Frank Stronach

Ein alter Milliardär fühlt sich berufen, Österreich vor dem Untergang zu bewahren, kauft sich eine Partei und verhindert damit vermutlich einen neuerlichen Einzug der Rechtspopulisten in die Regierung

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Sollte irgendwann ein Preis für den seltsamsten Populisten ausgelobt werden, dürfte Frank Stronach wohl deutlich bessere Siegeschancen haben als bei den nächsten Österreichischen Nationalratswahlen. Allerdings darf der 80jährige austro-kanadische Milliardär dabei aus dem Stand auf ein annähernd zweistelliges Ergebnis hoffen, wie es ihm im Frühjahr 2013 bereits bei den Landtagswahlen in Niederösterreich (9,83 Prozent), Kärnten (11,3 Prozent) und Salzburg (8,3 Prozent), nicht aber in Tirol (3,4 Prozent) gelungen ist.

Zu wissen, was die Menschen wollen, sei kein Populismus, sagt Stronach. Das "Team Stronach" wäre "keine Protestpartei", er wolle "konstruktiv sein" und trete gegen "jede Art von Extremismus" auf. Im selben Atemzug präsentiert er allerdings klar und pauschal die "Feinde", die die aktuelle Misere verschuldet hätten: "Die herrschenden Parteien, die Berufspolitiker und die Banken, die nur ihren eigenen Vorteil im Auge haben." Er stehe hingegen für "Fairness, Transparenz und Wahrheit", zudem müsse ein Staat nach Stronachs Überzeugung wie ein Unternehmen gwführt werden - und wie sein Erfolg beweise, könne das niemand besser als er. Daher komme er, Stronach, nun nach einem erfolgreichen Leben mit dem völlig selbstlosen Ziel zurück, Österreich vor dem drohenden Untergang zu retten.

Entsprechend seiner "Goldenen Regel" - "Wer das Gold hat, macht die Regel" - entscheidet Stronach in seiner Partei letztlich alles alleine. Er etabliert sich offensiv als charismatische Führerfigur, deren Lebenserfahrung in der Partei als einzig denkmöglicher Quell der Erkenntnis akzeptiert wird - wobei seine Milliarden und die Bereitschaft, damit nach Lust und Laune herumzuwerfen, sein von Natur aus nicht übermäßig stark ausgeprägtes Charisma enorm unterstützen.

Die Ausgangslage

Im Spätsommer 2012, als Stronach seinen Einstieg in die Politik verkündete, war das Ansehen der österreichischen Regierung auf einem Tiefpunkt angelangt. Denn neben ihrer offensichtlichen Hilflosigkeit während der Finanzkrise hatte sich das SPÖ/ÖVP-Kabinett unter SPÖ-Kanzler Faymann das ganze Jahr über kleinliche Streitereien und peinliche Ausrutscher geleistet, aber keinerlei sichtbare Erfolge zustande gebracht. Gleichzeitig hatte die Aufarbeitung einiger Skandale aus der Zeit der ÖVP/FPÖ-Regierung durch Untersuchungsausschüsse und Gerichte eine Unzahl an Abhörprotokollen und Dokumenten ans Licht befördert, die ein abscheuliches Sittenbild gezeichnet hatten, das von der Implosion des jahrzehntelang freiheitlich geführten Kärnten, der Strasser-Affäre und dem Finanzskandal in Salzburg voll bestätigt wurde und das Ansehen der politischen Klasse insgesamt auf ungeahnte Tiefstände hatten sinken lassen.

Trotz intensiver Verwicklung der FPÖ in diverse Skandale hätte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der bis zum Auftauchen Stronachs das rechtspopulistische Lager angeführt hatte, also durchaus mit einem Ergebnis auf Augenhöhe mit den traditionellen Regierungsparteien rechnen können. Jedenfalls schwadronierte Strache ein Jahr vor der Nationalratswahl noch vom "Kanzler-Duell" (er gegen Kanzler Fayman) das er zu gewinnen gedenke, wobei seine eigene Position sich innerparteilich allerdings zusehends problematisch darstellte. So sehen rechtsextreme Wähler ihn mittlerweile als Verräter, während die Fraktion der Burschenschafter, die in der FPÖ aktuell das Sagen hat, den gelernten Zahntechniker als intellektuellen Flachwurzler betrachtet, der nur wegen seiner blauen Augen in der ersten Reihe stehen dürfe.

Frank Stronach. Foto: Steindy. Lizenz: cc-by-sa-2.0-de.

Darüber hinaus hat die FPÖ neben dem Ausländerthema nicht viel mehr anzubieten als das, was jetzt auch Stronach kritisiert. Wenn FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky Stronachs Programm nun adoptieren will, indem er ihm "jede eigenständige Idee" abspricht, dürfte das die begründete Angst reflektieren, dass Stronach der FPÖ das EU/Euro-Thema abnehmen könnte (welches übrigens das einzige Thema ist, zu dem sich auf der offiziellen Homepage von Team Stronach Angaben finden, die über Schlagworte hinausgehen).

Und vermutlich werden etliche Protestwähler es eher Stronach zutrauen, mit wirtschaftlichen Problemen fertig zu werden, als der FPÖ, die dahingehend derzeit keinerlei öffentlich wahrnehmbare Kompetenzen vorweisen kann. Anscheinend setzt das Team Stronach aber genau darauf. Und gelänge es Stronach tatsächlich, der FPÖ die derzeit hochaktuellen Feindbilder Euro und EU aus der Hand zu nehmen, dann bliebe Strache nur noch das Ausländerthema, mit dem die FPÖ mittlerweile seit dreißig Jahren unterwegs ist und schon recht alt aussieht. Demgegenüber verzichtet der Auswanderer Stronach trotz teilweise ähnlich rigider Standpunkte auf aggressiv-ungustiöse Töne, die Strache wohl auch bei einigen entschiedenen Euro-Skeptikern disqualifizieren sollten.

Tiroler Wahlkampimpressionen

Besonders viel Freude bereiten Stronach offenbar die Auftritte in ländlichen Regionen. So war alles auf den Beinen, als er eine Woche vor den Tiroler Landtagswahlen in Lienz durch die Innenstadt spazierte. Er selbst im unauffälligen schwarzen Anzug, dazu ein hellblaues offenes Hemd ohne Krawatte. Begleitet wurde er von zwei gerade noch rivalisierenden Landesparteichefs, einigen Mitarbeitern, sowie gut einem Dutzend seiner Spitzenkandidaten für Nord- und Osttirol, allesamt adrett in weiße Jacken gekleidet und kaum einer unter 60. Während sich die Gruppe langsam in Richtung Hauptplatz bewegt, schüttelt Stronach jede Menge zumeist bereits in Pension befindliche Hände, erkundigt sich nach Problemen und Befindlichkeiten und hört sich geduldig auch einige längere Antworten an.

Von den Passanten wird ihm durchaus Respekt und Sympathie entgegen gebracht - und die wenigen "Störer", die laut Stronach "sicherlich" von "die Parteien geschickt werden", verziehen sich rasch. Indes beäugen ihn viele Passanten doch mit einigem Argwohn, was neben seinen bizarren TV-Auftritten und der widersprüchlichen Vergangenheit wohl vor allem dem Chaos um die Kandidatur gleich dreier "Team Stronachs" geschuldet sein dürfte. Das war im konservativen Tirol offenbar nicht so gut angekommen, allerdings billigen ihm die Meinungsumfragen zu diesem Zeitpunkt noch immer rund zehn Prozent Stimmenanteil zu. Indes umschwärmen ihn die hoffnungsvollen Kandidaten weiter wie verliebte Schulbuben und überbieten sich gegenseitig in möglichst authentischer Äußerung von "Franks" Ansichten. Und so gleitet Stronach auf einer gewaltigen Schleimspur durch die Lande, die einer realistischen Selbsteinschätzung wohl einigermaßen entgegensteht.

Seine Jahre sieht man ihm hingegen kaum an. Er wirkt aufgeweckt und rege, nur geht seine Gesichtsfarbe etwas sehr ins Orangene, was spöttische Kommentare provoziert, die zumeist einen Vergleich mit einem ähnlich bunten früheren Haider-Sekretär Petzner zum Inhalt haben. Im Gespräch mit Passanten gibt er sich betont gemäßigt und ist stets bereit, seine Pauschalkritik abzumildern oder einzelne davon auszunehmen. Endlich in der hiesigen Shopping Mal angelangt, folgt die wenig überraschende Botschaft, dass "freiheitsliebende Leute wie die Tiroler nicht von Wien oder Brüssel aus dominiert werden dürften - und schon gar nicht von der Freunderlwirtschaft der Regierungsparteien". Für weitere Ausführungen bleibt keine Zeit und Stronach verteilt und signiert abschließend noch zwei Dutzend Bände seiner Autobiographie und erspart dafür dem Publikum weite Teile seiner Erfolgsgeschichte, die sonst den Hauptteil seiner Veranstaltungen einnimmt.

Wie mittlerweile vermutlich fast jeder Österreicher weiß, wurde Strohnach 1932 in der Obersteiermarkt als Franz Strohsack geboren und lernte Werkzeugmacher. 1953 ging er zuerst in die Schweiz, wo er unter anderem Fußball beim FC Helvetia spielte. Ein Jahr später wanderte er - nach eigenen Angaben mit nur 200 Dollar in der Tasche - nach Kanada aus, wo er sich zuerst als Tellerwäscher durchschlagen musste und angeblich auch Hunger lit. Bald begann er aber in einer gemieteten Garage Teile für die Autoindustrie herzustellen und gründete 1957 den Werkzeugbau-Einmannbetrieb Multimatic, mit dem er so großen Erfolg hatte, dass sein inzwischen als "Magna" firmierendes Unternehmen bereits Anfang der 1980er Jahre zu den führenden Kfz-Zulieferern Nordamerikas zählte.

Von Gewerkschaften hielt Stronach zeitlebens nichts, obwohl sein "Team" ja immerhin auch explizit für "Fairness" eintritt. Für ihn besteht "Fairness" in der Beteiligung seiner Mitarbeiter an den Gewinnen, was von vielen Beschäftigten anscheinend durchaus geschätzt wird und was Stronach nun als wesentliche Forderung in sein Parteiprogramm aufgenommen hat. Unter anderem mit dieser Forderung kandidierte er bereits Ende der 1980er in Kanada für die dortige Liberal Party. Allerdings fuhr er nach einem pompösen Wahlkampf ("Let's be Frank") eine vernichtende Niederlage ein, woraufhin er von der Politik vorerst genug hatte und sich damit tröstete, im Triumphzug nach Österreich zurückzukehren. So hielt sich Stronach seit den frühen 1980er Jahren immer häufiger in der Alpenrepublik auf, wo er erhebliche geschäftliche Interessen entwickelte und 1986 die Magna Europa gründete, deren Zentrale bis heute im niederösterreichischen Oberwaltersdorf ansässig ist. Rasch etablierte er sich auch als öffentliche Person, die mit dem Charme des reichen Onkels aus Amerika stets bereit war, Lektionen über "richtige" Wirtschaftsführung, Sport oder Politik zu erteilen.

Politische Verbindungen

Seine Abneigung gegen das politische Personal dürfte damals jedoch noch nicht so stark ausgeprägt gewesen sein, wie es sein aktuelles Parteiprogramm vermuten lässt. Jedenfalls war sie noch nicht stark genug, um seine wirtschaftlichen Interessen zu übertrumpfen. So suchte er von Anfang an Kontakt zu den Regierungsparteien und immer wieder fanden Politiker aller Couleurs bei ihm ihr Auskommen. Beispielsweise nahm er den jungen Karl-Heinz Grasser nach dessen erstem Abgang aus der Politik in den Vorstand der Magna Europe auf und übertrug dem berüchtigsten Haider-Rabauken Peter Westenthaler später die Leitung des österreichischen Fußballverbandes. Neben weiteren Ex-FPÖ-Ministern fanden sich auch mehrere SPÖ-Minister und führende SPÖ-Funktionäre auf seiner Lohnliste, während die Kontakte zur ÖVP anscheinend weniger stark ausgeprägt waren und sich die Gehaltsliste Magnas mit einigen wenigen steirischen Ex-Landespolitikern bescheiden musste.

2003 hätte Grasser, damals gerade Österreichs bester und supersauberster Finanzminister, Stronach auch noch die Kontrolle über Österreichs führenden Stahlkonzern Voest-Alpine zuschanzen wollen, was aber vorzeitig bekannt wurde und an massiven öffentlichen Protesten scheiterte. Wenig Zweifel bestehen heute jedenfalls daran, dass Magna unter dem SPÖ-Kanzler Franz Vranitzky (später im Magna-Aufsichtsrat) die Fahrzeug- und Antriebstechnik der Steyr Daimler Puch AG (damals Österreichs drittgrößter Industriekonzern) zu einem äußerst günstigen Preis hatte übernehmen können. Von der Staatsanwaltschaft untersucht wird zudem der ungewöhnlich preisgünstige Kauf eines Schlosses am Wörthersee und auch seine Beteiligung am Eurofighter-Deal wirft einige Fragen auf.

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