"Steht in keinem Verhältnis zum Erfolg"

USA: Verschlüsselte Kommunikation ist auf jeden Fall verdächtig. Das Überwachungsprogramm und Obamas "Culture of secrecy"

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Dokumente, die Glenn Greenwald gestern im Guardian veröffentlichte, veranschaulichen, wie leicht es für die NSA ist, gesetzliche Vorgaben zu umgehen und auch Telefondaten von US-Bürgern zu sammeln und zu speichern. Ohne gerichtliche Ermächtigung. Indessen regt sich unter amerikanischen Abgeordneten Widerstand gegen das Überwachungsprogramm. Argumentiert wird damit, dass die Telefondaten, anders als von Präsident Obama und der NSA-Führung dargestellt, "keine oder nur eine geringfügige Rolle" bei der Vereitelung von terroristischen Anschlagsplänen spielen.

Die Senatoren Mark Udall und Ron Wyden sind Mitglieder des Ausschusses für Geheimdienstfragen. In ihrem Kommentar widersprechen sie der Behauptung der Regierung, Informationen aus der Telefonüberwachung der NSA hätten "in Teilen dazu geführt", dass mehrere Anschläge vereitelt werden konnten. Die Beweise, die sie dafür gesehen hätten, deuteten vielmehr darauf hin, dass die großangelegte Vorratsdatenspeicherung keine entscheidende Rolle gespielt habe. Von "unique value" könne keine Rede sein.

Dem Argument der Geheimdienste, wonach Telefondaten "einige wichtige Informationen in wenigen Terrorismus-Fällen" geliefert hätten, stellen sie die einfache Frage gegenüber, warum diese Informationen nicht via gerichtliche Ermächtigung, wie es das Gesetz verlangt, eingeholt wurde. Es sei nicht einsichtig, warum man bei vorliegendem Verdacht nicht vor Gericht gehe und sich die Daten vom Telefondienstbetreiber mit richterlicher Erlaubnis aushändigen lasse. Was sie zu sehen bekamen, hat die beiden Senatoren offensichtlich davon überzeugt, dass die wichtigen Informationen auch ohne präventive Prism-Datensammlung zu erhalten waren. Die Sammelwut stehe in keinem Verhältnis zum Erfolg, so Udall und Wyden:

Die 5-Jahres-Frist, welche die NSA für die Speicherung der Telefonaufzeichnungen festgesetzt hat, ist länger als die Speicherungsdauer, die bei einigen Telefongesellschaften gebräuchlich ist, aber die NSA hat uns kein einziges Beispiel dafür vorgelegt, wo sie die längere Datenspeicherungsfrist in Anspruch nehmen musste, um Informationen zu sondieren, die der betreffende Telefondienstbetreiber nicht mehr hatte.

Laut Glenn Greenwald, der über Edward Snowden an Dokumente zum Prism-Projekt gelangte und den Skandal ins Rollen brachte, wollen Kongressabgeordnete nun die jüngst veröffentlichten Dokumente offiziell von den US-Behörden ausgehändigt haben, die darlegen, dass die NSA in der Praxis ohne große Schwierigkeiten, auf richterliche Ermächtigungen verzichten kann, wenn sie amerikanische Staatsbürger überwachen will.

Geradezu "unausweichlich", dass inneramerikanische Telefonverbindungen in den Datenbanken der NSA landen

Die Richtlinien, die sich aus den Dokumenten (hier und hier) herauslesen lassen, weisen auf große Lücken. Es sei geradezu "unausweichlich", dass inneramerikanische Telefonverbindungen ebenfalls in den Datenbanken der NSA landen.

Sollten "unabsichtlich" Daten von US-Bürgern aus inländischen Telefonverbindungen gespeichert werden, so können sie beispielsweise aufbewahrt und genutzt werden, wenn sie geheimdienstlich nützliche Informationen enthalten. Für die Auslegung ist da einiges an Gummiformulierungen dabei: "information on criminal activity, threat of harm to people or property". Dazu kommt, dass die Daten auf jeden Fall behalten und beutzt werden dürfen, wenn sie verschlüsselt sind oder irgendeine Information beinhalten, die für die " cybersecurity" wichtig sind.

Und: die Daten dürfen weiter gespeichert und genutzt werden, wenn die NSA nicht herausfinden kann, ob die Person, von der die Daten stammen, amerikanischer Staatsbürger ist. Dann, so Greenwald, sei die Annahme erlaubt, dass sie es nicht ist.

Ständig wachsender Berg an Geheimpapieren

Einmal in der NSA-Datenbank werden die Einträge wohl kaum gelöscht. Wie ausgeprägt die Tendenz zur Abschottung der Behördenarbeit von öffentlicher Aufmerksamkeit ist, zeigt sich auch an kleineren Meldungen. Anders als Obama zu Beginn seiner Präsidentschaft angekündigt hatte, entwickelt sich nicht Transparenz zum Kennzeichen seiner Amtszeit, sondern eine "culture of secrecy", die von der Null-Risiko-Mentalität-Annahme ausgeht.

Das zeigt etwa ein Bericht, der darüber informiert, dass immer mehr Dokumente als geheim eingestuft werden und immer weniger der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Der Berg an Geheimpapieren sei nicht abzubauen, er wachse ständig, so das Nachrichtenbüro McClachy:

Jeden Tag verwenden die Bundesbehörden mehr Zeit, Geld und Mühe darauf, Dokumente für geheim zu erklären als sie für den allgemeinen Zugang zu öffnen.

Obama hatte anderes angekündigt: "Meine Regierung verpflichtet sich dazu, eine niemals zuvor erreichte Ebene an Offenheit der Regierungsarbeit zu schaffen. Offenheit wird unsere Demokratie stärken und die Effizienz vergrößern."

Angst vor Denunzianten und Duckmäusertum

Das sagte Obama 2008, am ersten Tag seiner Amtszeit. Damals war er auch noch angetan von Whistleblowers.

Mittlerweile hat er seinen Kampf gegen mögliche Whistleblowers in Regierungsbehörden über das "Insider Threat Program" derart verschärft, dass die Atmosphäre in den Büros mit Misstrauen, Angst vor Denunzianten und Duckmäusertum angefüllt wird und interne Kritik schwieriger wird - die allerbesten Voraussetzungen für effiziente Regierungsarbeit...