Finanzcrash in China

Bild: Zerohedge

Chinesische Behörden schreiten zwar erfolgreich gegen den chinesischen Schatten-Kreditmarkt ein, aber die Lage der chinesischen Banken ist aktuell mieser als die Situation der westlichen Banken nach der Lehman-Pleite im Jahr 2008

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Nachdem diese Woche bekannt wurde, dass die chinesische Industrie sich laut dem HSBC-Einkaufsmanagerindex im Juni auf den niedrigsten Stand seit einem Dreivierteljahr abgeschwächt hat und der US-Notenbankchef Ben Bernanke zudem deutlich ein Ende der superleichten US-Geldpolitik angekündigt hatte, waren Turbulenzen an den chinesischen Börsen zwar kaum verwunderlich. Dass es aber derart schlimm kommen würde, hatten offenbar aber weder Notenbank noch Regierung vorausgesehen. Allerdings hatten internationale Investoren bereits in der Vorwoche mehr als eine halbe Milliarde Dollar aus China-Fonds abgezogen, was den Aktienmärkten bereits den höchsten Wochenverlust seit vier Monaten eingebracht hatte.

Der neue Premier Li Keqiang bekundete am 19. Juni, "die Spekulationen mit billigem Geld" auszumerzen, und forderte, dass die Banken "die vorhandenen Mittel besser nutzen" müssten. Die Notenbank warnte, ihre Geldpolitik werde "vorsichtig bleiben", und forderte, dass die Großbanken ihre Liquiditätsmanagement verbessern müssten. Sie könnten nicht davon ausgehen, dass "eine expansive Geldpolitik ihre Probleme lösen könne", während China versuche, sich auf "geringere durchschnittliche Wachstumsraten" einzustellen.

Daraufhin gab es an den Märkten kein Halten mehr. So tauchten am Donnerstag Gerüchte auf, wonach die nach Vermögenswerten größte Bank der Welt, die mehrheitlich in Staatsbesitz befindliche Industrial and Commercial Bank of China (ICBC), sowie der ebenso staatliche viertgrößte Kreditgeber der Volksrepublik, die Bank of China, auf dem Weg zur Zahlungsunfähigkeit wären, was an den Märkten zu enormer Panik führte und die Banken umgehend zu scharfen Dementis nötigte.

Währenddessen hatten am chinesischen Interbankenmarkt allerdings Zustände geherrscht, wie sie Europa und die USA bislang nur in der Woche nach der Lehmann-Pleite kennengelernt hatten. So sollen die Overnight-Zinsen vorübergehend auf bis zu 25 Prozent in die Höhe geschossen sein, was sogar noch über den höchsten ausgewiesenen Sätzen an den Ende 2008 vollständig eingefrorenen europäischen Interbankenmärkten lag. Inzwischen gingen die Zinsen zwar wieder auf unter zehn Prozent zurück, das allerdings erst, nachdem die chinesische Notenbank PBoC eingestanden hatte, einzelne Banken mit "außerordentlichen Liquiditätshilfen" versorgt zu haben. Bloomberg will von einer Bank wissen, die eine Geldspritze von 50 Milliarden Yuan (8,2 Milliarden Dollar) erhalten haben soll. Mittlerweile sind die Interbankzinsen zwar wieder erheblich abgefallen, liegen aber quer durch alle Laufzeiten im Schnitt noch immer um rund die Hälfte über den Durchschnittssätzen der letzten Wochen, was wohl umgehend auf die realwirtschaftlichen Kreditvergaben durchschlagen dürfte.

Sollte zutreffen, was Goldman Sachs und der Finanzblog Zerohedge vermuten, dann sind die aktuellen Turbulenzen Folge der Versuche der Notenbank, das chinesische Schatten-Kreditsystem einzudämmen, wobei besonders eine spezielle Art von Finanzgeschäften im Vordergrund steht, die schon länger für Probleme sorgt (Verschollener Stahl in China).

So wurden bislang die in Warenhäusern eingelagerten Vorräte an industriellen Grundstoffen (vor allem Kupfer und Stahl) in hohem Ausmaß als Sicherheiten für Kredite verwendet, wobei dies offenbar mehrfach (Goldman Sachs spricht von im Schnitt acht Durchläufen) möglich war. Dadurch wurde es auch möglich, eigentlich verbotene Spekulationsgeschäfte zu betreiben, die von der hohen Zinsdifferenz zwischen Dollar- und Yuan-Finanzierungen profitierten.

Dies erforderte zwar durchaus komplizierte Konstruktionen mit mehreren in- wie ausländischen Gesellschaften, wurde vom Staat bislang aber zugelassen, weil angenommen wurde, dass diese Transaktionen in unmittelbarem Zusammenhang mit (staatlich erwünschten) Exporten stünden, was freilich nicht der Fall war. Diese anscheinend hochprofitablen Finanztransaktionen führten nämlich zu hohen Devisenflüssen nach China, die die Notenbank wiederum mit Yuan-Käufen neutralisieren musste, um den erwünschten Wechselkurs zu halten.

Seit Anfang Juni müssen die betreffenden Unternehmen nun nachweisen, dass diese Geschäfte tatsächlich realwirtschaftliche Hintergründe haben, ansonsten müssen sie zurückgefahren werden. Das soll nun nicht nur für den jüngsten Einbruch des Kupfer-Weltmarktpreises verantwortlich sein, sondern auch das allgemein verfügbare Kreditvolumen reduzieren, wobei sich vor allem durch derartige Praktiken das in China insgesamt ausstehende Kreditvolumen in weniger als fünf Jahren auf rund 200 Prozent des BIP verdoppelt hat.

Ob die neue Regierung angesichts der absehbaren Turbulenzen nun damit weitermacht, diese staatlich nicht kontrollierten Kreditvergaben zu bekämpfen, bleibt offen. Wie China ohne starke Kreditexpansion auch nur annähernd so stark weiter wachsen soll, wie gehabt, bleibt ebenso offen.