Warten auf die Energiewende

Bild: Matthias Brake

Die Energie- und Klimawochenschau: Jahrestag der PV-Kürzungen, Geschäftsmodell Zwischenlagerung, Bürgerdividende für neue Stromtrassen

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Vor einem Jahr trat die sogenannten Photovoltaik-Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) in Kraft, vorangegangen war dem eine totale Fehlsteuerung durch die Koalition, welche erst die panikartigen Photovoltaik-Zubaurekorde von 7,5 Gigawatt pro Jahr verursachte und danach wieder übersteuerte, indem die Solarstromvergütung dann sogar rückwirkend, also als offener Rechtsbruch, durchgesetzt werden sollte.

Dauerkürzung und noch immer keine Alternativkonzepte

Nach monatelangem Streit einigte man sich dann auf eine Kombination aus einem angekündigten Ende der Einspeisevergütung für Solarstrom bei 52 GW und auf nun monatliche Kürzungen der Vergütung. Außerdem wurde die Höhe der Degression an den Ausbau gekoppelt: Je mehr ausgebaut wird, desto weniger Geld gibt es in der Folge für den Solarstrom. Die Solarbranche war zu dem Zeitpunkt quasi schon handlungsunfähig, weil sie sich auf das funktionierende Einspeisevergütungsmodell verlassen hatte. Auf den politischen Willen, das EEG zu stoppen, war man so anscheinend nicht gefasst und bis heute gibt es von Seiten der Erneuerbaren Branche keine Alternativkonzepte, wie die Vergütung dezentraler Energieerzeuger ohne ein EEG denn laufen könnte.

Und auch auf die aktuelle Frage, wie denn die EEG-Umlage auf den Strompreis gerechter berechnet werden kann, gibt es noch keine Alternativvorschläge. Bisher berechnet sie sich im Prinzip aus der Differenz der Einspeisevergütung minus den Börsenstrompreis. Das führt dazu, dass die Stromverkäufer blendende Geschäfte machen und die Politik den Stromkunden immer aufs neue Angstbotschaften senden kann, dass die Umlage leider, leider wieder steigen muss. Im Moment überbieten sich alle mutmaßlichen Nutznießer eines Endes des EEG mit Schreckensbotschaften. Stromhändler Ensys legt die Prognose vor, die EEG-Umlage werde 2014 auf 6 Cent/kWh steigen vor, die halbprivatisierte Dena bietet 7 Cent und Peter Altmaier geriert sich als Retter in der Not und schlägt vor, die Umlage für 2014 auf dem jetzigen Stand von 5,3 Cent einzufrieren, denn der Wahlkampf beginnt und die tatsächliche Höhe wird dann ja erst im Oktober festgelegt.

Es ginge aber auch avancierter Greenpeace rechnete zum Beispiel einfach die Befreiungen für die so genannten "energieintensiven Unternehmen" (wie berichtet u.a. Schlachthöfe, Banken, Fruchtsafthersteller, ...) heraus und kam zu dem Ergebnis, dass die Umlage selbst ohne neuen Umrechnungsschlüssel sofort auf 4,6 Cent/kWh sinken könnte. Wenn jetzt noch die Kostensenkung der Börsenstrompreise durch das Angebot an Strom aus Erneuerbaren mit einbezogen wird, würde die ach so teure Energiewende ihren Schrecken als Kostentreiber ganz verlieren.

Carsten Körnig vom Solarverband BSW-Solar geht noch einen Schritt weiter und schlägt vor, den Umlagemechanismus des EEG so zu reformieren, dass Großhandelsstrompreise endlich auch an die Privatverbraucher weitergegeben werden. Beim jetzigen Modell profitieren Großverbraucher von den durch das EEG sinkenden Börsenstrompreisen, den niedrigeren Großhandelspreisen und werden für Mehrverbrauch so gleich doppelt belohnt - die Nebenkosten gehen zu Lasten der Kleinen.

Das möchten die Energiekonzerne und großen Industriebetriebe natürlich ganz anders sehen - und sie haben unter der gegenwärtigen Koalition Oberwasser. Siemens-Chef Peter Löscher und der Eon-Vorstandsvorsitzende Johannes Teyssen forderten deshalb gerade ein sofortiges Aus der bisherigen Ökostromförderung. Denn die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands sei in Gefahr, insbesondere weil die Förderung der Photovoltaik nur einen geringen Beitrag zur Grundlast liefere. Angesichts der nächsten Bundestagswahl und dem sicher geglaubten Ende des EEG frohlockte Peter Löscher im Interview im Hinblick auf die Erneuerbaren mit der Formulierung: "Die Musik ist aus", die Erneuerbaren müssten sich jetzt dem Markt stellen.

Stromexporte steigen, Emissionen auch, trotzdem gehen 6 GW Kohlekraftwerke neu ans Netz

Wie dieser Markt aussieht, zeigt sich an den steigenden Strom-Exportüberschüssen aus Grundlastkraftwerken. Auch im ersten Halbjahr 2013 hat Deutschland weitaus mehr Strom ins Ausland geliefert als importiert. Die Forschungsstelle für Energiewirtschaft hat für die ersten sechs Monate des Jahres unterm Strich 15,4 Terawattstunden (TWh) Strom ermittelt, die in das europäische Ausland exportiert wurden. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum entspricht das einer Steigerung von 62 Prozent. Der größte Teil davon ging in die Niederlande (9,2 TWh, +32 Prozent), nach Frankreich (5,9 TWh, +28 Prozent) und Österreich (5,0 TWh, -45 Prozent).

Österreich ist übrigens von diesen Saldoempfängern der konsequenteste, was die Energiewende angeht. Das österreichische Parlament hat jetzt beschlossen, ab 2015 den Import von sogenanntem Graustrom, also von Strom unbekannter Herkunft, zu verbieten und die österreichischen Energieversorger haben sich freiwillig dazu verpflichtet, keinen Atomstrom mehr zu kaufen.

Doch bei uns geht die Rolle rückwärts. Im Jahr 2012 sind die energiebedingten Kohlendioxidemissionen in Deutschland um 2,2 Prozent angestiegen, dieses Jahr werden sie weiter steigen. Ein Indiz dafür nennt Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. In Wirklichkeit, so Quaschning, gehe es bei den Ankündigungen von radikal Umbauten am EEG um eine Sicherung der Milliardengewinne der Energiekonzerne. Schließlich gehen 2013/14 Kohlekraftwerke mit über 6 GW Leistung neu ans Netz, die bezahlt werden wollen. Der Klimaschutz falle bei diesem Billionenpoker völlig unter den Tisch.

Die Klimafolgekosten durch den ungezügelten Kohlendioxidausstoß müssen künftig aber auch bezahlt werden. Rücklagen dafür gibt es keine. Das Umweltbundesamt beziffert die realen Klimafolgekosten auf 70 € je Tonne Kohlendioxid. Die nicht umgelegten Klimafolgekosten entsprechen damit alleine in Deutschland einer Subvention von über 20 Milliarden Euro für fossile Kraftwerke. Und dann sind da ja noch die Folgekosten der Nutzung der Kernkraft. Auch wenn der Ausstieg in neun Jahren vonstatten gegangen sein sollte, lässt sich in den Jahrzehnten danach mit den Folgekosten viel Geld verdienen mit Demontage, Zwischenlagerung, Bewachung, Endlagerbau - und überhaupt ja erst noch die Suche nach einem Endlager, die nach der Entscheidung vom Freitag im Bundesrat jetzt noch weiter auf den Sanktnimmerleinstag, auf 2031, verschoben wurde.

Wolfgang Ehmke, Sprecher der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, befürchtet, dass es, weil es im Gesetz nun ein spezielles Gorleben-Kapitel gebe, in der Kommission, die bis 2015 die Kriterien für die Neuauflage der Suche festlegen soll, offen und versteckt weiter nur um Gorleben gehen wird, und darum, ob der Standort nicht doch als wohlfeiles Endlager genutzt werden kann.