Ungeliebte Informationsfreiheit

Seit über zehn Jahren wird in unserem Land über die Informationsfreiheit diskutiert. Doch es gibt sie noch immer nicht in allen Bundesländern

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Parteien fordern die Informationsfreiheit besonders gerne, wenn sie in Opposition sind. Mit der Umsetzung als Regierungspartei ist das so eine Sache (Gut Ding will Weile haben).

Auch im grün-roten Baden-Würrtemberg noch immer kein IFG

Zum Beispiel in Baden-Württemberg. Dort haben Grüne und SPD in früheren Jahren immer wieder ein Informationsfreiheitsgesetz für ihr Land gefordert. Es stand im Wahlprogramm und es steht auch im grün-roten Koalitionsvertrag. Dort heißt es auf Seite 78:

In einem umfassenden Informationsfreiheitsgesetz werden wir gesetzliche Regelungen treffen, damit Bürgerinnen und Bürger unter Beachtung des Datenschutzes grundsätzlich freien Zugang zu den bei den öffentlichen Verwaltungen vorhandenen Informationen haben. Wir werden unser Regierungshandeln daran orientieren, die zugrunde liegenden Daten und Dokumente weitestmöglich öffentlich zugänglich zu machen. Hier orientieren wir uns am Grundsatz "Open Data".

So weit, so schön. Der Koalitionsvertrag wurde bereits am 27. April 2011 veröffentlicht, also vor gut zwei Jahren. Geschehen ist seitdem, zumindest seitens der grün-roten Koalition bezüglich eines IFG eher wenig. Dabei hatten die Grünen im Landtag Baden-Württemberg bereits sechs Jahre zuvor, nämlich 2005, einen Antrag für ein IFG eingebracht.

Angesichts der bisherigen Untätigkeit der rot-grünen Landesregierung nutzte die FDP im Landtag von Baden-Württemberg die Gelegenheit, um selbst einen Antrag auf ein Landes-IFG einzubringen. Verbunden mit einer Anhörung im Landtag und dem damit einhergehenden Pressewirbel. Besonders glaubwürdig ist das nicht, denn schließlich hat die FDP in den Jahren zuvor als Regierungspartei ein IFG fürs Ländle nie umgesetzt und entsprechende Anträge der SPD und Grünen stets abgelehnt.

Nun soll sich alles ändern. Auf Fragen von Telepolis teilte Regierungssprecher Rudi Hoogvliet mit, das Informationsfreiheitsgesetz fürs Ländle gäbe es zwar noch nicht, aber es "sei in Arbeit" und "soll noch dieses Jahr ins Parlament eingebracht und beschlossen werden".

Doch das stößt nicht nur auf Zuspruch. In der Landtagsanhörung zum IFG-Gesetzentwurf der FDP äußerte sich der Gemeindetag Baden-Württemberg, der kommunale Landesverband kreisangehöriger Städte- und Gemeinden. Deren Präsident, Roger Kehle, möchte nach wie vor kein IFG. Er meint, die Bürger hätten bereits genügend Einblicksmöglichkeiten in die kommunale Verwaltung. Kehle: "Wir sind von dem Mehrwert eines solchen Gesetzes nicht überzeugt." Die Kommunalverwaltungen, so Kehle weiter, nutzen "zunehmend ihre Internetangebote, um Bürgerinnen und Bürger umfassende Informationen und Auskünfte zu erteilen". Außerdem sei die Akteneinsicht der Bürger mit "erheblichem zusätzlichen bürokratischen Aufwand" verbunden. Roger Kehle (CDU) ist Bürgermeister der Kleinstadt Wernau, (12.583 Einwohner) und veröffentlicht auf seiner Internetseite den Haushaltsplan der Gemeinde, weitere Dokumente waren zumindest bei einfacher Suche nicht zu finden.

Weißwurst, Laptop, aber kein IFG

Auch in Bayern regiert die FDP im Lande mit. Wie in Baden-Württemberg hat sie auch dort in Wahlkampfzeiten ein Landes-IFG für den Freistaat gefordert, nur mit der Umsetzung in den letzten fünf Jahren klappt es nicht so. Aber das lag angeblich am Koalitionspartner CSU. Auf Fragen von Telepolis teilte Dr. Andreas Fischer, MdL mit:

Die FDP-Fraktion im Bayerischen Landtag spricht sich grundsätzlich für die Einführung eines Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) aus, denn es handelt sich um eine alte bürgerrechtliche Forderung, die zu einem Mehrgewinn an Demokratie führt. Bislang scheiterte die Einbringung eines Gesetzesentwurfs jedoch am Widerstand des Koalitionspartners.

Die Einführung eines IFG, sei ihm, so führt Dr. Fischer aus,

als rechtspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im bayerischen Landtag nach wie vor wichtig. Das Auskunftsrecht des mündigen Bürgers ist aus liberaler Sicht stets ein Anliegen, das es zu unterstützen gilt. Ob ein eigener Gesetzesentwurf der FDP-Fraktion eingebracht wird, hängt davon ab, inwieweit Verhandlungen mit dem Koalitionspartner zu einer Einigung führen. Die FDP-Fraktion ist jedenfalls bereit in anderen Politikfeldern Zugeständnisse zu machen, um den Koalitionspartner zur Aufgabe des Widerstands zu bringen.

Kein IFG fürs Sumpfgebiet

Im Freistaat Sachsen sieht es ähnlich aus (Immer mehr Bürger schauen den Bürokraten auf die Finger). Auch dort schafft es der Koalitionspartner FDP offenbar nicht, die ach so störrische CDU von der Notwendigkeit eines Landes-IFG für den Freistaat zu überzeugen. Dabei wäre es sicherlich ein Beitrag dazu, den Sachsen-Sumpf endlich auszutrocknen. Im Koalitionsvertrag heißt es zwar auf Seite 52 unter der Überschrift "Bürgernahe Verwaltung":

Die Verwaltung ist für den Bürger da. Transparenz und Bürgernähe der sächsischen Verwaltung sind Prinzipien, denen wir uns in besonderem Maße verpflichtet fühlen. Dabei wollen wir den Bürger stärker in die Entscheidungsfindung einbeziehen.

Aber ein Informationsfreiheitsgesetz ist nach wie vor nicht geplant. Mehrfach haben Grüne und SPD und Linke ein Landes-IFG für Sachsen gefordert. Nun starten die Grünen im sächsischen Landtag einen weiteren Versuch, im Rahmen der ohnehin laufenden Verfassungsdiskussion, ein Landes-IFG in der Verfassung zu verankern. Dies teilte die Fraktionspressestelle der Grünen im Landtag mit.

Auch in Hessen hält der Kampf um die Akteneinsicht weiter an. Dort legen SPD und Grüne seit Jahren immer wieder eigene Entwürfe für ein Informationsfreiheitsgesetz vor. Auch die Linke im Hessischen Landtag setzt sich dafür ein. Doch auch hier wollen CDU und FDP keine Akteneinsicht der Bürger.

Ebenso geht es den Niedersachsen, die nach ihrer Regierung nach wie vor nicht in die Akten schauen sollen. Wie in Hessen haben auch dort SPD und Grüne versäumt, zu ihren Regierungszeiten für ein Informationsfreiheitsgesetz zu sorgen.

Ein Beispiel, wie sich Bundes- und Landes-IFG in Kombination für Transparenz einsetzen lassen, zeigte die Telepolis-Recherche zum unermütlichen Einsatz des damaligen Landesfinanzministers Peer Steinbrück für die Beibehaltung der Trinkgeldbesteuerung. So mochte Steinbrücks amtierender Nachfolger im Amt des NRW-Finanzministers bestimmte Korrespondenzen Steinbrücks mit dem damaligen Staatsminister beim Bundeskanzler, Hans Martin Bury, nicht herausgeben - mit der angesichts des Zeitverlaufs bemerkenswerten Begründung, dieses Schreiben (immerhin vom 20. Juli 2002), dürfe nach wie vor nicht veröffentlicht werden, weil "sich der Inhalt auf den Prozess der Willensbildung von und zwischen öffentlichen Stellen bezieht".

Das sah nicht nur der NRW- Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit anders. Er meinte, der Prozess der Willensbildung sei irgendwann abgeschlossen und dann müssten solche Korrespondenzen der Informationsfreiheit unterliegen. Er forderte eine Stellungnahme des Landesfinanzministeriums zu seiner Entscheidung.

Doch darauf musste der Telepolis-Autor gar nicht mehr warten, denn auch im Bundeskanzleramt sah man über zehn Jahre nach Abschluss des damaligen Gesetzesvorhabens keinen Grund mehr, das Schreiben Steinbrücks an Bury unter Verschluss zu halten und schickte es dem Autor sofort zu – auf der Grundlage des Bundes-IFG. Der Inhalt der damaligen Korrespondenz ist nachzulesen: Der Trinkgeldbesteuerer.