Einknicken vor Googles Marktmacht?

Die Befürchtungen der großen Verlage angesichts der Reichweite Googles und die Risiken der kleineren Publikationen vor Abmahnungen, die das Leistungsschutzrecht ab August ermöglicht

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Belgische Zeitungen waren nach einem Rechtsstreit mit dem Suchmaschinenbetreiber aus Google News im Jahr 2011 aussondiert worden und machten dann einen Rückzieher. Ende 2012 gab es Gerüchte, wonach die Verhandlungen erreicht hätten, dass Google künftig Geld in einen Topf von Verlegern- und Journalistenvereinigungen zahlen werde. Le Monde berichtete, gestützt auf unbekannte Quellen, von einer Summe, die bei 5 Millionen Euro liegt. Die Nachricht wurde umgehend von Google und Vertretern der Medien dementiert. Bezahlt werde in "Form von Anzeigenschaltungen in den Medien der Verlage", berichtete die SZ.

Dann waren die französischen Verleger an der Reihe. Sie drohten mit Ausstieg und wollten Geld von Google. Staatspräsident Hollande selbst nahm sich der Sache an und verhandelte mit dem amerikanischen Konzern, der deutlich machte: "Wir wollen nicht für Inhalte bezahlen, die wir nicht hosten. Wir sind in dieser Sache ganz klar." (Eric Schmidt) (vgl. Auf der Suche nach Kuchenstücken von Google). Am Ende ließ Hollande das französische Leistungsschutzrecht fallen. "Es ist besser, eine Vereinbarung zu haben als ein Gesetz", sagte Hollande.

Zur Vereinbarung gehörte, dass Google 60 Millionen Euro in einen Fond "Innovationsprojekte für das digitale Publizieren" zahlte. Wobei Google darauf Wert legte zu betonen, dass dies eine einmalige Zahlung sei, die auch nicht an die Verleger gehe, sondern eben in den Fonds. Darüber hinaus lief der Deal wie im belgischen Fall über gegenseitige Werbe-Vereinbarungen. Ein Geschäft, das die Machtstellung Googles nicht unbedingt verschlechterte (Google gewinnt).

Deutsche Verleger machten jahrelang Lobbyarbeit bei der Regierung für das Leistungsschutzrecht. Auch sie wollen Geld von Google für die sogenannten Snippets: Überschriften und kleinere Textausschnitte aus Berichten, die bei Google-News aufgelistet werden. Google weigerte sich, Geld dafür zu bezahlen, dass man Traffic auf deren Webseiten lenke. "Selbstverständlich können Verlage jederzeit entscheiden, ob sie ihre Inhalte aus Google News entfernen", teilte das Google-Produkt-Blog am 21. Juni mit. Nur wer ausdrücklich dem Konzern gegenüber erkläre, dass er dies wünsche (Opt-in), werde weiter auf Google News erscheinen.

Deutsche Verleger bekommen nichts

Ab morgen tritt das Leistungsschutzrecht in Kraft. Vorab erklärten nun Springer, Burda und die FAZ, dass ihre Artikel bis auf Weiteres bei Google News erscheinen sollen. Bislang ist nicht bekannt, dass Google dafür doch Geld bezahlen will.

Hunderte deutsche Verlage hätten ihr Einverständnis bestätigt, dass sie "weiterhin geschätzte Partner von Google News bleiben", teilte Google-Sprecher Kay Oberbeck mit. Die FAZ gab die Gründe bekannt, warum man zunächst von einem Ausstieg aus Google-News absehe.

Hilflosigkeit der Verlage gegenüber dem amerikanischen Markt-und Klickriesen?

Die Begründung dürfte auch bei Springer und Burda, die ebenfalls ihr vorläufiges Einverständnis betonen, zutreffen: die Sorge um "erhebliche Reichweitenverluste". Angesichts Googles Marktstärke wären die wirtschaftlichen Risiken für die "FAZ" nicht überschaubar gewesen", zitiert der Kress-Report die FAZ.

Ein Intermezzo sei das Opt-in, eine vorläufige Übergangsphase - "ohne Anerkennung der einseitig von Google gesetzten Konditionen" -, heißt es aus dem Haus Springer. Wie auch bei Burda spricht man davon, dass man eine "Verwertung" des Leistungsschutzrechtes vorbereite. Wie die aussehen soll, ist so ominös wie das von vielen Juristen als "schlecht gemacht" bewertete Leistungsschutzrecht selbst.

Möglicherweise wissen die Verlage selbst nicht genau, wie sie Google noch irgendwie dazu bringen können, eine "Gegenleistung" auf den Tisch zu legen. Immerhin hatten sie schon lange Zeit, sich auf das Inkrafttreten des doch von ihnen lancierten LSR vorzubereiten, juristisch und verhandlungstechnisch. Der Eindruck von Hilflosigkeit der Verlage gegenüber dem amerikanischen Markt-und Klickriesen drängt sich auf.

Risiken für die kleineren Publikationen

Und am Fall Rivva, das seinen Dienst aufgrund des LSR erheblich einschränkt, wird das Grauen des LSR "für alle, die im Netz schreiben" deutlich, auf das der Rechtsanwalt Thomas Stadler bereits im Februar hingewiesen hat: die Gefahr von Abmahnungen für kleinere Publikationen:

Ziel der Verleger ist es, die öffentliche Beschäftigung mit Nachrichten riskant zu machen. Wer sich in seinem Blog, auf Facebook oder Twitter mit aktuellen Ereignissen auseinandersetzt, soll sich abmahngefährdet fühlen. Mit der Folge, dass viele lieber gar nichts mehr schreiben, weil sie keinen Bock und schon gar nicht das Geld haben, um Verlagsabmahnungen wegen angeblich illegal übernommener Textpassagen abzuwehren.

Thomas Stadler

Es geht nicht klar aus dem LRS hervor, ab welcher Größe und in welcher Form die Übernahme von Textausschnitten gegen das Leistungschutzrecht verstößt. Wahrscheinlich ist, dass dies über Gerichtsurteile konkretisiert ist. Das geht ins Geld und entsprechend vorsichtig werden die Veröffentlichungen, die keinen Rechtsbeistand im Haus haben.

Es geht nämlich gar nicht darum, ob die Abmahner eindeutig Recht haben. Den Abmahnern reicht es schon, nicht offensichtlich im Unrecht zu sein. Den Rest besorgt das strukturelle Ungleichgewicht. Anwaltsbriefe, noch dazu mit hohen Geldforderungen, versetzen die meisten Menschen nach wie vor in Angst. Für viele stellt sich schon aus finanziellen Gründen gar nicht die Frage, ob sie sich gegen Abmahnungen wehren. Vielmehr bevorzugen viele notgedrungen eine andere Lösung: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.