Öko ist Deko

Betrug und Selbstbetrug als Grundprobleme des grünen Wirtschaftens

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Unter dem Label "Bio" wird betrogen, dass sich die Balken biegen. Das ist keine furchtbar neue Erkenntnis und erfährt durch die aktuellen Vorgänge in Italien nur eine weitere Bestätigung. Dort ist eine emsige Mafia ganz groß in das Geschäft mit dem Bio-Etikettenschwindel eingestiegen; dabei geht es offensichtlich um hunderttausende Tonnen angeblicher Biowaren, von denen, so die italienische Polizei, auch erkleckliche Anteile ihren Weg nach Deutschland und also in den boomenden Biohandel hierzulande gefunden haben. Bei den regelmäßig auffliegenden Bioskandalen stellt sich aber doch die Frage, ob es eine grüne (Land-)Wirtschaft ohne Betrug überhaupt geben kann.

Ich möcht heute Abend sprechen über Humanismus. Es is, glaub ich, uns klar, was Humanismus is, des brauch ma ned groß erklärn - Humanismus für uns bedeutet: Schon schaun was geht, aber nicht ganz so. Humanismus ist zum Beispiel Rucola, Zanderfilet auf Rucola, ein Glas Pinot Grigio vom Bio-Bauern - a kloaner Geländewagen, muss ka großer sein (…) Humanismus - beruflich über Leichen gehen, aber mit Bioresonanz.

So der österreichische Kabarettist Josef Hader, den live oder auf Youtube anzuschauen ich ausdrücklich empfehlen möchte.

Empfehlen möchte ich auch, sich zwei besonders schöne Beispiele für den anhaltenden Bioboom vor Augen zu halten. Das eine betrifft die gute alte US Navy. Die US Navy möchte bis 2020 die Hälfte ihres Treibstoffbedarfs aus sogenannten erneuerbaren Energiequellen decken und hat zur Dokumentation der Machbarkeit jüngst den nuklear getriebenen Flugzeugträger Nimitz von Zerstörern begleiten lassen, die mit Biosprit liefen, während auf dem Flugdeck der Nimitz Flugzeuge landeten und starteten, deren Tanks mit einer Mischung aus Algen und benutztem Frittieröl gefüllt waren. Name der Veranstaltung: The Great Green Fleet.

Nun will ich nicht die erheblichen Beiträge der US Navy zur seinerzeitigen Überwindung Hitlers oder die zur aktuellen Bekämpfung islamistischer Menschenfeinde kleinreden, gleichwohl ist die US Navy nach wie vor einer der machtvollsten bewaffneten Arme des Kapitalismus, und ein nuklear betriebener Flugzeugträger, der ein wenig von Biosprit umdünstet wird, gibt natürlich an und für sich schon eine ganz fabelhaftes und lehrreiches Bild ab. Immerhin war der US-Marineminister ehrlich, als er sich mit dem Magazin Fortune über die Show unterhielt: "Hier geht's nicht darum grün zu sein. Es geht um die nationale Sicherheit."

Womit er meinte, dass die Navy bei steigenden Ölpreisen früher oder später weniger Schiffe und Flugzeuge an den Start bringen kann. Und wenn die US Navy überall da sein will, wo sie ihren Herren und Meistern zufolge zu sein hat, tankt sie auch Frittieröl und Algen. So einfach ist das.

Kokain, echt Bio

Fast noch lustiger ist die Geschichte, die der taz-Autor Deniz Yücel neulich aus Berlin zu erzählen hatte. Gebe es da doch, so Yücel, mittlerweile Kokaindealer, die ihre Ware als "Biokoks", und dazu noch aus fairem Anbau anböten. Die Geschichte, direkt von der Front, auf Augenhöhe mit den gewissenhaften Kokslieferanten geschrieben, kolportiert auch die kritischen Fragen des Journalisten und die ausweichenden Antworten des Dealers. Natürlich könne man nicht wirklich sagen, dass das echt "Bio" sei.

Immerhin würden zur Herstellung meistens so unschöne Chemikalien wie Schwefelsäure, Kerosin und Kaliumpermanganat benützt. Aber es gebe "biologische" Alternativen, und die würden bei der Biokokerei zur Erstellung von Biokoks wahrscheinlich genützt. Und fair sei's auch, weil: unter Umgehung der Zwischenhändler und der Drogenmafia gehandelt. Echt ehrlich sauber, das Ganze. Und daher halt auch ein bisschen teurer.

Der Witz an dieser Geschichte ist natürlich nicht, dass sie vielleicht nicht wahr ist, sondern dass es gute Gründe gibt, sie für wahr zu halten. Dass das Greenwashing, wie man die ökologische Umdekorierung althergebrachter Wirtschaftszweige nennt, auch bei der Schattenwirtschaft ankommen würde (was ist noch mal der prinzipielle Unterschied zur ehrbaren, normalen Wirtschaft?), war ja nur eine Frage der Zeit. Denn, wie der ökologisch orientierte Drogendealer zu Deniz Yücel meinte: Wo Nachfrage, da Angebot. Echte Marktwirtschaft eben.

Zwillingsschwestern

Und die hat's mit der Ökologie wie mit einer jüngst entdeckten Zwillingsschwester. Alles muss grün werden, grün und fair, und je grüner und fairer es wird, je reiner sich das Gewissen der Konsumenten geben kann, desto mehr gerät aus dem Blick, dass es hier ein grundsätzliches Problem gibt. Kapitalismus und Marktwirtschaft, die wahren Zwillingsgeschwister, um die es hier geht, werden nicht "ökologisch", "bio", "nachhaltig", "fair", oder wie man den Mummenschanz sonst noch nennen will. Weil's gar nicht geht.

Vereinfacht gesagt, besteht das zentrale Anliegen des Kapitalismus darin, mit immer besserer Arbeitsorganisation, durch den Einsatz immer ausgefeilterer Maschinen, immer mehr Arbeitskraft insgesamt, aber immer weniger pro Produkt abzuschöpfen, und so wenig an Lohn wie irgend machbar für diese Arbeitskraft zu bezahlen, um bei immer höherem Verbrauch von Rohstoffen immer günstiger immer mehr Produkte nicht nur herstellen und vermarkten zu können. Dieser Prozess wird am Leben erhalten und beschleunigt dadurch, dass der Markt nicht unendlich ist, die Kapitalisten also untereinander um seine Beherrschung konkurrieren; in diesem Konkurrenzkampf gibt es Sieger und Verlierer ("Je ein Kapitalist schlägt viele tot", schrieb Marx) und wer verliert, dessen Marktanteile werden von den Überlebenden aufgesaugt.

Eine bestechend einfache, wie geschmiert funktionierende Maschine, die für so unterschiedliche Dinge verantwortlich ist wie Lohndumping, Schichtarbeit, Globalisierung, Kolonialismus und Imperialismus (historisch wie aktuell), Werbung als Journalismus und andersherum, den Papiermüll in unseren Briefkästen und den Spam in unseren Mailboxen, geplanten Verschleiß bei den Produkten, die wir benutzen, technologische Innovation als Leistungssport, und, und, und.

Der Kapitalismus ist für vieles verantwortlich; neben Mord und Totschlag sind darunter auch sehr schöne und spannende Dinge, wie San Francisco und das iPad, oder die Tendenz zur Auflösung traditioneller Zwangskollektive (Staat und Nation, Familie und Patriarchat). Prinzipiell aber ist der Kapitalismus nicht für Ökologie und Fairness verantwortlich. Der Zwang zur Enteignung der eigentlichen Warenproduzenten durch das Lohnsystem und zur Produktion von immer mehr Waren, ergo dem Verbrauch von immer mehr Rohstoffen, macht das unmöglich.

Ein ökologischer und fairer Kapitalismus könnte also keiner sein.

Ein Kapitalist, der die Ökologie ernst nimmt, also seine Produktivität absichtlich senkt und seine Produkte durch höhere Rohstoffkosten verteuert, kann in der Konkurrenz mit anderen Kapitalisten, die ähnliche Produkte herstellen, nur auf zwei Weisen bestehen. Entweder durch Selbstausbeutung oder indem er für seine Waren auf dem Markt einen höheren als den im Vergleich üblichen Preis erzielen kann, und genau das ist der Zweck der Propaganda vom intrinsisch höheren Wert grüner Waren. Der höhere Preis stellt sich aus diesem Blickwinkel als die Notwehr des ehrlichen Öko-Kapitalisten dar, der dem gnadenlosen Konkurrenzkampf auf dem Markt die Bereitschaft seiner Kunden entgegenhalten will, marktunübliche Preise zu bezahlen.

Der Ökoaufschlag und der Selbstbetrug

In der gesellschaftlichen Realität ist der Ökoaufschlag allerdings das Hauptvehikel eines groß angelegten gesellschaftlichen Selbstbetrugs, weil es eine reine Glaubensfrage ist, ob die Ökologie bei der Produktion und die Fairness bei der Logistik wirklich stattgefunden hat; das ist bei Biorüben nicht anders als beim Biokoks. Dass der fromme Wunsch in starkem Kontrast zu einer ernüchternden Realität der allgegenwärtigen Ökoschwindelei steht, ist nicht verwunderlich, weil so schönes, so leicht verdientes Geld drin steckt.

Verwunderlich ist nur, dass das Publikum mit einer masochistischen Beharrlichkeit an den einfach zu verstehenden und gut dokumentierten Tatsachen über den Kapitalismus im Allgemeinen und den Öko-Kapitalismus im Besonderen vorbeischaut; verwunderlich ist, dass die Glaubensfrage so oft mit "ja" beantwortet wird. Das passende Glaubensbekenntnis lautet: "Ja, wir glauben, dass der Kapitalismus ökologisch und fair werden kann, und ja, er ist bereits auf dem besten Weg dazu."

Der Kapitalismus ist ein Gewaltverhältnis - oder ein Bündel aus Gewaltverhältnissen - das seiner selbst nicht bewusst werden darf. Wie ein Schlafwandler gerät er in Gefahr zu stolpern, wenn er aufwacht. Daher seine Liebe zur Ideologie, dem notwendig falschen Bewusstsein als dem Traum des beweglichen, des handelnden Schläfers. Die Religion als Seufzer der bedrängten Kreatur ist dort wie eh und je aktuell, wo die Bedrängnis unmittelbar existenzielle Ausmaße erreicht. Nirgendwo wird inbrünstiger geglaubt als dort, wo eine Hoffnung auf reale Besserung nicht in Sicht ist.

Das Gewissen...

In den gemäßigten Breitengraden des Kapitalismus geht die Bedrängnis für die Schlafwandler auch von deren eigenem Gewissen aus: Ahnungen zur prinzipiellen Gewaltförmigkeit des Kapitalismus treffen auf die Hoffnung, durch richtige Dressur sei er, und also auch man selbst, zu zähmen. Das Christentum, jene jahrtausendealte Einübung in falsche Hoffnungen, überwacht so noch seine eigene Ablösung als Wächter an der Grenze zum Erwachen durch neue falsche Hoffnungen, und die aktuell wichtigste davon ist der Ökologismus.

Wie die Religion darf er durch und durch falsch und verlogen sein, wenn nur die Hoffnung bleibt; das erspart die Abschaffung des zugrundeliegenden Gewaltverhältnisses, und dieser Spareffekt, der die Nichtabschaffung des Gewaltverhältnisses zur Natur einschließt, ist der Hauptzweck der Übung.

Ökologismus und Christentum mögen, oberflächlich gesehen, inhaltlich nicht viel miteinander zu tun haben, aber ihre funktionale Konvergenz erzeugt eine so große Nähe, dass die christlichen von den ökologischen Isotopen der Double-Use-Phrasen nicht einmal mehr durch Uranzentrifugen voneinander getrennt werden könnten - man denke nur an jene von der "Bewahrung der Schöpfung". Der Protestantismus als das ehrliche, folgenlose Leiden an der Wirklichkeit liebt diese Phrasen ohne jede Besinnung.

Vier Erscheinungsformen der Ökologie

Nach Lage der Dinge und nach den Erfahrungen, die man in den letzten Jahrzehnten mit dem Ökologismus und seinen politischen Sprachrohren gemacht hat - wie zum Beispiel den Grünen - kann mit abschließender Sicherheit gesagt werden, dass es Ökologie unter den herrschenden kapitalistischen Verhältnissen in insgesamt vier Formen gibt.

Einmal als blanken Betrug. Dann als Ideologie, mit allen unangenehmen Eigenschaften, die Glaubenssysteme so mit sich bringen, wobei vor allem die Tatsachenresistenz ins Gewicht fällt. Drittens als Selbstwiderspruch, nämlich als Innovations- und Marketingreserve, die im Idealfall sowohl grüne Kosmetik erlaubt als auch "Standortvorteile" bringt, Einsparpotenziale realisiert und letztendlich den kapitalistischen Wettbewerb bedient, was über kurz oder lang zu noch mehr Ressourcenverbrauch führt - analog zu dem Algen- und Speiseölsud, der die Zerstörer der US-Navy antreiben wird, damit sie nicht auf die Schiffe verzichten muss, die sie nun einmal braucht.

Die vierte Form, in der der Ökologismus vorkommt, ist die Ausnahme, die die Regel bestätigt; der Müslifresser als Witzfigur, der seine Genussfähigkeit und seine Bedürfnisse so weit heruntergeschraubt hat, dass ihm Regenwasser aus der hohlen Hand als Getränk reicht - immer wieder gern in der Boulevardpresse von Spiegel bis Bild als abschreckendes Beispiel dafür vorgeführt, dass es zum Lebensstil des ordentlichen Deutschen, der mit Weleda der "Naturkosmetik" frönt und Bionade trinkt, eigentlich keine vernünftige Alternative gibt.

Dass diese vier Erscheinungsformen der Ökologie im Kapitalismus den Erscheinungsformen der Religion so ähnlich sehen, ist ebenso ein wenig ein Zufall wie die oben bereits erwähnte Nähe der ökologischen zu den christlichen Phrasen. Oben habe ich die Nähe zwischen dem Protestantismus und dem Ökologismus skizziert; wie es sich für einen richtigen Proporz aber gehört, hat diese Nähe auch einen katholischen Aspekt: die Spendengelder, die die verschiedenen Öko-Organisationen eintreiben, sind eine moderne Form des Ablasshandels, die vor allem zum Zweck hat, dass alles bleiben kann wie es ist, weil die vermutete Rechnung (und die sehr reale Schuld) bereits beglichen ist.

Esoterik und Anthroposophie

Wie sehr profitiert dieses Gebräu an Ideologemen von der öffentlichen Kritikunfähigkeit, der Blödheit der Medien, der Universitäten, der Parlamente und Parteien, also dem, was man so gern als "Zivilgesellschaft" bezeichnet? Dass der zeitgenössische Ökologismus nur ein teilrationalisiertes Revival ist, in dem die Farce der Lebensreformbewegung aus dem 19. und beginnenden 20. Jahrhundert wiederkehrt, bleibt dem Publikum natürlich verborgen; so reproduziert sich der Verblendungszusammenhang, mit dem sich der Kapitalismus beim Thema Ökologie umgibt, sogar bei der historischen (Nicht-)Betrachtung.

Der ökologisch orientierte, aufgeklärte, ahnungslose Citoyen merkt davon nichts, selbst wenn keine fünfzig Meter von seinem Lieblings-Bio-Supermarkt entfernt das Reformhaus die reifere Kundschaft mit dem gleichen, wenn auch noch angestaubteren Gedankenmüsli im Kopf bedient.

Die Rede war von dem quasinatürlichen, beiderseits ebenso unfruchtbaren wie beliebten Bündnis zwischen Ökologismus und offiziellem Christentum. Wie der Kapitalismus immer den Faschismus in petto hat, also das Durchdrehen des falschen Selbstbewusstseins hin zur Raserei, so gibt es auch für den Ökologismus immer die Möglichkeit, rationale und humane Rudimente mit einem Ruck abzuwerfen, und unmittelbar in den Wahn hineinzukobolzen, der ihm nie allzu fern liegt.

Das Reservoir, das diesen Wahn immer bereithält, ist das, was Adorno seinerzeit noch den Okkultismus genannt hat und was heute Esoterik heißt. Und als die Speerspitze der Vereinigung von Umweltfrömmelei und esoterischem Irrsinn muss in Deutschland die Anthroposophie gelten.

Die Anthroposophen, über die Peter Bierl auch eine Menge zu sagen hat, betreiben 233 Schulen in Deutschland, sie unterhalten sowohl ideologisch als auch ökonomisch starke Brückenköpfe in der Ökologiebewegung ("Weleda", "Wala", "Demeter") und präsentieren sich insgesamt als eine sanfte Bewegung von Naturfreunden mit leicht schrulligen Ideen zur Architektur.

Dann schlägt man einen der über 300 Bände auf, die die Äußerungen des Bewegungsgründers enthalten, und es hebt einem den Rock. Da werden zur Zeit des vollentwickelten Industriekapitalismus infantile Wirtschaftssysteme entworfen, die einer Agrarkultur aus dem Mittelalter entsprechen, da wird Atlantis für bare Münze genommen, da werden krause Theorien über Botanik geäußert, die jeder wissenschaftlichen Betrachtung Hohn sprechen, da wird eine Physik betrieben, über die Archimedes gelacht hätte, da werden hanebüchene Ernährungslehren formuliert, da wird ekelhafter Rassismus mit wolkig-spirituellem Räucherwerk umgeben.

Die Anthroposophie ist das Musterbeispiel einer Religion, der es hundert Jahre nach ihrer Gründung gelungen ist, die Wahnvorstellungen ihres Gründers komplett in gesellschaftlich akzeptierten Verkleidungen zu verbergen. Mit ihren Wurzeln in der Lebensreformbewegung ist sie Teil einer historischen Traditionslinie, die den Ökologismus bis heute bestimmt.

"Öko ist Deko" heißt in Bezug auf die Anthroposophie, dass der Ökologismus nur allzu oft ein Deckmäntelchen über seiner eigenen Wahnreserve ist, und dass die Anthroposophie mit großem Erfolg die Idee von der Reinhaltung der Umwelt und des Lebens als Deckmäntelchen für Ideologeme benutzt hat und benutzt, wie sie schmutziger nicht sein könnten.

Die Grünen

Und die grüne Partei ist natürlich nicht der einzige, aber der wichtigste politische Kristallisationspunkt all dessen, was den Ökologismus so nützlich für den Kapitalismus und so nutzlos für alles andere macht. Wenn man vom Betrug durch den Ökologismus spricht, dann garantieren die Grünen die Sorte von ökologisch-politischem Betrug, bei dem Wähler betrogen werden wollen. Die Grünen stehen mit ihrer Unterstützung für den ersten bundesdeutschen Angriffskrieg 1999 so sehr für eine grüne Tünche über dem neuesten deutschen Imperialismus, dass man sie glatt als deutsches Analogon zum Ökostreibstoff der US Navy ansehen könnte.

Für das Amalgam aus christlicher und ökologischer Faselei geben im Moment Kathrin Göring Eckhardt und Winfried Kretschmann gute Beispiele ab, wobei Kretschmann mit seinen "ökolibertären" Wurzeln und dem "ökologisch-humanistischen" Unfug, den er und Freunde wie Wolf-Dieter Hasenclever in den Achtzigern verbreitet haben gleichzeitig auf den Einfluss der Anthroposophie bei den Grünen hinweist - allerdings muss zugegeben werden, dass das leuchtendste grüne Beispiel für diesen ideologischen Subtext Otto Schily war.

Zwar wurde der erst als SPD-Mitglied der erste (und hoffentlich letzte) anthroposophische Innenminister der BRD, aber das ging auch nur in einer rot-grünen Bundesregierung, und sein ideologisches Rüstzeug, von der Liebe zum Dalai Lama über die Idee, in einer Hierarchie höherer Wesen aufgehoben zu sein, bis zu seiner Schwäche für christliche Mystikerinnen hatte er sich ja in seiner Zeit bei den Grünen zugemessen (oder wiederangeeignet) und dann in die SPD mitgebracht - einer der speziellsten Spezialdemokraten, die die Spezialdemokratische Partei Deutschlands je in ihren Reihen wusste.

Die aktuellen Champions der ökologisch-esoterischen Sülze bei den Grünen dürften Hiltrud Breyer und Birgitt Bender sein - mit ihrem geschäftstüchtigen Antirationalismus vertreten sie Schily nur allzu würdig. Über die Dummheit und Naivität der Grünen in Bezug auf den Islam oder über ihren sozialpolitischen Opportunismus kann ich hier nicht reden, das würde den Rahmen nun wirklich sprengen.

Die wahre, herkulische Integrationsleistung der Grünen besteht darin, nahezu alle Arten von gesellschaftlich wirksamem Blödsinn unter ihre Fittiche nehmen zu können, selbst wenn verschiedene dieser Blödsinnsarten einander in Teilbereichen widersprechen. Das ist in gewisser Weise faszinierend, wie auch eine bis an den Rand befüllte, seit langem nicht gelehrte Biotonne in gewisser Weise faszinierend ist, wenn man nur eine Nasenklammer mitgebracht hat.

Mit diesem Bild möchte ich zu den Fragen überleiten, wo denn das Positive bleibt, und was man tun kann. Die Arbeit des Kritikers ist die Kritik; im Fall des Ökologismus die Kritik an den falschen Hoffnungen, die er nährt; die Haupttugend des Kritikers ist dabei die Tapferkeit beim Blick in die Biotonne. Der Kritiker betrachtet die Frage "Was tun?" vor allem unter dem Aspekt, dass sie aus einer Zeit stammt, in der das Wünschen noch geholfen hat.

Seiner Grundhaltung gemäß beschäftigt sich der Kritiker ausschließlich mit der Frage, was man nicht tun sollte, und müsste ich aus kritischer Sicht eine Empfehlung formulieren, die nicht nur aber vor allem in der Konfrontation mit dem Ökologismus Bestand haben kann, dann würde sie lauten: Lass dich nicht verarschen. Nicht einmal von dir selbst.

Der Text entstammt einem Vortrag, den Autor Anfang Mai in Stuttgart gehalten hat. Es gibt ihn auch als Audiodatei