Telefonieren beim Gehen kann gefährlich sein

Nach einer US-Studie hat sich die Zahl der wegen Handy-Benutzung unkonzentrierten Fußgänger von 2005 bis 2010 verdreifacht

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Zahlreiche Studien haben belegt, dass Telefonieren mit dem Handy beim Fahren die Aufmerksamkeit ablenkt und riskant ist. In vielen Staaten wurden deswegen Verbote eingeführt, beim Fahren mit Autos und Fahrrädern das Handy zu nutzen. Mit einer Freisprecheinrichtung bzw. einem Headset darf man allerdings telefonieren, weil dann beide Hände auf dem Lenker bleiben, obgleich bekannt ist, dass auch das Telefonieren selbst die Aufmerksamkeit ablenkt.

Aber selbstverständlich ist die Nutzung von Handys oder Smartphones nicht nur beim Fahren, sondern auch beim Gehen riskant. Das haben Studien bereits belegt. Vor allem ältere Menschen scheinen beim Multitasking überfordert zu sein, während jüngere Menschen zumindest beim Überqueren einer simulierten Straße damit weniger Probleme haben.

Auch am Strand riskant? Bild: Rob124/CC-BY-2.0

Bei einer Beobachtung von Fußgängern an einer Straßenkreuzung stellte sich heraus, dass fast ein Drittel der Menschen beim Überqueren der Straße abgelenkt bzw. unaufmerksam ist. Das geht nicht nur auf das Konto des Telefonierens mit Handys oder Smartphones, durch die mehr als 6 Prozent für die Beobachter abgelenkt zu sein schienen. 11 Prozent werden durch Musikhören und 7,3 Prozent durch SMS unaufmerksam, was natürlich auch mit der Benutzung von Handys einhergeht und am gefährlichsten zu sein scheint. Selbstverständlich ist auch das Überqueren in einer Gruppe oder überhaupt das Reden mit einem Begleiter ablenkend.

Dass die Handynutzung beim Gehen faktisch gefährlich ist, zeigt eine in der Zeitschrift Accident Analysis and Prevention erschienene Studie von Wissenschaftler der Ohio State University aus den USA. Die Wissenschaftler haben dafür eine Datenbank ausgewertet, in der Verletzungsfälle aus 100 Krankenhäusern gesammelt werden. Daraus wird dann die Zahl aller Verletzungen abgeschätzt, die in den Notfallaufnahmen aller Krankenhäuser in den USA behandelt werden. Verwendet wurden die Daten von 2004 bis 2010. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich im Jahr 2010 mehr als 1.500 Fußgänger Verletzungen, die in Krankenhäusern behandelt werden mussten, beim Gehen zuzogen, während sie ein Handy nutzten. Das wären mehr als doppelt so viele wie 2004, als 559 Verletzte gezählt wurden. Der Anstieg ist deswegen beeindruckend, weil sich ansonsten die Zahl der verletzten Fußgänger von 97.000 im Jahr 2004 auf 41.000 2010 halbiert hat. Die Wissenschaftler vermuten, dass die Zunahme seit 2010 angehalten hat, da die Nutzung von Handys und Smartphones weiter wächst und die mobile Nutzung der sozialen Netzwerke erst dann wirklich explodiert ist. Auffällig ist nach den Daten überdies, dass die Zahl der Fußgänger, die wegen einer Verletzung im Zusammenhang mit der Handy-Nutzung in die Notaufnahme kamen, weiter ansteigen, während die der Autofahrer 2010 zurückgegangen ist.

In dieser Studie zeigte sich, dass junge Menschen zwischen 16 und 25 Jahren am meisten gefährdet sind, sie benutzen die Geräte wohl auch am intensivsten. Männer sind stärker gefährdet als Frauen, was verwundert, weil man doch meinen könnte, dass Frauen intensiver kommunizieren. 69 Prozent der Verletzungen sind beim Telefonieren und nur 9 Prozent beim SMSen entstanden. Deswegen sei aber SMSen keineswegs sicherer. Vermutlich, so die Wissenschaftler, SMSen die Menschen beim Gehen sehr viel weniger und telefonieren öfter.

Die wirkliche Zahl der wegen der Ablenkung durch den Handy-Gebrauch verletzten/verunglückten Fußgänger dürfte aber höher liegen, vermuten die Wissenschaftler. Man müsse unkonzentriertes Gehen ebenso gut untersuchen wie unkonzentriertes Fahren, daraus könnten sich dann genauere Zahlen ergeben. Mitautor Jack Nasar geht von Schätzungen für die in Notfallaufnahmen behandelten Verletzungen durch unkonzentriertes Fahren im Zusammenhang mit der Handy-Nutzung aus und kommt dabei auf etwa 2 Millionen Fußgänger, die sich 2010 verletzt haben könnten. Das wären jetzt schon 3 oder 4 Millionen, was aber wohl doch weit übertrieben sein dürfte. Nasar fügt allerdings an, dass nicht jede Person, die sich verletzt, in die Notaufnahme kommt. Unversicherte Menschen würden dies vermeiden, wenn es geht. Daher könnten für ihn die wirklichen Zahlen noch höher liegen.

Wenn also die Zahl der wegen der Handy-Nutzung unkonzentrierten Fußgänger weiter zunimmt, weil sie immer intensiver auch unterwegs verwendet werden, die Google-Glass-Nutzer kommen erst noch, dann sei jetzt die Zeit, dass die Gesellschaften ihre Regeln zur Nutzung der Handys verändern. Beginnen sollten damit die Eltern: "Eltern bringen ihren Kindern bereits bei, vor dem Überqueren der Straße nach beiden Seiten zu schauen. Sie sollten ihnen auch beibringen, ihre Handys wegzustecken, wenn sie gehen, besonders wenn sie eine Straße überqueren." Oder sollten sie nicht lieber auch als Vorbild selbst beim Gehen darauf verzichten?

Den Vergleich von Handy-nutzenden Autofahrern und Fußgängern sollte man allerdings nicht übertreiben. Fußgänger gefährden am ehesten sich selbst oder stoßen mal mit einem anderen Passanten zusammen, Unfälle mit dem Auto sind deutlich gefährlicher und damit nicht zu vergleichen. Müsste vielleicht trotzdem auf jedem Handy ähnlich wie bei Zigaretten der Hinweis angebracht werden: "Beim Gehen oder Fahren das Handy/Smartphone zu benutzen, kann gefährlich sein."

Allerdings wurde gerade eine Studie veröffentlicht, nach der es keinen empirischen Zusammenhang zwischen der Handynutzung und Autounfällen geben soll. Verglichen wurde die Handynutzung in den Jahren 2002-2005 bei einem US-Provider, der ab 21 Uhr kostenlose Gespräche anbot. Die Zahl der Handygespräche bei fahrenden Nutzern stieg in dieser Zeit zwar um 7 Prozent, aber nicht die Zahl der Unfälle. Möglicherweise fahren die Menschen beim Telefonieren vorsichtiger, meinen die Wissenschaftler, oder sie überlegen eher, wann sie einen Anruf machen sollen. Das könnte die Ergebnisse in Labors vom wirklichen Fahren auf Straßen unterscheiden.