Mit einer Internetveröffentlichung unterstützt man direkt den Feind

Mit allen Mitteln versucht die Anklage, WikiLeaks-Whistleblower Bradley Manning zu unterstellen, er habe direkt al-Qaida zugearbeitet

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Was Snowden oder Assange blühen würde, wenn sie in die Hände der US-Justiz kämen, haben nicht nur die Haftbedingungen von Bradley Manning deutlich gemacht, sondern zeigt sich nun auch im Prozess vor dem Militärgericht. Mit aller Kraft und mit allen Mitteln wird versucht, Manning als Spion darzustellen, der direkt dem Feind zugearbeitet hat.

So wird nun Manning zu Last gelegt, dass al-Qaida und Bin Laden die auf WikiLeaks veröffentlichten Informationen für eigene Zwecke genutzt hätten. Damit soll belegt werden, dass Manning direkt den Feind unterstützt hat, worauf eine lebenslange Haftstrafe ohne Möglichkeit, vorzeitig entlassen zu werden, steht. Informationen im Internet zu veröffentlichen, bedeute nämlich, diese wissentlich auch dem Feind zur Verfügung zu stellen.

An Absurdität ist diese Argumentation kaum zu überbieten. So müssten auch alle US-Medien, die geheime Informationen enthüllt haben, welche von Bin Laden oder anderen gelesen und verwendet wurden, der Spionage angeklagt werden. Man würde ihnen aber, wenn man keinen rechtlichen Strick drehen will, kaum unterstellen, dass sie damit direkt dem Feind zuarbeiten, was man auch Manning kaum vorwerfen kann.

Die Beschuldigung stützt sich auf Dokumente, die man im Haus von Bin Laden nach dessen Ermordung durch ein US-Spezialkommando 2011 gefunden hat. In einem Brief hatte Bin Laden, der aus Furcht vor Entdeckung keinen Internetzugang hatte, um Dokumente gebeten, die von WikiLeaks stammten. Er erhielt einige der Depeschen des US-Außenministeriums und Berichte aus Afghanistan, die von Manning an WikiLeaks übergeben worden sein sollen. Überdies stützt sich die Anklage auf Hinweise, dass al-Qaida mit dem Internet kundig umgehen kann und es zu Propagandazwecken nutzte, was ebenfalls dazu dienen soll, Manning zu belasten, wenn er Dateien an WikiLeaks übergeben hat, die diese online zugänglich machen.

In einem al-Qaida-Video des amerikanischen Islamisten Adam Gadahn wurde 2011 auch die Szene eingearbeitet, in der US-Soldaten von einem Hubschrauber aus Zivilisten kaltblütig abschossen. Das von WikiLeaks unter dem Titel Collateral Murder veröffentlichte Video hatte weltweit Empörung ausgelöst. Gadahn forderte die Anhänger auf, das Internet zu nutzen, um dem Feind, also den USA, zu schaden.

Pikant ist schon allein die Tatsache, dass nicht nur 20.000 Mitarbeiter des US-Außenministeriums auf die Depeschen zugreifen konnten, sondern auch zahllose Mitarbeiter des Pentagon. Für diese waren keine Beschränkungen vorgesehen. Manning konnte sie mithin direkt abgreifen. Gut geschützt ist etwas anderes. Auch auf das im Armee-Netzwerk SIPRNet gespeicherte Video konnte Manning einfach ohne Autorisierung zugreifen.

Manning stimmte gestern zu, dass die im Haus von Bin Laden gefundenen Dokumente für den Prozess zugelassen werden. Damit vermied er die Aussage eines Mitglieds des Spezialkommandos, lieferte aber auch der Anklage die Möglichkeit, ihn der direkten Unterstützung des Feindes zu beschuldigen. Was fehlt, ist aber noch der Beweis, dass er beabsichtigt hatte, dass die Informationen dem Feind zukommen.

Manning gesteht einige der Beschuldigungen ein, also die Übergabe von Dateien an WikiLeaks, wehrt sich aber dagegen, direkt dem Feind geholfen zu haben. Die Anklage unterstellt ihm das auch nicht explizit, sagt aber, er hätte wissen müssen, dass der Feind die von ihm im Internet veröffentlichten Dokumente für ihre Zwecke nutze. Die Richterin ließ nun angeblich zu, dass die Anklage die von WikiLeaks formulierte Liste The Most Wanted Leaks of 2009 dazu verwendet, Manning zu unterstellen, er habe sie benutzt, um damit die Dateien auszuwählen, die er WikiLeaks übergeben wollte. Dabei ging es um Guantanamo. Manning behauptet, er habe entsprechende Dokumente aus eigenem Entschluss WikiLeaks übergeben. Zuvor hatte die Richterin die Liste nicht zugelassen, da sie nicht authentifiziert und unklar sei, ob Manning sie gekannt habe.

Mit den Anklagepunkten, denen sich Manning bereits als schuldig bekannt hat, könnte er bis zu 20 Jahren eingesperrt werden. Das reicht aber offenbar der Staatsanwaltschaft nicht, die den 25-Jährigen zur Abschreckung wie einen Schwerverbrecher bis zum Tod hinter Gittern wegpacken will.