Der bayerische Landtag in der Selbstauflösung

Maximilianeum, Bayerischer Landtag. Bild: Guido Radig/CC-BY-SA-3.0

Gespräch mit Pressesprecher Zoran Gojic

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Freitag, 17. Mai 2013. Acht Uhr früh. Anruf im Bayerischen Landtag. Inmitten des wohl größten Skandals um einen deutschen Landtag erklärt ein Herr in der Telefonzentrale, alle Abgeordneten würden ab heute nicht mehr im Landtag sein. Als ich nachfragen will, legt er auf. Ist der Landtag aufgelöst?

Weitere Anrufe im Büro der Parlamentspräsidentin Barbara Stamm ergeben nach Auskunft ihrer Sekretärin, Frau Lindner, dass weder Frau Stamm noch ihre Mitarbeiter mehr zu erreichen sind. Man soll sich doch an die Pressestelle wenden. Anruf bei Frau Jehle in der Pressestelle: Sie könne und dürfe nichts sagen. Ich solle mit dem stellvertretenden Pressesprecher des Parlaments, Herrn Zoran Gojic sprechen. Sie stellt mich auf sein Handy und er hebt ab: "In zehn Minuten bin ich im Büro", erklärt er mir um 8 Uhr 14. 8 Uhr 24 rufe ich seine Nummer 089 4126 2341 an. Anrufbeantworter. Ich werde es nun alle fünf Minuten probieren.

Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom heutigen Tag hat Frau Stamm eine Informationssperre verhängen lassen. Diese scheint allerdings gar nicht nötig zu sein, wenn es stimmt, dass nicht nur die CSU-Fraktion, sondern auch die anderen Fraktionen ab heute untergetaucht sind.

Der Grund könnte folgender sein: Nachdem im Jahre 1999 Bayern als letztes Bundesland ein Verbot der Beschäftigung enger Familienangehöriger bei Landtagsabgeordneten diskutierte, das dann 2000 mit einer Ausnahmeregelung für "Altfälle" beschlossen wurde, haben schnell noch 34 Abgeordnete Familienangehörige eingestellt.

Dieser paradoxe Mitnahmeeffekt könnte das nun beschlossene "bundesweit strengste" Gesetz zur Beschäftigung von Familienangehörigen zu einer Farce machen. Welchen Sinn sollen Gesetze eines Landtages haben, wenn bereits bestehende Gesetze nicht nur missachtet, sondern in ihr Gegenteil verkehrt werden?

8 Uhr 32. Anrufbeantworter. 8.37 Gojic ist dran.

Guten Morgen, hier ist Alexander Dill von Telepolis. Herr Gojic, ich kann mir vorstellen, dass Sie sehr viel um die Ohren haben.

Zoran Gojic: Ja.

Ich habe heute Morgen schon mal in der Zentrale des Landtages angerufen und dort hat mir ein Herr gesagt, der Landtag habe sich aufgelöst.

Zoran Gojic: Das ist falsch.

….und aufgelegt danach. Das ist natürlich abenteuerlich.

Zoran Gojic: Der Landtag hat sich nicht aufgelöst.

Erste Frage zur Informationssperre. Ich habe versucht, im Büro von Frau Stamm anzurufen und das Büro von Frau Stamm hat gesagt, dass sie überhaupt keine Auskunft mehr geben.

Zoran Gojic: Dafür ist die Pressestelle da.

Gut. Das heißt: Sind Sie jetzt derjenige, den man überhaupt noch ansprechen darf?

Zoran Gojic: Ansprechen können Sie mich immer.

Aber Sie dürfen auch nicht antworten?

Zoran Gojic: Welche Frage haben Sie denn?

Ich kann mich jetzt zunächst nur darauf beziehen, was die Süddeutsche Zeitung berichtet hat, die allerdings berichtet hat, dass sie auch keine Auskunft mehr bekommt.

Zoran Gojic: So ist es. In bestimmten Fragen.

Ich habe eine ganz banale Frage: Stimmt es, dass alle Abgeordneten, auch die der Opposition, ab heute in den Urlaub gehen? Ist das richtig?

Zoran Gojic: Das ist nicht richtig. Die nächsten zwei Wochen sind eine sogenannte sitzungsfreie Zeit. Das gibt es im Laufe des Jahres öfter. Die ist vorgesehen für die Stimmkreisarbeit der Abgeordneten vor Ort. Es gibt auch verschiedene Abgeordnete, die noch im Haus tätig sind, etwa in den Untersuchungsausschüssen.

Ich habe hier folgende Zahlen: Es soll wohl so sein, dass alleine zwischen 1999 und 2000 die Zahl der Abgeordneten, die Familienangehörige beschäftigen, um 34 zugenommen hat.

Zoran Gojic: Ja

Ist das richtig?

Zoran Gojic: Die Abendzeitung hat eine Anfrage gestellt. Landtagspräsidentin Barbara Stamm hat 79 sogenannte Altfälle seit 2000 bestätigt. Die Abendzeitung hat die Zahlen von 1999 recherchiert und 45 genannt. Nun geht es um die Differenz.

Das will ich gar nicht wissen. Ich will nur wissen, ob die Zahl stimmt.

Zoran Gojic: Was ich bestätigen kann, ist, dass es 79 Altfälle gibt. Dazu gibt es auch eine Pressemitteilung, in der die Namen genannt wurden.

Es ist doch aber so, dass 1999 nur 45 Abgeordnete Familienangehörige beschäftigten.

Zoran Gojic: Das ist ja Teil der Anfrage - das muss man im Einzelfall überprüfen.

Warum nimmt der Landtag zu diesen Zahlen nicht sofort Stellung?

Zoran Gojic: Das ist eine Entscheidung der Landtagspräsidentin, weil es nicht sofort geht. Das muss in jedem Einzelfall gründlich überprüft werden.

Die Landtagspräsidentin ist aber nicht erreichbar und verweist auf Sie.

Zoran Gojic: Die Landtagspräsidentin führt im Moment sehr viele intensive Gespräche und lässt recherchieren. Bevor es keine neuen Erkenntnisse gibt, kann der Landtag auch nichts dazu sagen.

Haben Sie recht herzlichen Dank, Herr Gojic.