US-Post überwacht alle Sendungen

Alle Daten von Umschlägen von Postsendungen werden fotografiert und gespeichert, bis vor kurzem war dieses "Mail Isolation Control and Tracking"-Programm geheim

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Der Direktor der Nationalen Geheimdienste (DNI), James Clapper, musste sich gerade entschuldigen, den Kongress angelogen zu haben. Er hatte im März auf Nachfrage versichert, dass die NSA nicht die Daten von Millionen von US-Bürgern sammle, zumindest nicht wissentlich. Es habe sich um ein Missverstädnis gehandelt, redet er sich heraus, er habe gedacht, es ginge um den Inhalt der Kommunikation, nicht um die Verbindungsdaten.

Die New York Times berichtete gestern, dass die NSA nicht nur die elektronische Kommunikation auch von US-Bürgern überwacht, sondern mit der Hilfe der Post auch den Briefverkehr. Es wird der Briefverkehr einzelner Personen verfolgt. Die Postangestellten können beauftragt werden aufzuzeichnen, welchen Inhalt die Sendungen, abgeleitet aus dem äußeren Erscheinungsbild, haben könnten, aufgemacht werden dürfen sie allerdings nur mit richterlicher Genehmigung, die, wie man bei Prism gesehen hat, gerne auch pauschal erteilt wird.

Zudem gibt es das nach den Anthrax-Anschlägen von 2001 eingeführte "Mail Isolation Control and Tracking" (MICT)-Programm, mit dem umfassend alle 160 Milliarden Sendungen, die jährlich über den Postal Service versandt werden, präventiv digital fotografiert und die Bilder gespeichert werden. Unbekannt ist, wie lange die Fotos aufbewahrt werden, auf denen sich die Adressen von Absendern und Empfängern ebenso ablesen lassen wie die Zeit und der Ort, an dem die Sendungen aufgegeben wurden. Es handelt sich wieder um "Metadaten", die aber auch hier vielsagend sein können.

Aufgekommen ist das geheime Programm erst durch die Rizin-Briefe, die an Präsident Obama oder den New Yorker Bürgermister Michael Bloomberg geschickt wurden. In einer Klageschrift des FBI wurde wohl unfreiwillig offenbart, dass mit dem Programm die Briefe auf die Absenderin Shannon Guess Richardson in New Boston, Texas, zurückgeführt werden konnten.

Mit dem Programm werden anlasslos Daten von vielen Millionen Amerikanern gesammelt und bevorratet, um sie bei Bedarf zu benutzen, um einzelne Sendungen, auch wenn sie vor Jahren versendet wurden, zurückverfolgen zu können. Wie bei Prism werden einfach alle zugänglichen Daten gesammelt. Ohne richterliche Genehmigung können Strafverfolgungsbehörden die Daten von der Post einfordern - normalerweise 30 Tage lang, aber mit Verlängerung auch für 120 Tage. Zur Kriminalitätsbekämpfung ergehen nach der NYT jährlich 15-20.000 Anfragen, wie viele zur Terrorbekämpfung gestellt werden, ist nicht bekannt. 2007 hatte der damalige US-Präsident Bush noch erklärt, dass die Regierung Briefsendungen auch ohne richterliche Genehmigung in Notfällen oder im Fall von geheimdienstlicher Überwachung von Ausländern durchsuchen kann, was das Einfallstor auch zur Überwachung der US-Bürger ist, wie man auch wieder bei Prism sehen kann.

Bislang seien Klagen gegen das Programm gescheitert, weil die Richter erklärten, man könne Datenschutz nicht für Daten einfordern, die auf dem Umschlag eines Briefes stehen. Umgekehrt haben US-Regierungen unter Bush und Obama die Überwachung der elektrischen Kommunikation damit gerechtfertigt, dass man hier ja auch nicht die Inhalte lesen, sondern eben nur die Verbindungsdaten erfassen würde, was das Briefgeheimnis nicht verletze.