Slowenien: Fertigmachen zur nächsten Banken-Rettung

Das kleine Slowenien ist der nächste Rettungskandidat, weil das Land seine Banken auffängt, statt sie abzuwickeln

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Nach Zypern bringt ein marodes Bankensystem nun mit Slowenien das nächste kleine Land auf Absturzkurs. Die großen staatlichen Banken brauchen viel frisches Geld, weil sie auf faulen Krediten im Umfang von mindestens sieben Milliarden Euro sitzen. Das sind 20 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung des Landes. Das Defizit explodiert und die Regierung kündigt massive Steuererhöhungen und Sparmaßnahmen an, um einen Gang unter den Rettungsschirm abzuwenden. Die werden aber dem von Rezession geplagten Land zusätzlich weiter schwer zusetzen. Doch Vermögende erhalten nun Zeit, ihr Geld vor eine Zwangsabgabe zur Bankenrettung in Sicherheit zu bringen. Derweil soll die Bankenunion geschaffen werden, die den direkten Zugriff von Banken Rettungs-Steuermilliarden ermöglichen soll.

Noch vor zwei Monaten erklärte die neue sozialdemokratische Ministerpräsidentin Alenka Bratusek: "Slowenien ist stabil und vermutlich stabiler als viele andere europäische Staaten." Vielleicht hat sie damit Zypern gemeint, das inzwischen den Gang nach Canossa angetreten ist und den schmerzlichen Hilfsantrag beim Rettungsschirm (ESM) mit den entsprechenden Auflagen gestellt hat. Bratusek tritt nun scheinbar die Flucht nach vorne an. Sie kündigte ein Maßnahmenprogramm an, um den Gang unter den ESM zu vermeiden. Doch will sie schon vor der Antragstellung viele der Maßnahmen einführen, die einem Land üblicherweise mit der Nothilfe erst aufgezwungen werden. "Dieses Programm wird es Slowenien erlauben, weiter ein völlig souveräner Staat zu bleiben", sagte Bratusek.

Die von Bratusek angekündigten Maßnahmen sind aus Griechenland, Portugal und Spanien nur allzu bekannt. Und die Souveränität ist längst deutlich in Frage gestellt, weil sie auf Druck von Brüssel umgesetzt werden sollen. Die Ministerpräsidentin stellte die Pläne am Donnerstag vor, weil Slowenien heute in Brüssel sein Programm vorlegen musste. EU-Währungskommissar Olli Rehn hatte immer wieder "entschlossenes Handeln" in Ljubljana angemahnt, weil die Regierung sonst unter Aufsicht gestellt werde. Brüssel hat sich bisher noch nicht zu den Plänen geäußert, zunächst soll das Programm analysiert werden. Es sieht vor, zunächst den Mehrwertsteuersatz am 1. Juli von ohnehin hohen 20 auf 22 Prozent weiter anzuheben. Das wird vor allem niedrige Einkommen besonders hart treffen. Der verringerte Satz auf Nahrungsmittel und Medikamente soll von 8,5 auf 9,5% steigen. Eingeführt werden soll auch eine Immobilienabgabe. Mit beiden Steuererhöhungen sollen gut eine halbe Milliarde Euro zusätzlich in die Staatskasse gespült werden. Zudem sollen Gebühren in der Justiz angehoben und auch die Lotteriesteuer erhöht werden.

Eine halbe Milliarde Euro sollen zusätzlich im Haushalt eingespart werden. Allerdings wurden über konkrete Sparpläne noch keine Angaben gemacht. Mit den Gewerkschaften werde über die aus anderen Ländern bekannten Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst verhandelt. Privatisiert werden sollen insgesamt 15 Staatsbetriebe, darunter auch die Telekom Slovenija und die Nova KBM, zweitgrößte Bank des Landes, und dazu 13 kleinere Betriebe, kündigte Finanzminister Uros Cufer an. Dagegen hat sich schon der Juniorpartner in der Regierung ausgesprochen, weshalb fraglich ist, ob die Pläne vom Parlament abgesegnet werden.

Auf die allgemeine "Krisensteuer", die nach Angaben der Zeitung Finance auf alle Einkommen erhoben werden sollte, wurde zunächst verzichtet. Allerdings hat Bratusek bestätigt, dass über eine solche Steuer zwischen 0,5% und 5% nachgedacht wurde, um die Banken zu retten. Sie meinte aber auf einer Pressekonferenz am späten Donnerstag, der Verzicht auf die Krisensteuer könne einen positiven Effekt für die Wirtschaft haben. Falls sich die erhoffte Wirkung aber nicht einstelle, könne die Krisensteuer aber "zu einem Plan B gehören".

Die alten Rezepte, die nicht funktionieren

Anhand dieser Aussagen reibt sich der informierte Betrachter erstaunt die Augen. Man glaubt, seinen Ohren nicht zu trauen. Da wird die Bevölkerung für die Bankenrettung massiv zur Kasse gebeten und der Verzicht darauf, noch härtere Steuern auf alle Einkommen einzuführen, soll die Wirtschaft ankurbeln? Das glaubt Bratusek wohl selbst nicht. Man kann in Portugal, Griechenland und Spanien sehen, wohin derlei Maßnahmen führen, die angeblich das Defizit abbauen sollen. Damit werden sie auch in Slowenien begründet. Denn das Haushaltsdefizit soll 2013 auf 7,8% explodieren, weil nach der ersten Geldspritze von 420 Millionen Euro erneut mindestens 900 Millionen Euro in abstürzende Banken gepumpt werden sollen.

In den drei genannten Krisenländern haben derlei Programme aber nur dazu geführt, dass das jeweilige Defizit 2012 gegenüber dem Vorjahr nun sogar wieder anstieg. In Spanien erhöhte es sich wegen der Bankenrettung sogar wieder auf 10,6%. Das Land ist nun vor Griechenland Defizit-Europameister. Portugal wurde durch diese Austeritätspolitik in eine nie dagewesene Rezession gedrückt und in Griechenland kann sogar von einer Depression gesprochen werden.

Auch Spanien wurde in die Rezession gespart, nachdem das Land sogar 2011 noch ein leichtes Wachstum verzeichnete. Man kann sich deshalb ausmalen, welche Wirkung diese Maßnahmen in einem Land entfalten werden, das wie Slowenien schon am Ausgangspunkt tief in der Rezession steckt. Im vierten Quartal 2012 ist die Wirtschaft im Vergleich zum Vorjahresquartal um 2,8% geschrumpft.

Denn mit den Sparprogrammen wird üblicherweise die Negativspirale in Gang gesetzt oder beschleunigt. Die Arbeitslosigkeit wird steigen, die bisher mit 9,9% noch unter dem Durchschnitt der Eurozone (12,1%) liegt, weil der Bevölkerung Kaufkraft über Gehaltskürzungen und Steuererhöhungen entzogen wird, womit der Konsum weiter gebremst wird. Sparprogramme, über die Investitionen zurückgefahren werden, haben eine ähnliche Wirkung. Gleichzeitig steigen mit der Arbeitslosigkeit aber Sozialausgaben. Steuereinnahmen sinken, trotz erhöhter Sätze, wie in anderen Krisenländern ebenfalls zu beobachten war, die Einnahmen der Sozialkassen brechen ein.

Deshalb kommen die Länder auf diesem Kurs den Defizit- und Stabilitätszielen nicht näher. Die Einhaltung des Stabilitätsziels, wonach die Neuverschuldung nur 3% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen soll, wurde gerade für Spanien erneut um zwei Jahre auf 2016 verschoben. In Slowenien ist das Rezept für ein Desaster angesichts der (noch) relativ niedrigen Staatsverschuldung besonders absurd. Das war sie auch in Spanien, bevor dort mit dem Austeritätskurs und der Bankenrettung begonnen wurde. Spanien war 2009, bevor der strenge Sparkurs eingeschlagen wurde, eines der wenigen Euro-Länder, die das zweite Stabilitätsziel einhielten, wonach die Staatsverschuldung nur 60 Prozent des BIP betragen darf. Das gilt für Slowenien heute noch. Ende 2012 lag die Staatsverschuldung bei nur 54%. In der Eurozone erfüllen neben Slowenien nur noch Estland (10,1%), Luxemburg (20,8%), Slowakei (52,1%) und Finnland (53%) dieses Stabilitätskriterium. Die Bankenrettung wird damit aufräumen, gesteht auch die slowenische Regierung. Sie geht davon aus, dass die Verschuldung bis zum Jahresende auf 61% anschwillt.

Spiel auf Zeit

Angesichts der relativ niedrigen Verschuldung hätte Slowenien sofort die maroden Banken unter Beteiligung der Anleger abwickeln müssen, anstatt sie auf Kosten der Steuerzahler und des wirtschaftlichen Niedergangs zu retten. Das Land müsste gezielt investieren, statt die Negativspirale in Gang setzen, die durch Brüsseler Programme angetrieben wird. Es gibt aus bisher gemachten Erfahrungen in anderen Krisenländern kaum Anlass zu glauben, dass das Land über den nun eingeschlagenen Weg mittelfristig wieder auf die Beine und damit um einen Rettungsantrag herumkommt. Die "katastrophalen Folgen" von solchen Programmen sind bekannt, weshalb frühzeitig auf berufenem Mund vor ihnen gewarnt wurde.

Das Land könnte dagegen noch die Tatsache nutzen, dass es sich weiterhin über die Kapitalmärkte refinanzieren kann. Obwohl die Ratingagentur Moody's die Bonitätsnote Sloweniens vergangene Woche um zwei Stufen auf Ramschniveau (Ba1) gesenkt hat, konnte Slowenien Staatsanleihen mit Laufzeiten von fünf und zehn Jahren im Umfang von 3,5 Milliarden Euro versteigern. Die Renditen lagen mit 5% und 6% noch deutlich unter der Marke von 7%, die bei viel höher verschuldeten Staaten wie Griechenland, Irland und Portugal die Absturzgrenze markierten. Der Kapitalbedarf soll damit bis 2014 gedeckt sein.

Slowenien profitiert von der massiven Geldschwemme, denn die Europäische Zentralbank (EZB) hatte vergangene Woche die Geldschleusen weiter geöffnet (Die EZB öffnet die Geldschleuse weiter). Das viele und immer billigere Geld sucht nach profitablen Anlagemöglichkeiten. Es wird wieder massiv gezockt, eben auch mit Staatsanleihen von Absturzländern wie Slowenien oder Spanien. Spanische Zinsen sind so tief, wie seit langem nicht mehr, obwohl die Wirtschaft des Landes in der Krise versinkt, wie eine Arbeitslosigkeit von mehr als 27% zeigt. Für Spanien bringt das günstigere Zinsniveau, wegen der in den letzten Jahren auf knapp 90 Prozent des BIP explodierten Verschuldung, allerdings nun kaum noch Erleichterung.

Die slowenische Ministerpräsidentin Bratusek versucht mit ihrem Vorgehen, vor allem Zeit zu schinden. Vielleicht versucht sie nur, Vermögende vor der Zwangsabgabe zu retten, die in Zypern zur Bankenrettung erstmals zur Anwendung kam. Dass Zypern die Blaupause für zukünftige Rettungsmaßnahmen darstellt, daraus wird in Brüssel kein Hehl mehr gemacht. Mit ihrem Vorgehen, nicht sofort zur Abwicklung von maroden Banken zu schreiten, wie es in Irland und in Zypern unumgänglich war, wird nun aber die Möglichkeit für Vermögende geschaffen, ihr Geld aus maroden Banken und aus dem Land abzuziehen, um es vor einer Abgabe zur Bankenrettung zu schützen.

Hinter dem Spiel auf Zeit, wie es Spanien schon vorgemacht hat, könnte auch der Versuch stehen, den maroden slowenischen Banken direkten Zugriff auf die ESM-Milliarden der europäischen Steuerzahler zu verschaffen. Bekanntlich muss dazu erst die Bankenunion geschaffen werden, wofür die ersten Schritte schon gegangen werden. Schließlich sollen fast 10 Billionen Euro an Verbindlichkeiten abgesichert werden, auf denen europäische Banken sitzen. Und dafür werden längst Blitz-Enteignungen der Sparer über das Wochenende geplant (Wochenend-Enteignung für 9,3 Billionen Bank-Schulden?).

Dass die Bundesregierung gerade jetzt die Pläne für die Bankenunion forciert, ist kein Zufall. Am Mittwoch wurde einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht. Regierungssprecher Steffen Seibert sprach von einem "Baustein für mehr Finanzstabilität" in Europa. Bis zur Sommerpause soll plötzlich schnell eine europäische Regelung gefunden werden. Dass Finanzminister Wolfgang Schäuble einen "Abwicklungsmechanismus" für marode Banken in den Vordergrund stellt, damit die Kosten nicht mehr allein beim Steuerzahler hängenbleiben, halten viele für eine "Scheindebatte und Beruhigungspillen für das Wahlvolk". Es gehe bei der Bankenunion "in erster Linie um den gemeinsamen europäischen Einlagensicherungsfonds" und damit um den Zugriff auf aller in "Europa liegenden Spareinlagen und Bankguthaben", meinen die Wirtschafts Nachrichten.