"Jedes Telefon, an jedem Ort, zu jeder Zeit ausschöpfen"

Neue Dokumente des Whistleblowers Snowden zeigen den beflissenen Eifer des britischen GCHQ, die Ansprüche des amerikanischen Partners NSA zu erfüllen. Als Gegenleistung gibt es Millionen und Zugang zu NSA-Material

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Die US-Regierung lässt sich die Zusammenarbeit mit dem britischen Geheimdienst einiges kosten. Mindestens 100 Millionen Pfund hat das GCHQ in den letzten drei Jahren aus den USA bekommen. Die Gegenleistung: Zugang und Mitsprache beim Datensammeln. Ein nicht ganz unwichtiger Hintergedanke des Deals: Die britischen Nachrichtendienste haben gesetzlich freiere Hand beim Ausspionieren. Das sei ein "Verkaufsargument" gewesen, berichtet der Guardian.

Die Zusammenarbeit der NSA mit dem britischen Nachrichtendienst GCHQ (Government Communications Headquarters) ist eng, wie schon aus früher veröffentlichten Dokumenten hervorging. Schon da wurde von Snowden der enorme Eifer der britischen Geheimdienstler beim Überwachen von Internetverbindungen herausgehoben (vgl. GCHQ greift noch mehr Internetdaten ab als NSA ). "They are worse than the US", wird auch diesmal als Begleitkommentar Snowdens erwähnt.

Die neu zugespielten Dokumente machen ein Abhängigkeitsverhältnis anschaulich: Der britischen Geheimdienst zeigt sich sehr beflissen, die Wünsche der NSA zu erfüllen, man werde sich sichtbar ins Zeug legen ("GCHQ must pull its weight and be seen to pull its weight."). An mehreren Textstellen der Dokumente, die von 2010 bis ins Jahr 2013 reichen, wird die Sorge ausgedrückt, dass der britische Service den Ansprüchen der amerikanischen Partner nicht genügen könnte. Den Papieren, so der Guardian, sei Angst abzulesen, es den Amerikanern nicht recht zu machen. So werde an einer Stelle die Furcht davor ausgedrückt, die USA könnten, weil die Partnerschaft nicht ihren Ansprüchen genügt, die Zusammenarbeit einschränken und damit Zugangsmöglichkeiten und Geldflüsse stärker einschränken.

Dass die Briten ihrerseits - laut Angaben der britischen Zeitung - etwa 60 Prozent des bereits bearbeiteten und sondierten Geheimdienstmaterials von der NSA beziehen, zeigt an, wie wichtig der GCHQ die Zugangsmöglichkeiten zu den Daten der NSA sind. Im Austausch strengt sich die Filiale in Großbritannien besonders an. In den letzten fünf Jahren sei die Menge an persönlichen Daten, die das GCHQ aus dem Internet und der Mobilfunkkommunikation abgeschöpft hat, um 7.000 Prozent gestiegen. Und das soll noch intensiviert werden: Man wolle "jedes Telefon, an jedem Ort, zu jeder Zeit ausschöpfen", wird von GCHQ als Ziel genannt. Ein paar Mitarbeiter sollen sich über die dünne moralische Fundierung ihrer Arbeit beklagt haben.

Government Communications Headquarters (GCHQ) in Cheltenham, Gloucestershire. Foto: Britisches Verteidigungsministerium. Lizenz: Open Government Licence v1.0

Aus den Zahlungen, die in jährlichen "investment portfolios" des britischen Geheimdienstes aufgelistet wind, geht hervor, dass die NSA 17,2 Millionen Pfund in das Projekt Mastering the Internet investiert hat und 15,5 Millionen Pfund für den Ausbau und Sanierung des Geheimdienststandorts in Bude/Cornwall, wo Daten aus dem Überseekabel gefischt werden. Das Auspähen des transatlantischen Telefonkabels Nr. 14 betrifft auch Deutschland, weil dort ein großer Teil der deutschen Übersee-Kommunikation abgewickelt wird. Das amerikanische Geld ist wichtig, wie es in einem Dokument heißt:

Securing external NSA funding for Bude has protected (GCHQ's core) budget

Die von Snowden zugespielten Dokumente zeichnen das Bild einer wachsenden Abhängigkeit des Geheimdienstes von Geldquellen außerhalb des britischen Verteidigungsministeriums. Wurde das GCHQ 2006 noch hauptsächlich vom Verteidigungsministerium finanziert und aus externen Quellen 14 Millionen Pfund beigesteuert. So waren es 2010 schon 118 Millionen Pfund, die aus anderen Quellen stammten und 2011/2012 151 Millionen. Das meiste Geld fließe aus dem Innenministerium.

Nachtrag

Laut aktuellen Presseberichten kann sich der britischen Geheimdienst GCHQ bei der Überwachung des Internet auf die freiwillige oder weniger freiwillige Hilfe von Telecom-Firmen stützen. In entsprechenden von Snowden überlieferten Papieren werden genannt: British Telecommunications, Global Crossing, Interoute, Level 3, Verizon Business, Viatel und Vodafone Cable (siehe dazu: "Kronjuwelen": Helfershelfer der Internetüberwacher enthüllt).