Ex-Justizminister Luc Frieden sagt heute im Luxemburger Bombenleger-Prozess aus

Gericht ließ letzte Woche das Justizministerium durchsuchen

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Vor einigen Wochen zeichnete sich ab, dass das in Luxemburg als "Jahrhundertprozess" bezeichnete Strafverfahren gegen zwei Ex-Polizisten zu einer Staatskrise führt. Als 2006 der heutige Generalstaatsanwalt Robert Biever die Ermittlungen wegen der mysteriösen Bombenserie zwischen 1984 und 1986 wieder aufnahm, erfuhren er und die befasste Untersuchungsrichterin massiven Druck von oben, sich doch lieber anderen Dingen zu widmen. Nachdem nunmehr öffentlich wurde, dass der Geheimdienst SREL an einer Schmutzkampagne gegen Biever gearbeitet hatte, stehen Rücktrittsforderungen gegen den damaligen Justizminister und späteren Polizeiminister Luc Frieden im Raum, der heute Finanzminister und "Kronprinz" des Staatschefs Jean-Claude Juncker ist (Vgl. Watergate in Luxemburg).

Vorletzte Woche erklärte die Staatsanwaltschaft ein mögliches Motiv für die beiden Ex-Polizisten, die seinerzeit der damals neuen Spezialeinheit "Brigade Mobile Gendarmerie (BMG)" angehörten. So soll die von "Superflic" Ben Geiben aufgebaute Einheit in der Zeit vor den Attentaten äußerst schwach ausgestattet gewesen sein und habe sich mit unspektakulären Aufgaben wie Personenschutz abgeben müssen. Für prestigeträchtigen Anti-Terror-Einsätze hatte es in Luxemburg schlichtweg an Terror gefehlt. Anlass für die Vermutung hausgemachten Terrors waren die unübersehbaren Insider-Kenntnisse der unbekannten Täter, die offensichtlich kein ernsthaftes Interesse am vorgeblich verlangten Lösegeld hatten. Selbst eine geheime Tür zu den Kasematten, wo eines der Attentate erfolgte, hatte die BMG gekannt. Allerdings hat die BMG offenbar kaum profitiert, während etwa die NATO durchaus ihre bereits vor den Attentaten angemeldeten Sicherheitswünsche erfüllt bekam. Auch allgemein waren Polizei und Armee Nutznießer der Anschläge.

Nach wie vor rätselhaft sind Anlass und Scheitern der Observierung des ausgeschiedenen BMG-Gründers Ben Geiben während eines Luxemburgaufenthalts. Geibens Nachfolger Pierre Reuland wiederum brachte es im Polizeidienst ganz nach oben, musste jedoch wegen seinem Unwillen, die Bombenlegerermittlungen zu unterstützen, vorzeitig seine Polizeimütze nehmen. Reuland und einige seiner Kollegen waren durch erstaunliche Gedächtnislücken aufgefallen, wollte sich aber zu einer anderen Frage ganz genau erinnern, was die Richterin zu einem sarkastischen "Ha, ha, ha!" provozierte.

Brisant ist der Streit um eine angebliche Zusage der Politik an die Polizei, den Straftatbestand "Strafvereitelung im Amt" durch Zurückhaltung von Informationen zu entschärfen, was schließlich doch nicht erfolgte. Denn um genau eine solche Vertuschung geht es offenbar in der Bombenleger-Affäre. Gegenwärtig lösen die Beteiligten das Problem durch "Amnesie".

Todesdrohung im Mafia-Stil

Eine solche Gedächtnisschwäche wurde offenbar auch vom belgischen Privatdetektiv André Durand gefordert, der offenbar im Auftrag des Luxemburger Geheimdienstes SREL die Ermittler in der Bombenleger-Affäre beschattet hat. Generalstaatsanwalt Biever wirft dem SREL vor, eine Schmutzkampagne gegen ihn vorbereitet zu haben. Detektiv Durand fürchtet aktuell um sein Leben, spätestens seit ihm anonym eine Puppe mit einer Patrone zugesandt wurde. Der Privatermittler im gelegentlichen Staatsdienst nach dem Modell "Werner Mauss" geht aufgrund seiner Aussage von einer geringeren Lebenserwartung als einem halben Jahr aus. Durands angeblicher Auftraggeber, SREL-Schattenmann André Kemmer, litt bei seiner gerichtlichen Vernehmung letzte Woche an Gedächtnislücken.

NATO-Geheimorganisation Stay Behind?

Die Verteidiger der beiden Polizisten haben für die Attentate nach wie vor die bislang namentlich unbekannten Mitglieder des Luxemburger Stay-Behind-Netzwerks "Plan" in Verdacht, die in Abstimmung mit der NATO vom Geheimdienst SREL geführt wurden. In Verdacht geriet auch der vormalige Thronfolger, der an einem der Tatorte gesehen wurde und seinerzeit mit dem Militär zu tun hatte. Der Großherzogliche Hof hat nunmehr angekündigt, dass die Prinzen zur Aussage als Zeugen bereits sind und sich nicht hinter ihren Adelsprivilegien verstecken werden.

Nachdem das Gericht schon vor Monaten die Büros des Geheimdienstes SREL hatte durchsuchen und versiegeln lassen, rückten die Ermittler Ende letzter Woche auch in das Justizministerium ein. "Kronprinz" Luc Frieden ist angezählt, und damit auch sein Ziehvater Jean-Claude Juncker. Um 15 Uhr beginnt die Verhandlung, aus der die beiden Luxemburger Tageszeitungen Tageblatt und Wort live tickern werden.