Fall Snowden: USA drohen Venezuela und Russland

Der Geheimdienst-Enthüller wird zum Spielball übergeordneter politischer Interessen. Sein Weg nach Südamerika wird schwierig

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Der Streit um den Whistleblower Edward Snowden belastet zunehmend die Beziehungen zwischen den USA und Lateinamerika. Dabei geht es längst nicht mehr nur um das Schicksal des 30-Jährigen, der zurzeit politisches Asyl in Russland genießt. Viele Staaten Lateinamerikas sehen in der Unterstützung von "Whistleblowern" wie Snowden oder dem Mitbegründer der Enthüllungsplattform WikiLeaks, Julian Assange, eine willkommene Möglichkeit, die politischen Verhältnisse umzukehren, um den USA den Spiegel vorzuhalten.

In den vergangenen Jahrzehnten haben sich Menschenrechtsverletzer jeglicher Couleur in die Vereinigten Staaten geflüchtet. Zugleich machen völkerrechtlich fragwürdige Überreaktionen wie die erzwungene Zwischenlandung von Boliviens Präsident Evo Morales in Wien deutlich, wie weit der lange Arm Washingtons reicht. Und sie machen darüber hinaus deutlich, wie nervös die Regierung von US-Präsident Barack Obama ist.

Noch immer sitzt Edward Snowden im Moskauer Flughafen fest. Bild: Screenshot aus Video

Vor allem das sozialistisch regierte Venezuela nutzt die Snowden-Affäre, um sich gegenüber den USA auf der internationalen Bühne zu profilieren. Präsident Nicolás Maduro hatte dem ehemaligen Mitarbeiter eines Vertragsunternehmens des US-Geheimdienstes NSA mehrfach Asyl angeboten. Am vergangenen Freitag hat die Obama-Führung darauf offenbar reagiert.

In einem Telefonat zwischen US-Außenminister John Kerry und seinem venezolanischen Amtskollegen Elías Jaua sind nach unbestätigten Informationen der spanischen Tageszeitung ABC klare Worte gefallen. Kerry habe Jaua mit empfindlichen Wirtschaftssanktionen gedroht, sollte Venezuela Snowden aufnehmen. Die entsprechenden Möglichkeiten haben die USA als weiterhin wichtigster Handelspartner Venezuelas: Das südamerikanische Land exportiert seit je her das Gros seines Erdöls in den Norden und bekommt aus den USA Treibstoff geliefert. Die Versuche der vergangenen Jahre, in Venezuela selbst ein Raffinerienetz aufzubauen, konnten diese Abhängigkeit bislang nicht verringern.

Venezuela: Null-Toleranz-Politik gegenüber US-Drohungen

Das Telefonat erfolgte fast zeitgleich zu Ankündigen der designierten US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Samantha Power, in ihrer künftigen Funktion gegen "repressive Regimes" wie Venezuela vorzugehen. Die Regierung des südamerikanischen Landes brach daraufhin den erst vor wenigen Wochen wieder aufgenommenen politischen Dialog mit den USA erneut ab und forderte eine Richtigstellung.

"Power sagt, dass sie Repression in Venezuela bekämpfen will. Aber welche Repression", so Maduros Entgegnung. Es gebe tatsächlich Repression in den USA, wo Afro-Amerikaner ungesühnt ermordet werden könnten "und wo der junge Edward Snowden gejagt wird, weil er die Wahrheit gesagt hat".

Offiziell ging Venezuelas Regierung nicht auf das Telefonat zwischen Kerry und Jaua ein. Beide Seiten ließen jedoch durchblicken, dass es Warnungen oder gar Drohungen gegeben hat. Maduro kündigte eine "Null-Toleranz-Politik" gegenüber dem politischen Druck der USA an. Die Sprecherin des US-Außenamtes, Marie Harf, dementierte den ABC-Bericht bei der Pressekonferenz am Freitag nicht. Harf sagte lediglich, die "Charakterisierung" der spanischen Zeitung sei nicht zutreffend. Die Regierung in Washington würde über Antworten auf eine mögliche Zuflucht Snowdens in Venezuela "entsprechend reagieren", wenn dem Whistleblower tatsächlich Zuflucht geboten wird.

Ebenso wie im Disput zwischen Russland und den USA ist es für beide Seiten schwierig, einen Rückzieher zu machen. In Venezuela kommt erschwerend hinzu, dass sich die rechtsgerichtete Opposition um den bei Präsidentschaftswahlen mehrfach unterlegenen Politiker Henrique Capriles auf die Seite der USA schlägt. Der Fall Snowden interessiere in Venezuela "nur die Herren der Regierung", sagte der 40-Jährige in einer Pressekonferenz. Zudem beklagte er politische Repression im Land und warf der Führung einen doppelten Standard vor. Das venezolanische Außenamt prangerte indes die "bedauerliche Verfolgung" Snowdens in den USA an, den Venezuela als "Opfer härtester Repression" sieht.