Mittelmeer wird zum Testgebiet für Drohnen

Mehrere Länder testen Drohnen der Typen Predator und Heron für polizeiliche Zwecke. Die zivil-militärischen Forschungen werden von der EU finanziert

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In einem weiteren millionenschweren Projekt forciert die Europäische Union die Aufklärung des Mittelmeers mit Drohnen, Satelliten und Ballons, die mit verschiedenen Sensoren bestückt werden können. Ziel ist das Aufspüren unerwünschter Migranten und Schmuggler. Damit geht die Aufrüstung des Drohnen-Fuhrparks von einigen EU-Mitgliedstaaten in eine neue Runde. Auch Bundespolizei und Bundeswehr profitieren.

Unter dem Namen CLOSEYE koordiniert die spanische Guardia Civil ein neues EU-Projekt zur maritimen Überwachung. Das gab das Innenministerium kürzlich in einer Pressemitteilung bekannt.

Das Akronym CLOSEYE steht für "Collaborative evaLuation Of border Surveillance technologies in maritime Environment bY pre-operational validation of innovativE solutions". Bereits vorhandene Kapazitäten, darunter Satellitenaufklärung oder Radaranlagen, werden dadurch mit neuen Technologien synchronisiert. Die Guardia Civil betreibt hierfür seit vielen Jahren ein ähnliches Projekt, das ebenfalls Drohnen einbindet. CLOSEYE baut auf dessen Ergebnissen auf.

Predator-Drohne offensichtlich zeitweise vom italienischen Militär überlassen

Die EU finanziert CLOSEYE mit 9 Millionen Euro, die Gesamtkosten liegen bei mehr als 12 Millionen Euro. Zum feierlichen Start im Hauptquartier der Guardia Civil reisten neben den Projektpartnern auch Delegierte des Außen- und Wirtschaftsministeriums an, zu den weiteren Gästen gehörten zahlreiche Vertreter von Rüstungsfirmen. Einführende Redebeiträge der EU-Kommission kamen von den Direktoraten Unternehmen und Industrie sowie Maritime Angelegenheiten und Fischerei. Die für die Küstenwache zuständige Guardia Civil gehört zum Innenministerium und kann unter das Kommando des Verteidigungsministeriums gestellt werden. Mit paramilitärischen Polizeibehörden anderer Länder ist die Guardia Civil in der Europäischen Gendarmerietruppe organisiert, die ihre Dienste unter anderem der NATO anbietet (Peacekeeping mit Gummiknüppel und Tränengas). Damit ist sie für CLOSEYE geradezu prädestiniert, denn das Projekt untersucht neue Aufklärungskapazitäten für Polizei und Militär gleichermaßen.

Beteiligt sind die Küstenwache Portugals und das italienische Militär. Vermutlich wird von dort die Predator-Drohne beigesteuert, über deren Einbindung mehrere spanische Medien berichtet hatten. Mit bewaffneten Predator-Drohnen wurde Tausende "gezielte Tötungen" in Afghanistan und Pakistan, aber auch im Jemen durchgeführt. Die italienischen Drohnen des US-Herstellers General Atomics sind allerdings unbewaffnet, ihr erster Einsatz erfolgte 2011 im Libyen-Krieg.

Neben weiteren Typen wurde bei CLOSEYE zudem ein Camcopter der Firma Schiebel getestet. Ähnliche Versuche hatte die Bundespolizei vor zwei Jahren auf der Ostsee durchgeführt.

Im Rahmen eines anderen EU-Forschungsprojekts unter dem Namen "Demonstration of Satellites enabling the Insertion of RPAS in Europe" (DeSIRE) testet die Guardia Civil eine israelische Heron-Drohne des Herstellers IAI, die als schärfster Konkurrent der Predator gilt. Auch die Bundespolizei ist an den Ergebnissen interessiert, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist als Partner an Bord (Bundesinnenministerium liebäugelt mit Spionagedrohnen über Nord- und Ostsee).

EU-Grenzschutzagentur wird privilegierter Teilhaber

Zu den weiteren Partnern von CLOSEYE gehören die italienische Weltraumagentur und ein entsprechendes Forschungszentrum Italiens sowie Rüstungsberater der im spanischen Staatsbesitz befindlichen Firma ISDEFE. Seitens der Europäischen Union sind die EU-Kommission sowie das EU-Satellitenzentrum SatCen beteiligt. Das SatCen wurde im spanischen Torrejón errichtet und verarbeitet Aufklärungsdaten von optischen und Radarsatelliten. Analysierte Bilder übermittelt das Zentrum an den zivil-militärischen Auswärtigen Dienst, das geheimdienstliche EU-Lagezentrum in Brüssel oder die Grenzschutzagentur FRONTEX.

Die dreijährigen Forschungen von CLOSEYE dienen dem Ausbau des neuen Grenzüberwachungssystems EUROSUR, das dieses Jahr in einigen EU-Mitgliedstaaten in Betrieb gehen soll. FRONTEX wird dann zum Hauptquartier für die Analyse von Aufklärungsdaten, die von Anrainern des Mittelmeers gesammelt werden. EUROSUR wird in den nächsten Jahren schrittweise erweitert, indem die bestehenden Überwachungssysteme des Schwarzen Meers und der Ostsee eingebunden werden. Dann wird auch die Bundespolizei direkter Teilnehmer von EUROSUR. Später sollen auch die Landgrenzen der EU hinzukommen.

Laut der Projekt-Webseite von CLOSEYE gilt FRONTEX als wichtiger externer Teilhaber und darf sogar im Management mitarbeiten. Zwar hat die EU-Agentur nur eine beratende Rolle. Die Experimente mit Drohnen oder Heißluftballons werden aber in derzeit laufenden FRONTEX-Operationen im Mittelmeer eingebunden, um den Nutzen der Technik zu bewerten. Umgekehrt soll in einer späteren Phase dort eingesetzte Technologie von FRONTEX genutzt werden, um die Integration von CLOSEYE in vorhandene Kapazitäten unter Beweis zu stellen.

Polizeibehörden wollen gebrauchte Militärdrohnen kaufen

Mit den beschriebenen EU-Projekten CLOSEYE und DeSIRE geht die Einführung von Drohnen für (grenz-)polizeiliche Zwecke in eine neue Runde. Längst geben sich Polizisten nicht mehr mit kleinen fliegenden Kameras zufrieden. DeSIRE entwickelt deshalb eine verbesserte Navigation und Ausweichverfahren, damit die Drohnen auch von zivilen Flughäfen starten können. Für eine polizeiliche Nutzung wäre dies Voraussetzung (EU will zivilen Luftraum für schwere Drohnen öffnen). CLOSEYE ist hingegen ausschließlich auf Überwachung und den Verbund mit Satellitenaufklärung bzw. anderen Sensoren ausgerichtet.

Die von der EU finanzierten Forschungen dienen also nicht nur der technischen Aufrüstung, sondern sollen die luftfahrtrechtliche Zulassung der großen Drohnen erleichtern. Weil Testflüge über Land mit umständlichen Genehmigungsverfahren eingefädelt werden müssen, wird das Mittelmeer nun zum Testgebiet für entsprechende Projekte der EU-Mitgliedstaaten. Dies käme auch deutschen Militärs zugute, die vor der Bundestagswahl nur ungern über die geplante Beschaffung großer Kampf- und Spionagedrohnen und überteuerte Zulassungsverfahren sprechen.

Die polizeilichen Probeflüge militärischer Drohnen des Typs Predator oder Heron haben aber noch einen weiteren Hintergrund. Ein führender australischer Polizist hatte kürzlich erklärt, dass die zivilen Sicherheitsbehörden vom Rückzug westlicher Militärs aus Afghanistan besonders profitieren könnten: Denn dadurch gebe es für Hunderte von Drohnen keine Verwendung, der Markt für gebrauchte Flugroboter würde mit billigen, gebrauchten Geräten geradezu überschwemmt.

Laut dem Chef der Guardia Civil soll CLOSEYE nicht nur "Spanier und Europäer schützen", sondern auch Flüchtlingen auf dem Meer helfen. Das muss bei den Betroffenen wie Hohn klingen: Denn es geht um die See östlich von Gibraltar, in der die polizeiliche Abwehr unerwünschter Migration brutale Züge angenommen hat. Vor wenigen Monaten hatte die Guardia Civil dort ein Boot mehrmals absichtlich überfahren (Video). Mehrere Flüchtlinge, darunter auch Minderjährige, wurden dabei getötet oder verletzt.