Umverteilung per Strompreis

Der Strompreis wird durch den Konstruktionsfehler der EEG-Umlage vorangetrieben. Bild: F.R.

Die Energie- und Klimawochenschau: Von sinkenden Börsenpreisen, steigenden Verbraucherpreisen und den Kraftwerksplänen der Union

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Der Strompreis scheint sich zum Dauerbrenner der deutschen Energiediskussion zu entwickeln. Umweltminister Peter Altmaier hatte es e ja schon angekündigt, ihn zum Wahlkampfthema zu machen. Passend zu diesen Plänen lässt die Bundesnetzagentur über eine gezielte Indiskretion wissen, dass die EEG-Umlage erneut kräftig steigen wird.

Aber auch das Öko-Institut geht in einer für Greenpeace erstellte Studie davon aus, dass im nächsten Jahr der Obolus für den Ausbau der erneuerbaren Energieträger von derzeit rund 5,3 auf 6,1 Cent pro Kilowattstunde steigen wird. Damit dürfte der Strompreis für Privathaushalte von derzeit durchschnittlich rund 28 auf mindestens 29 Cent pro Kilowattstunde steigen, denn unter anderem hält der Fiskus noch seine Hand auf, der auf die Umlage noch einmal 19 Prozent Mehrwertsteuer kassiert.

Aber ganz so selbstverständlich und automatisch ist der Preisanstieg nicht. Die Autoren des Öko-Instituts weisen erneut auf den hier auf Telepolis bereits des Öfteren diskutierten Zusammenhang zwischen EEG-Umlage und Börsenstrompreis hin. Am Leipziger Stromhandelsplatz ist sowohl Grund- als auch Spitzenlaststrom so günstig wie seit langem nicht. Ursache dafür ist das große Angebot an Ökostrom. Insbesondere Wind und Solarstrom sind reichlich vorhanden und drängen meist die teureren Kraftwerke aus dem Markt. Hier und hier kann die aktuelle Produktion verfolgt werden. Am gestrigen Dienstag zum Beispiel, der im Vergleich der letzten Wochen bestenfalls durchschnittlich war, standen in den Stunden um die Mittagszeit einem Bedarf von rund 70 Gigawatt etwa 26 GW an Produktion erneuerbarer Energieträger (Sonne, Wind, Wasser, Biomasse) gegenüber.

Erneuerbare zu erfolgreich

Dieser Erfolg der Erneuerbaren drückt einerseits wegen des Überangebots den Börsenpreis für Strom, was den industriellen Großabnehmern zugutekommt. Andererseits erhöht er damit aber auch die Umlage. Die Netzbetreiber bekommen nämlich die Differenz aus der im Erneuerbare-Energiengesetz (EEG) fixierten Vergütung, die sie den Anlagenbetreibern zahlen müssen, und dem Preis, den sie für den Strom an der Börse erzielen, erstattet. Gezahlt wird das Geld aus einem Fonds, der mit der EEG-Umlage gefüllt wird. Je niedriger also der Preis an der Leipziger Strombörse, desto mehr bekommen die Netzbetreiber aus dem großen Topf. Dadurch wirkt die EEG-Umlage effektiv auch als Umverteilung von den privaten Verbrauchern, die sie zahlen müssen, zu den energieintensiven Großbetrieben, die von der Umlage weitgehend ausgenommen sind, aber über die niedrigen Strompreise an der Börse von dem Erfolg der erneuerbaren Energieträger profitieren.

Dieser Konstruktionsfehler der EEG-Umlage ist hier und anderswo schon des Öfteren und in aller Ausführlichkeit diskutiert worden und sicher auch dem Bundesumweltminister bekannt. Dass er dennoch die Debatte um die EEG nutzen will, um den Ausbau der Solar- und jetzt auch der Windenergie zu deckeln, zeigt, dass es ihm um etwas anderes geht: Das Geschäftsfeld der Stromkonzerne, das heißt die Produktion in Großkraftwerken, darf nicht zu sehr eingeschränkt werden. Das Wahlprogramm der Union spricht sich sogar für den beschleunigten Neubau von Kohlekraftwerken aus, für die ein entsprechender Rahmen geschaffen werden solle. Gemeint ist damit ausdrücklich auch die Braunkohle.

Zertifikate zu billig

Doch zurück zur Umlage. Das Öko-Institut verweist in seiner bereits erwähnten Studie darauf, dass sie von einer Vielzahl von Faktoren abhängt. Unter anderem auch von den Preisen im Emissionshandel, der nahezu zusammengebrochen ist (Klimavorkämpferin? Wohl eher Chef-Aussitzerin. In den letzten Tagen wurden die Verschmutzungsrechte an der Leipziger Börse für etwas über vier Euro pro Tonne CO2 verhökert. Dadurch können Kohle- und vor allem die besonders emissionsintensive Braunkohlekraftwerke ihren Strom relativ günstig anbieten, was wiederum dort den Preis drückt und somit die EEG-Umlage erhöht.

Eigentlich sollte ein Zertifikat für den Ausstoß einer Tonne CO2 ja eher 20 oder 30 Euro kosten, damit der Markt die Emissionen ökonomisch bestraft und somit schrittweise vermindert. So hatten es sich die Erfinder der Methode jedenfalls einmal gedacht. Nur ist der Markt inzwischen mit Erlaubnisscheinen geflutet. Das liegt zum einen an der geringen Wirtschaftsaktivität aufgrund der anhaltenden Euro-Krise, zum anderen auch an der großzügigen Ausgabepraxis der meisten beteiligten Regierungen, einschließlich der deutschen.

Seit einigen Monaten wird daher diskutiert, einen Teil der Zertifikate aus dem Markt zu nehmen, um eine Verknappung und darüber einen Preisanstieg zu verursachen. Vermutlich wird am heutigen Mittwoch das EU-Parlament dafür stimmen, die Zahl der Zertifikate um 700 Millionen Tonnen zu reduzieren.

Materie zu kompliziert

Das wäre höchst wahrscheinlich nicht ausreichend. Die meisten Beobachter gehen eher davon aus, dass Zertifikate für 900 Millionen oder eine Milliarde Tonnen für ungültig erklärt werden müssten, damit der Markt wieder funktioniert. Eine neue Studie fordert sogar, Zertifikate für 1,7 Milliarden Tonnen zu streichen.

Aber das ist fast egal, denn wie es aussieht, wird der Beschluss des Parlaments sowieso zunächst vom Ministerrat kassiert werden. Dort sperrt sich vor allem Polen gegen entsprechende Maßnahmen, während sich Berlin untätig hinter Warschau versteckt und keinerlei Anstrengungen zeigt, zu einem tragfähigen Kompromiss zu kommen. Bundeskanzlerin Merkel, die ansonsten bewusst das Energiewende-Bashing ihren Ministern überlässt, hatte Anfang Mai ausdrücklich geäußert, dass sie erst das EEG "reformieren" wolle, bevor "wir uns dem Emissionshandel in Europa nochmal zu wenden".

Doch das wird frühestens im Herbst, nach der Bundestagswahl, so weit sein, und bis dahin wird den Bundesbürgern die allen Umfragen nach sehr beliebte Energiewende weiter mit dem Strompreis madig gemacht. Immer in der Hoffnung, dass die ganz Materie den meisten Wählern zu kompliziert ist, sodass sie durch die schönen Worte der Wahlprogramme nicht die Absicht der Union erkennen können, gemeinsam mit dem gelben Koalitionspartner Solar- und Windenergie auszubremsen.

Stromproduktion mit erneuerbaren Energieträgern nach Weltregionen. Bild: IEA

Und zu guter Letzt die gute Nachricht der Woche: Die Internationale Energieagentur (IEA) geht davon aus, dass die erneuerbaren Energieträger im globalen Maßstab schon 2016 den Beitrag des Erdgases für die Stromproduktion übersteigen werden. Das ist eines der Ergebnisse ihres kürzlich vorgestellten Mid-Term Renewable Energy Market Report 2013. Trotz eher schwieriger ökonomischer Rahmenbedingungen rechnen die Autoren des IEA-Berichts mit einem jährlichen Zuwachs von rund 6 Prozent. 2018 könnte weltweit die Stromproduktion mit Wasserkraft, Wind, Sonne und Biomasse dann schon bei 25 Prozent liegen. 2011 waren es noch 20 Prozent.

Den größten Anteil daran wird mit 17 Prozentpunkten noch immer die Wasserkraft haben, aber die Neuen, das heißt Wind, Sonne und Biomasse holen auf. Ihr Beitrag wird sich nach diesen Projektionen bis 2018 auf acht Prozentpunkte verdoppeln, und die IEA geht davon aus, dass sich ihr Zuwachs in den kommenden Jahren im globalen Maßstab sogar beschleunigt.

Die Zahl der Länder, die vor allem Solar- und Windkraftanlagen im größeren Maßstab installieren nimmt rasch zu, und der Schwerpunkt verlagert sich aus Europa mehr nach Asien. Dort sind vor allem China, Indien und Japan die Zugpferde, aber auch viele andere Länder kommen auf den Geschmack. Windkraft und Fotovoltaik machen zusammen inzwischen den größten Posten im globalen Kapazitätszuwachs aus und die Märkte wachsen weiter. Und das, obwohl immer noch, wie IEA-Direktorin Maria van der Hoeven betont, die Subventionen für konventionelle Energien sechsmal höher sind als die ökonomischen Anreize für die erneuerbare Branche.

Offshore zu langsam

Vor allem die Entwicklung in den Schwellenländern treibt den Ausbau der erneuerbaren Energieträger voran. Nach Schätzung der IEA wird der Zuwachs bis 2018 zu Zweidritteln in Nicht-OECD-Ländern erfolgen. In einigen Ländern könne die Windenergie schon ohne Förderung mit konventioneller Erzeugung mithalten. In Brasilien zum Beispiel mit neuen Gas- und Wasserkraftwerken, in Australien mit neuen Kohlekraftwerken, sofern diese für ihre CO2-Emissionen zahlen müssen, und an den besten Standorten sogar ohne diese Auflage. In der Türkei und Neuseeland kann Onshore-Wind schon seit einigen Jahren auf dem Elektrizitätsmarkt bestehen.

Übrigens: Laut IEA waren Fotovoltaik und Onshore-Wind 2012 die dynamischsten Märkte. Bis 2018 sollte Onshore-Wind in 75 Ländern angewendet werden. 65 Länder werden nach den Prognosen der IEA-Autoren mindestens 100 Megawatt Fotovoltaik installiert haben. 2012 waren es 30. Die Ausbreitung von Geothermie, Solarthermie und Offshore-Wind, dem Lieblingsprojekt der Bundesregierung, die die teuren Windräder auf See gerne zum Königsweg der Energiewende erklärt, erfolge hingegen wesentlich langsamer. Davon können auch hiesige Offshore-Projektierer ein Liedchen singen.