Berater der Bundesregierung halten Fracking für überflüssig

Fracking-Schema mit möglichen Gefährdungen. Bild: Mikenorton/CC-BY-SA-3.0

Für den Sachverständigenrat für Umweltfragen leistet Fracking keinen Beitrag zur Energiewende oder zur Versorgungssicherheit

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Bei der Beurteilung des umstrittenen Fracking-Verfahrens zur Förderung von unkonventionellen Gasvorkommen tun sich Gräben auf zwischen Deutschland und Europa. Während die EU in Gestalt des Energiekommissars Günther Oettinger (CDU) gemeinsam mit einigen Unions-Ministerpräsidenten für Fracking ausspricht, ist Bundeskanzlerin Angela Merkel zumindest vor der Bundestagswahl angesichts möglicher Gefahren vorsichtiger, wenngleich sie das Fracking auch nicht komplett ablehnt.

Befürworter des Verfahrens versprechen sinkende Energiepreise. Immerhin, so Oettinger, liege der Gaspreis in den USA dank Fracking nur noch bei 25 Prozent des Gaspreises in Deutschland, so der EU-Kommissar.

Doch die Realität sieht offenbar ganz anders aus, wie jetzt der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), der die Bundesregierung berät, in einer Stellungnahme herausgearbeitet hat. Denn Schätzungen der Bundesanstalt für Geowissenschaft und Rohstoffe (BGR) zufolge gibt es in Deutschland ohnehin nur zwischen 0,7 bis 2,3 Billionen Kubikmeter an förderbaren Schiefergasressourcen. Bei dieser Menge wäre spätestens nach acht bis 27 Jahren der komplette Vorrat aus der Erde geholt. Die Mengen, die in Deutschland theoretisch gefördert werden könnten, so das Fazit des Sachverständigenrates, hätten für Deutschland und Europa kurzfristig nur sehr geringe Auswirkungen auf die Brennstoffpreise, und auch die langfristigen Auswirkungen seien eher ungewiss.

Auch dem Argument, das Fracking-Gas könne einen Beitrag zur Energiewende leisten, widersprechen die Experten deutlich. Denn bis Fracking in Deutschland tatsächlich auch kommerziell starten wird, kann es noch eine Weile dauern - das Gas kommt dann möglicherweise ohnehin zu spät, um die während des Übergangs zu einer Energieversorgung aus Erneuerbaren Energien notwendigen flexiblen Gaskraftwerke zu betreiben. Bereits ab 2030, so der SRU, würde die Erdgasnachfrage in Deutschland nämlich aufgrund der Energiewende sinken, was die Schiefergasförderung überflüssig macht.

Beim Klimaschutz könnte das Schiefergas ohnehin kontraproduktiv wirken. Zwar gilt Gas im Allgemeinen als klimafreundlicher als Kohle und Öl, jedoch fehlen Informationen darüber, wie hoch der CO2-Ausstoß bei der Förderung von Schiefergas insgesamt ist. Außerdem habe sich zwar der Verbrauch von Kohle in den USA durch die dort derzeit geringen Gaspreise verringert. Doch der SRU-Vorsitzende Martin Faulstich gibt zu bedenken, dass die USA dadurch für den Weltmarkt Kohle freisetzt, die jetzt Europa überschwemmt - und damit hierzulande den CO2-Ausstoß in die Höhe treibt. Das Fracking in den USA habe also die Klimabilanz in den Vereinigten Staaten verbessert, in Europa aber zu einer Verschlechterung geführt.

Das bei den Fracking-Befürwortern beliebte Argument, die Schiefergasförderung habe zu einer Reindustrialisierung der USA geführt, bezweifelt der SRU ebenfalls. Tatsächlich ist die Industrieproduktion in den USA seit 2009 um mehr als 30 Prozent angestiegen - eine äußerst beachtliche Entwicklung. Allein auf den Gaspreis könne dies jedoch nicht zurückgeführt werden, meint der SRU. Denn der Gasmarkt mache nur knapp 30 Prozent des US-Energiemarktes aus, zugleich sind die Energiepreise nur für einen Bruchteil der Produktionskosten verantwortlich.

Andere, wesentlich bedeutendere Faktoren blenden die Fracking-Befürworter hingegen gerne aus. Schließlich hat der Dollar seit 2002 gegenüber anderen Handelswährungen im gewichteten Schnitt über 30 Prozent abgewertet, was Importe verteuert und Exporte entsprechend unterstützt hat. Hinzu kommt, dass die US-Regierung zwischen 2009 und 2012 mit einem Konjunkturprogramm über 767 Milliarden Dollar die Wirtschaft in Schwung gehalten hat. Dies muss bei Vergleichen mit der austeritätsorientierten europäischen Politik berücksichtigt werden.

Noch große Wissenslücken

Die Informationslage über die Risiken des Frackings hält der SRU nach wie vor für gering. Viele in den USA gewonnene Erkenntnisse ließen sich nicht eins zu eins auf Deutschland übertragen. Hierzulande gewonnene Daten seien meist nicht frei zugänglich - die Industrie möchte sie lieber für sich behalten. Die Daten, die bei Pilotprojekten erhoben werden, müssten der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden, fordert deshalb Faulstich.

Aufgrund der bestehenden Wissenslücken hält der SRU Fracking zur Schiefergasförderung derzeit für in Deutschland noch nicht kommerziell umsetzbar. Eine rechtliche Möglichkeit, Fracking zu verbieten, sieht Faulstich derzeit jedoch nicht. Wenn die Industrie also trotz der eher trüben wirtschaftlichen Aussichten für die Schiefergasförderung in Deutschland Pilotprojekte umsetzen will, dann muss das auch dem SRU zufolge möglich sein - allerdings nur unter bestimmten Bedingungen. So sollen die Kosten dafür komplett von der Industrie getragen werden, da Fracking eben nicht geeignet sei, einen Beitrag zur Energiewende oder zur Versorgungssicherheit zu leisten. Zudem müsse die Öffentlichkeit beteiligt und vorab Umweltverträglichkeitsprüfungen durchgeführt werden. Bei Probebohrungen ist das in Deutschland bislang nicht notwendig.

Schutz- und prüfwürdige Flächen für den Ausschluss der Fracking-Technik. Bild: SRU

Zudem sollen für Pilotprojekte Mindestanforderungen zum Schutz von Gesundheit, Umwelt und Natur festgelegt werden. Um das Trinkwasser zu schützen, soll Fracking in Wasserschutzgebieten oder Gegenden, die in Zukunft für die Trinkwassergewinnung von Bedeutung sein könnten, verboten werden. Jedes einzelne Projekt soll zudem einer langfristigen Beobachtung unterzogen werden, um mögliche Spätfolgen erkennen und gegebenenfalls eingreifen zu können. Auch sollten die Pilotprojekte so ausgewählt werden, dass sie repräsentative Anwendungsfälle für das Fracking abdecken.

Wenn künftig positive Erkenntnisse aus derart systematischen Pilotprojekten vorliegen, kann Fracking dem SRU zufolge jedoch eine verantwortbare Technik sein.

Wie genau Fracking in Deutschland geregelt wird, wird sich jedoch erst nach der Bundestagswahl im September entscheiden. Trotz des Drucks von Energiekommissar Oettinger wird es jedoch vor der Bundestagstagswahl im Herbst kein Gesetz zum Fracking geben. Offenbar spielt dabei auch die Angst in der CDU eine Rolle, mit dem Thema die eigene, oft dem Fracking gegenüber kritische Wählerschaft zu verstören. Das sehen offenbar auch die Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU) und Horst Seehofer (CSU) so. Auch sie wünschen sich ein Gesetz erst nach dem Herbst. Denn sowohl in Hessen als auch in Bayern stehen in diesem Jahr noch Landtagswahlen an.