Energiewende: Ein Blick voraus

Je mehr Ausnahmen es gibt, desto größer sind die Kosten für die kleinen Stromkunden. Zur Befreiung von der Umlage und weiteren Netzentgelten haben Unternehmen 2013 den Verbrauch von insgesamt 119,3 Terawattstunden (TWh) Strom (2012 waren es noch 107 Twh.), 90 Prozent der Anträge wurden durchgewinkt. Grafik: M. Brake

Die Energie- und Klimawochenschau: Die PKW-Maut kommt, die EU springt dem EEG bei und die Atomära läuft aus

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Fossile und atomare Kraftwerke werden angesichts des zunehmenden Angebots an Ökostrom offensichtlich unwirtschaftlich. Hurra, die Umstellung auf die regenerative Stromversorgung ist auf einem guten Weg! Oder?

Die Betreiber der Anlagen sehen das etwas anders, die Süddeutsche berichtet, dass Konzerne und Stadtwerke von den rund 90.000 MW Kraftwerkskapazität in zentralen Großkraftwerken aus wirtschaftlichen Gründen 20 Prozent zur Disposition stellen - sie seien wegen des wachsenden Ökostromangebots seltener am Netz, so dass sich ihr Betrieb nicht mehr lohne. Viele Kohle- Gas-, und Atomkraftwerke könnten dann schon bald abgeschaltet werden. Bei der Bundesnetzagentur sind bis jetzt 15 Stilllegungsanträge eingegangen. Dass diese Nachrichten gerade jetzt im Vorwahlkampf lanciert werden, könnte im schlimmsten Fall dazu führen, dass die Politik kurzatmig Rettungsaktionen für die alten Strukturen startet, besonders eine kleine Partei positioniert sich dabei eindeutig gegen den Wandel.

Europa springt dem EEG bei

Schaut man voraus, gehen die Strompreise an der Börse weiter runter, dort wird bereits der Strompreis für das Jahr 2018 ausgehandelt. An der EEX liegt der Preis für ganzjährige konstante Stromlieferungen (Base) dann bei 3,950 Cent. Damit ist jetzt auch der am weitesten in der Zukunft liegende EEX-Preis unter den Wert von 4 Cent gesunken, den Peter Terium, Vorstandsvorsitzender des Energiekonzerns RWE, als Wirtschaftlichkeitsgrenze für die etablierte Stromwirtschaft nannte. Darunter sei mit den Großkraftwerken kein Geld mehr zu verdienen.

Nur knapp zwei Jahre später, im Jahr 2020, werden dann nach und nach alle Erneuerbaren-Kraftwerke aus der EEG-Vergütung herausfallen (sie lief zu Beginn des EEG für 20 Jahre). Diese Bestands-EE-Anlagen werden dann aber ausfinanziert und ihre Stromgestehungskosten danach vor allem von den Wartungskosten bestimmt sein, denn bis auf die Biomasse benötigend EE-Kraftwerke keinen Brennstoff. Ihre Energie liefern Sonne und Wind gratis. Was den Erneuerbaren noch sehr zum Vorteil gereichen wird, denn ihr Marktwert wird ebenfalls schon austaxiert, er lag 2013 bis jetzt im Mittel bei 3,75 Cent pro kWh.

Von solch niedrigen Preisen profitieren bei der momentanen politischen Wetterlage erst einmal nur ausgewählte gewerbliche Kunden. Der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) hat dazu gerade seinen Index veröffentlicht, wonach die Industriestrompreise auf Mittelspannungsebene, inklusive aller Netzentgelte, immer weiter sinken und im Juni einen Stand erreicht haben wie zuletzt im Mai 2005. Verglichen mit den Preisen für die Haushaltsstrompreise ergibt sich dadurch eine ausgeprägte Schieflage, die Preisschere klafft immer weiter zu Ungunsten der lobbyfernen Privatkunden auseinander.

So sehr, dass die EU-Kommission darin einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht sieht. Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia kündigte an, dass ab Mittwoch ein Verfahren gegen die Befreiung energieintensiver Betriebe von der EEG-Umlage vorbereitet und im September dann offiziell eingeleitet wird. Ziel soll es sein, die Ausnahmen wegen verbotener Beihilfe zu stoppen. Möglicherweise müssen die "energieintensiven" Betriebe dann auch rückwirkend einen Teil der gesparten Euros nachzahlen müssten. Dass diese Nachzahlungen an die privaten Stromkunden zurückgegeben werden, ist aber leider unwahrscheinlich.

Die Anti-EEG-Koalition steht

Die FDP nutzt die Gelegenheit sich nun ganz klar als Anti-EEG-Partei zu positionieren. Martin Lindner von der FDP-Bundestagsfraktion sagte, seine Partei würde das EEG am liebsten ganz kippen.

Und auch das CDU-geführte Bundesumweltministerium sprang seinem Juniorpartner bei und ließ mitteilen über die Weiterentwicklung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes bestehe Konsens. Tobias Austrup, Energie-Experte von Greenpeace, nennt die Kritik aus Brüssel an den deutschen Umlageausnahmen dagegen eine Ohrfeige für die beiden Protagonisten Wirtschaftsminister Rösler und Umweltminister Altmaier.

Derweil sinkt der reine Strompreis an der Börse weiter auf vier bis fünf Cent. Dafür macht Felix Matthes vom Öko-Institut nicht nur die günstiger werdenden Erneuerbaren verantwortlich. Gründe seien neben billigerem EEG-Strom auch die Krise des europäischen Emissionshandelssystems und die sinkende Steinkohlepreise auf dem Weltmarkt. Greenpeace rechnet vor, wenn mehr Unternehmen die Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz zahlen würden, könnte diese sofort um 1,6 Cent pro Kilowatt-Stunde sinken. Dazu kommen noch die abgewälzten Netzentgelte, so dass die kWh Privatkundenstrom heute 2,4 Cent günstiger oder umgerechnet die Stromrechnung für einen durchschnittlichen Privathaushalt rund 100 Euro pro Jahr niedriger ausfällt.