Amerikanisch-Arabisches Déjà-vu?

Es spricht einiges dagegen, dass das syrische Regime Chemiewaffen eingesetzt hat

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Für die US-Regierung scheinen im Syrienkonflikt nun die berüchtigten "roten Linien" überschritten worden zu sein. Die syrische Armee habe mehrfach chemische Waffen wie Sarin gegen Rebellen eingesetzt, erklärte der amerikanische stellvertretende Sicherheitsberater Ben Rhodes gegenüber Medienvertretern am Freitag vergangener Woche (US-Regierung: Assad-Regime hat chemische Waffen eingesetzt). In Reaktion auf diese Ergebnisse "intensiver Untersuchungen" der US-Geheimdienste wird Washington dazu übergehen, die Rebellen direkt mit Waffen zu versorgen. Die Rede ist von Kleinwaffen, Munition und Panzerabwehrraketen, die von der CIA an "gemäßigte Rebellen" geliefert werden sollen. Zudem wird in Washington über die Errichtung einer Flugverbotszone zumindest in Teilen Syriens diskutiert.

"Der Präsident hat gesagt, dass der Einsatz von Chemiewaffen sein Kalkül ändern würde, und das ist passiert", erklärte Rhodes unter Verweis auf die berühmte Erklärung Obamas vom Juli 2012, wonach ein Chemiewaffeneinsatz eine "Rote Linie" darstellte, ab der die USA zu einer Intervention in dem seit 2011 tobenden Bürgerkrieg übergehen würden.

Nach Rhodes hätten die US-Geheimdienste mit "hoher Wahrscheinlichkeit" festgestellt, dass die Regimetruppen "chemische Waffen, inklusive des Nervengases Sarin, im geringen Umfang (small scale) gegen die Opposition" eingesetzt haben. Und genau hier fangen die Ungereimtheiten bei dieser westlichen Darstellung - der sich auch Großbritannien und Frankreich anschlossen - der besagten Vorfälle an.

Militärisch unsinnig

Der Einsatz von chemischen Massenvernichtungswaffen in einem "kleinen Ausmaß" macht militärisch überhaupt keinen Sinn. Dies meinte zumindest der renommierte Chemiewaffenexperte Ralf Trapp in einem Gespräch mit der US-amerikanischen Zeitschrift Foreign Policy: "Aus aus einer militärischen Perspektive macht es keinen Sinn, chemische Waffen nur stückweise einzusetzen," sagte Trapp. "Wieso sollte das Regime es nur auf eine Granate hier und auf einen Raketenwerfer dort verwenden? Es ist einfach nicht die Vorgehensweise, die man von einer Militärstreitmacht erwarten würde." Der taktische Zweck von Chemiewaffen bestehe laut Trapp darin, dem Gegner "Massenverluste" zuzufügen. Chemische Kampfstoffe stellen somit regelrechte Genozid-Waffen dar, die nur dann binnen der instrumentellen Rationalität militärischer Auseinandersetzungen zweckdienlich eingesetzt werden können, wenn es um die unterschiedslose Vernichtung von Menschenmassen geht. Deswegen ist ihr Einsatz auch international geächtet. Giftgasangriffe, die ihrer perversen Logik folgen, wurden etwa von dem irakischen Militär 1988 gegen die kurdische Stadt Halabdscha im Nordirak geführt. Bei diesen massenmörderischen, mehrstündigen Angriffen - bei denen Flugzeuge in mehreren Angriffswellen massenhaft chemische Kampfstoffe abwarfen - starben zwischen 3.200 bis 5000 Menschen, nahezu ausschließlich Zivilisten.