Westerwelle in Athen: "Vergesst Kassandra!"

Troika-Chef Poul Thomsen vom ISW. Bild: W. Aswestopoulos

... die Rechnung kommt später

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Erneut weilt die Troika in Griechenland. Wieder geht es um die Auszahlung einer Kredittranche und erneut nutzen die Prüfer die Gelegenheit, Griechenland weitere Maßnahmen aufzubürden. Auch am Sonntag wird weiter verhandelt. Am Montag steht das Treffen der Eurogruppe auf der Tagesordnung. Bis dahin müssen die Griechen den meisten Vorgaben zugestimmt haben.

Von Tranchen und Schuldenschnitten

Die 8,1 Milliarden Euro um die es geht, werden allen Verhandlungen und Verzögerungen zum Trotz mit ziemlicher Sicherheit genehmigt werden. Wie in einer Art Ping-Pong-Spiel zitieren sich die griechische und die ausländische Presse gegenseitig. Mal heißt es, dass die Tranche als Ganzes, dann wieder in weitere Tranchen unterteilt genehmigt werden soll. Wohin die Gelder eigentlich gehen, wird wie üblich kaum erwähnt.

Sie werden nicht in den griechischen Geldkreislauf fließen sondern an Schuldscheininhaber wie die EZB abgeführt. Diese hatte die toxischen Papiere auf dem Sekundärmarkt für weit weniger als den Nominalwert aufgekauft. Diese Praxis ist auch Hedge-Fonds geläufig. Dass im Zusammenhang mit der griechischen Krise zahlreiche Nutznießer erheblichen Reichtum horten konnten, ist kein Geheimnis. Zu seinem persönlichen Geheimnis erklärt derweil Griechenlands Finanzminister Giannis Stournaras die Information über mit dem vollen Nominalwert bezahlten alten Staatsanleihen. Er verweigert auch dem Parlament gegenüber die Transparenz in solchen Fragen.

Die nun trotz des Anfang 2012 durchgeführten Schuldenschnitts in vollem Umfang fälligen Staatsobligationen fallen schlicht nicht unter griechisches Schuldrecht. Als nach englischem oder ähnlichem Recht abgeschlossene Zahlungsverpflichtung sind sie jederzeit international einklagbar. Dagegen wurden griechische Kleinanleger ebenso zum Schuldenschnitt gezwungen wie Sozialversicherer, Universitäten aber auch zypriotische Banken. Während die mittelbaren Folgen für Zypern bekannt sind, wird oft übersehen, dass der Schuldenschnitt bei den nicht umlagenfinanzierten Sozialversicherern, diese faktisch in die Pleite trieb. Freiwillig hatten sie ebenso wie Universitäten und zahlreiche Kleinanleger die fraglichen Papiere nicht erworben. Sie waren ihnen per Gesetz aufgezwungen worden.

Der ohnehin per Troika-Dekret mit den bekannten Folgen abgespeckte staatliche Gesundheitssektor kann daher seine finanziellen Verpflichtungen nicht erfüllen. Krankenhausangestellte bleiben ebenso wie die Lieferanten unbezahlt. Abgesehen von dem offensichtlichen Dominoeffekt für die Wirtschaft des Landes führt dies zu zusätzlichen, aber vermeidbaren Todesfällen.

Demonstrantion gegen Entlassungen vor dem Ministerium für Verwaltungsreform. Bild: W. Aswestopoulos

Trotzdem besteht eine der Forderungen der aktuellen Verhandlungsrunde aus weiteren Kürzungen bei der Gesundheitsversorgung. Der am 25. Juni frisch gebackene Gesundheitsminister Adonis Georgiadis wird dem kaum etwas entgegensetzen. Im Hauptberuf vertreibt der Mann als Kiloware Bücher nationalistischen Inhalts. Er selbst bezeichnet sich als "Memorandumgläubigsten Minister der Regierung".