Ausgestorben, aber nicht verloren

Es scheint nur noch eine Frage der Zeit, bis erstmals eine ausgestorbene Tierart wieder zum Leben erweckt wird

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Mammut, Pyrenäensteinbock, Magenbrüterfrosch: Die Wiederbelebung ausgestorbener Tierarten scheint in greifbare Nähe gerückt. Auf einer öffentlichen TEDxTagung diskutieren Forscher über den besten Weg, und im Wissenschaftsjournal Science werden die ethischen und ökologischen Probleme analysiert. Doch eine Sensation ist vorerst nicht zu erwarten.

Das Klonschaf Dolly entstand aus einer einzelnen Zelle. Und halbwegs intakte Zellen suchte auch eine Expedition, die sich im Sommer 2012 auf den Weg nach Sibirien machte; ihr Ziel war es, aus diesen Zellen ein Mammut zu klonen (Wiederauferstehung der Mammuts in Sicht?). Sie hatten Glück: Im Permafrostboden stießen sie auf Überreste eines Mammutskeletts, in denen sie gut erhaltene Zellen entdeckten. Proben dieses Gewebes wurden nach Korea gebracht, zu der Sooam Biotech Research Foundation, die auf das Klonen von Tieren spezialisiert ist. Dort soll das Mammut wieder auferstehen mit einem asiatischen Elefanten als Leihmutter.

Bereits im Jahr 2003 ist der ausgestorbene Pyrenäensteinbock wieder auferstanden - jedoch leider nur für wenige Minuten. Als ein umfallender Baum drei Jahre zuvor das letzte Tier dieser Art erschlug, hatten Forscher schon Gewebeproben gesichert und tiefgefroren gelagert. Die Klonierung war mühsam, aber eine der Leihmütter wurde schwanger und brachte das geklonte Tier zur Welt. Doch das Neugeborene erstickte bald darauf jämmerlich: Eine Fehlbildung der Lunge hatte ihm das Atmen unmöglich gemacht.

Erst vor wenigen Wochen berichteten Forscher vom australischen Lazarus-Projekt von ihrem Versuch, den ausgestorbenen Magenbrüterfrosch zu klonen. Diese Art verschwand in den 1980er Jahren, wenige Jahre nachdem sie entdeckt und durch ihr Brutverhalten berühmt wurde: Die Jungtiere wuchsen im Magen der Mutter auf und verließen ihn erst als fertiger Frosch. Mit Hilfe von Gewebestücken, die 40 Jahre im Gefrierschrank lagerten, entstanden im Reagenzglas Embryonen, die allerdings nur wenige Tage lebensfähig waren. Doch die Versuche laufen weiter und die Chancen stehen nicht schlecht, dass sie demnächst von Erfolg gekrönt werden.

Was diesen drei Versuchen gemeinsam ist: Die Klonierung erfolgt durch eine Methode, mit der auch das Klonschaf Dolly erzeugt wurde: durch den somatischen Kerntransfer. Dabei entnimmt man den Kern einer Gewebezelle, pflanzt ihn in eine entkernte Eizelle ein und lässt den Embryo von einer Leihmutter austragen. Doch was in der Theorie so einfach klingt, ist in der Praxis ungeheuer mühsam.

Eines der Hauptprobleme ist die fehlende Effizienz: Für den Pyrenäensteinbock mussten über 200 Embryonen erzeugt und dann in mehr als 50 Leihmütter implantiert werden. Ein zweites Problem ist die hohe Zahl der Missbildungen ein schneller Tod wie der des neugeborenen Steinbocks ist kein Einzelfall. Bei der Klonierung eines Mammuts sind also hohe Hürden zu überwinden: Man braucht große Mengen von intakten Mammutzellkernen und entkernten Elefanteneizellen, außerdem viele Elefanten als Leihmütter. Die Wiederauferstehung des Mammuts wäre, wenn sie überhaupt möglich ist, also sehr teuer und zeitaufwändig.

Deextinction

Doch einige Wissenschaftler lassen sich von derartigen Problemen nicht abschrecken. Mitte März stellten sie auf einer öffentlichen TEDx-Tagung (organisiert von der The Long Now Foundation und der National Geographic Society) ihre Projekte vor und riefen dabei eine neue biologische Disziplin ins Leben deextinction, also etwa Rückausrottung. Zu den wichtigsten Themen gehörte eine Alternative zum somatischen Kerntransfer: genome editing, die zielgerichtete Veränderung des Erbguts. Beim genome editing soll das Erbgut einer lebenden Tierart schrittweise dem einer ausgestorbenen Art angeglichen werden.

Ein Beispiel: Die Wandertaube, die bis zu ihrer Ausrottung vor 100 Jahren in riesigen Schwärmen über den nordamerikanischen Kontinent zog. Im ersten Schritt muss die DANN-Sequenz des Erbguts möglichst vollständig bestimmt werden. Da einige ausgestopfte Exemplare noch in Naturkundemuseen existieren, konnte dieser Teil bereits zur Hälfte fertig gestellt. Im nächsten Schritt nimmt man die Zellen einer nah verwandten Art der amerikanischen Felsentaube und ersetzt deren Gene Schritt für Schritt durch die des ausgestorbenen Verwandten. Schließlich werden Eier präpariert, mit denen eine Rückzucht gestartet werden kann. Am Ende könnte die Wandertaube wieder auferstehen, auch wenn manches Detail im Erbgut noch von der Felsentaube stammt.

Doch an diesem Punkt ergeben sich neue Probleme. Tauben sind gesellige Tiere, die sich manche Verhaltensmuster von Artgenossen abschauen. Doch das erste wiederbelebte Küken wird keine Artgenossen haben. Ihr natürlicher Lebensraum - ausgedehnte Kastanienwälder - ist fast verschwunden. Wovon sollen sie also leben? Und selbst wenn sie Fuß fassen, welche Auswirkungen hat ihre Rückkehr auf ein Ökosystem, das seit einem Jahrhundert ohne sie auskommt?

In einem Artikel des Wissenschaftsjournals Science werden noch weitere Fragen aufgeworfen. Dazu gehören ethische Probleme: Spielen wir Gott, wenn wir ausgestorbene Arten wieder erstehen lassen? Leiden die Tiere, wenn man sie wieder belebt? Rechtliche Fragen müssen beantwortet werden: Sind diese Tiere patentierbar? Muss die deextinction vom Gesetzgeber reguliert werden? Und letztlich stellt sich auch die Sinnfrage: Warum viel Geld für deextinction ausgeben, wenn damit noch lebende Arten vor dem Aussterben bewahrt werden könnten?

Die Hürden sind also gewaltig. Und bei allem Respekt vor dem Enthusiasmus der Forscher: Projekte wie das der Wiederauferstehung des Mammut oder der Wandertaube muten utopisch an. Erfolge sind eher bei unscheinbaren Tierarten zu erwarten. Frösche zum Beispiel: Sie benötigen kaum Platz und fressen wenig, haben kurze Generationszeiten, brauchen keine Leihmütter, müssen kein komplexes Sozialverhalten erlernen und sind auch sonst genügsame Zeitgenossen. Alles Dinge, die man von einem Mammut nicht behaupten kann. Im realexistierenden Jurassic Park werden Frösche klar die Mehrheit stellen.