich verankern. Das Internet spielt heutzutage eine viel zu wichtige Rolle, als dass es komplett dem Markt überlassen werden kann. Nur auf diese Weise kann es einen fairen Wettbewerb geben.

Ermano Geuer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Sicherheitsrecht und Internetrecht an der Universität Passau.

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