Frontex geht in die Luft

Die Agentur zur Kontrolle der EU-Außengrenzen will die griechisch-türkische Grenze per Flugzeug überwachen. Unterstützung kommt auch über die EU-Satellitenaufklärung

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Das Vorhaben ist zunächst als Pilotprojekt geplant, Überwachungsflüge sollen zwischen Juli und September stattfinden. Anfallende Daten werden über eine Bodenstation verarbeitet und in Echtzeit, also ohne Verzögerung, an Frontex weitergeleitet. Der Auftragnehmer soll hierfür eine Kontrollstation bereitstellen.

Bislang verfügt die EU-Grenzschutzagentur mit Sitz in Warschau über keine eigene Technik. Die benötigte Ausrüstung bekam Frontex für einzelne Missionen von den Mitgliedstaaten zeitweise zur Verfügung gestellt. Die jetzige Initiative hat also hohe Symbolkraft (Europas Borderline).

Möglich wird die technische Aufrüstung der Agentur durch eine geänderte Verordnung von 2011, wonach Frontex Technik "für sich selbst oder als Miteigentümer mit einem Mitgliedstaat erwerben oder leasen" darf. Allerdings gilt für größere technische Ausrüstungsgegenstände die Vorschrift, dass diese über einen Mitgliedstaat registriert sind. Das gewünschte Flugzeug dürfte in diesem Fall vermutlich bei der griechischen Luftfahrtbehörde angemeldet werden. Das bedeutet, dass Griechenland "Fachleute und Mannschaften" bereitstellen muss, um den Betrieb des Luftfahrzeuges unter rechtlich einwandfreien Bedingungen zu gewährleisten.

Griechenland wird zum Labor der EU-Migrationsabwehr

In der Ausschreibung wird verlangt, dass die Flugzeuge über einen Aktionsradius von mindestens 800 Kilometer verfügen. Die regulären, mehrstündigen Überwachungsflüge sollen vornehmlich in der Nacht stattfinden, weshalb leise Motoren bevorzugt werden. Möglich seien neben Propellermaschinen auch Hubschrauber.

Obwohl Frontex mehrere Forschungsprogramme zum Einsatz von Drohnen betreibt und entsprechende Vorführungen in Griechenland abhält, ist im gegenwärtigen Vorhaben von bemannten Flugzeugen die Rede. Dies dürfte dem Luftfahrtrecht geschuldet sein; die polizeiliche Nutzung von Drohnen ist aus Griechenland bislang nicht bekannt. Das ab Sommer genutzte Luftfahrzeug soll hohen Bestimmungen zur Sicherheit genügen: Als statistische Unfallrate werden Typen verlangt, die maximal zwei Vorfälle pro 100.000 Flugstunden verzeichnet haben. Die Geräte sollen aus der Ferne möglichst unbemerkt bleiben, weshalb sie von Wärmebildsensoren erst unterhalb von 2,5 Kilometer entdeckt werden dürfen. Die Überwachungstechnik an Bord hat es aber in sich: Zur ausgeschriebenen Nutzlast gehört die optische und radargestützte Überwachung, Infrarot- und Wärmebildkameras. Alle Sensoren werden ferngesteuert. Am Boden sollen die Aufklärungsdaten in einem "Common Operating Picture ground system" zusammengeführt werden.

Anfallende Daten sollen sofort an Frontex weitergeleitet werden, die Agentur wird damit zum alleinigen Inhaber aller "intellektuellen Eigentumsrechte". Das durchführende Unternehmen muss sich verpflichten, selbst keine Informationen zu speichern.

Griechenland wird durch die neue Maßnahme erneut zum Labor für die Migrationspolitik der Europäischen Union. Bereits jetzt ist die Grenze zur Türkei bestens überwacht. Frontex koordiniert dort den europaweit ersten Einsatz seiner sogenannten "schnellen Eingreiftruppen", die aus dem Frontex-Lagezentrum in Warschau gesteuert werden. Mit Hubschraubern, Spürhunden, Wärmebildkameras, Nachtsichtgeräten und anderen Sensoren sollen unerwünschte Grenzübertritte unmöglich werden. Frontex ergänzt damit die seit 2008 laufende Operation "Poseidon", um Flüchtlinge möglichst noch auf See abzufangen.

Trotz Kritik von Menschenrechtsorganisationen kein Kurswechsel

Die griechische Regierung hat entlang eines stark frequentierten Flusslaufes mittlerweile einen kilometerlangen Zaun errichtet. Das Militär sichert die Grenze überdies mit einem 30 Meter breiten Graben, der laut offizieller Lesart Panzerangriffe der Türkei abwehren soll. Das Bauwerk ist fast fertig.

Im Rahmen der mehrjährigen Operation "Xenios Zeus" gegen unerwünschte Migranten hat Griechenland zudem weitere 1.800 Grenzpolizisten in die Grenzregion abgeordnet. "Xenios Zeus" führte schon letztes Jahr zur Festnahme Tausender Flüchtlinge. Die Operation wird zwar von der Europäischen Union nicht direkt unterstützt, ist aber Teil eines "Nationalen Aktionsplans zur Asylreform und zur Migrationsbewältigung", der bei jedem Treffen der EU-Innenminister beraten wird.

Die EU-Kommission fördert zudem den Neubau und die Renovierung von Haftanstalten, um die Migranten überhaupt weiter festhalten zu können. Trotzdem ist ihre Unterbringung derart prekär, dass es in den letzten Monaten zu etlichen Aufständen in gekommen ist. Die Vereinten Nationen, Amnesty International und andere Menschenrechtsorganisationen hatten mehrmals auf menschenunwürdige Unterbringung und Misshandlungen in Gefängnissen und auf Polizeistationen aufmerksam gemacht.

Die beschriebenen Maßnahmen haben dazu geführt, dass unerwünschte Grenzübertritte sehr stark zurückgegangen sind. Dies wird von Frontex ausdrücklich bestätigt. Trotzdem soll die Region am Grenzfluss Evros mit noch mehr Technik ausgestattet werden. Griechische und türkische Grenztruppen nahmen als "Endnutzer" an einem Forschungsprojekt teil, das zwei Prototypen eines unbemannten Landroboters entwickelt hat. (Panzergraben, Grenzzaun, Wachroboter und mehr deutsche Polizei). Gut möglich, dass die ferngesteuerten Panzer ebenfalls bald zur Grenzsicherung eingesetzt werden.

GMES heißt jetzt Copernicus

Wesentlich greifbarer ist hingegen die Überwachung griechischer Grenzen aus dem Weltraum. Frontex kommt hierfür in den Genuss mehrerer Forschungsvorhaben, um die polizeiliche oder grenzpolizeiliche Nutzung von Satellitenaufklärung zu verbessern. Die in Rede stehenden Daten entstehen im Programm "Copernicus" (früher GMES), für das die EU selbst mehrere Satelliten ins All schießt (Migrationskontrolle aus dem All). Im Sicherheitsbereich gehört neben Frontex vor allem die EU-Verteidigungsagentur zu den privilegierten Nutzern von "Copernicus".

Noch dieses Jahr soll in mehreren EU-Mitgliedstaaten der neue Aufklärungsverbund EUROSUR in Betrieb gehen. Die Plattform versammelt Daten aus der militärischen und polizeilichen Aufklärung, darunter von Radaranlagen, Drohnen, Flugzeugen und Satelliten. Alle Daten werden an Nationale Kontrollzentren übertragen und von Frontex in Warschau ausgewertet.

Im aktuellen Forschungsrahmenprogramm der EU ist der Satellitenaufklärung für Sicherheitsbelange ein eigener Bereich zugewiesen worden. Unter dem Namen "Dolphin" wird die Integration vorhandener Aufklärungskapazitäten in EUROSUR entwickelt. Anfang des Jahres sind vier neue Projekte gestartet, um eine schnellere Übertragung der Informationen ins Frontex-Hauptquartier und die dortigen Analysekapazitäten zu entwickeln. Mehrere deutsche Einrichtungen sind beteiligt, darunter die Rüstungsfirma IABG, die GAUSS GmbH, Fraunhofer-Institute und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Zu den Partnern gehören auch Institute und Behörden aus Griechenland.