Erste (und letzte) Verurteilung nach der Subprime-Krise

"Fabulous Fab", der berüchtigte Goldman-Sachs-Trader, kommt mit einer minimalen Geldstrafe davon und dürfte der einzige Wall Street Trader bleiben, der für die Geschäftspraxis während des Subprime-Booms persönlich bestraft wird

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Die in der 2.Hälfte des neuen Jahrzehnts gängigen Geschäftspraktiken am US-Hypothekenmarkt waren von oben bis unten durchwegs von strafrechtlich relevanten Sachverhalten geprägt. So hatte das FBI bereits 2004 darauf hingewiesen, dass die neue Praxis der Hypothekenvergabe und die Honorierung der damit verbundenen Dienstleistungen alle Beteiligten dazu verleite, konsequent falsche Angaben zu machen, wobei derlei zunehmend zur Voraussetzung werde, um im Geschäft zu bleiben.

Alle Warnungen verhallten indes ungehört und folglich wurden weit überzogene Immobilien-Schätzgutachten verfasst und die Angaben zu den Einkommen frei erfunden. Dabei füllten oft nicht die Kreditnehmer, sondern die beteiligten Dienstleister die Formulare mit passenden Daten Passend waren die Daten jeweils dann, wenn sie es möglich machten, die Hypothek letztlich in ein Finanzprodukt mit AAA-Rating zu verwandeln, das an Investoren verkauft werden konnte.

Angesichts der lange Zeit sehr niedrigen Zinsen auf AAA-Staatsanleihen bestand an der Wall Street also enorme Nachfrage nach etwas höher verzinsten Papieren, die aus diesen Schrott-Hypotheken gebastelt wurden. Die an der Spitze der Pyramide stehenden Investmentbanken mussten diese Hypotheken also um jeden Preis unters Volk bringen, und konnten enorme Gewinne verbuchen, sobald die Hypotheken mehrfach gebündelt und in Tranchen aufgeteilt aus ihren eigenen Büchern verschunden waren.

Jedem, der einen kritischen Blick in diese Praktiken zu werfen bereit gewesen wäre, hätte indes auffallen müssen, dass die unsauberen Praktiken flächendeckend zum Einsatz kamen. Ganz unten wurden Häuser so finanziert, dass die Schuldner ihre Kredite niemals würden bedienen können. Folglich würden auch die darauf basierenden AAA-Papiere ihre Versprechungen nicht halten können und das Kartenhaus irgendwann einstürzen, was die führenden Wall-Street-Banken nun leider zu spät bemerkt haben wollen.

Allerdings wurde bei führendem Banken wie Goldman Sachs und JP Morgan spätestens 2007 alles unternommen, um am Höhepunkt des Booms auszusteigen und die angelaufenen Gewinne zu realisieren. Bei diesen Anstrengungen hat sich der frühere Goldman-Sachs-Manager Fabrice Tourre dann doch etwas zu weit aus dem Fenster gelehnt, weshalb er nun schuldig gesprochen wurde, Kunden wissentlich falsch über ein milliardenschweres Hypothekenpapier informiert zu haben. Die Verurteilung in sechs von sieben Anklagepunkten in der von der US-Wertpapierbehörde SEC vor ein Geschworenengericht gebrachten zivilrechtlichen Klage wird Tourre freilich nicht ins Gefängnis bringen und auch die Geldstrafe von 5.000 bis 130.000 Dollar pro Vergehen (maximal 780.000 Dollar) liegt deutlich unter seinem damaligen Jahresgehalt von 1,7 Millionen Dollar.

Für das von unzähligen Betrugsvorfällen begleitete Aufblasen der größten Immobilienblase aller Zeiten erscheint Tourres Strafe jedenfalls höchst bescheiden. Er war, obschon mit dem Titel eines Vice-President ausgestattet, Goldman intern doch eher ein kleines Rädchen gewesen. Die Top-Manager hatten sich nicht einmal als Zeugen im Strafverfahren einfinden müssen.

Wall-Street-Anwältin als SEC-Chefin

Die neue SEC-Chefin Mary Jo White dürfte somit auch hier nur das absolute Minimum an gesetzlicher Härte durchgesetzt haben, was auch wenig verwundern sollte, war sie vor ihrer Bestellung doch als Rechtsanwältin für etliche Wall-Street-Firmen tätig.

Der Goldman-Vorstand hatte zudem bereits 2010 mit der SEC einen Vergleich gefunden, zähneknirschend "Fehler" eingestanden und sich gegen eine Zahlung von 550 Millionen Dollar freigekauft. Unumgänglich wurde die Verurteilung offenbar, weil der er als "fabulous Fab" bekannt gewordene Trader gegenüber einer Bekannten allzu offenherzig davon gesprochen hatte, dass "viel zu viele Schulden im System" wären und "das Gebäude jederzeit zusammenbrechen" könne: "Der einziger potentielle Überlebende, "fabulous Fab", der in der Mitte all dieser komplexen, stark gehebelten exotischen Trades steht, die er kreiert hat, ohne notwendigerweise alle Implikationen dieser Monstrositäten zu kennen !" Und diese Monstrositäten hatte er noch dazu wissentlich an "Witwen und Waisen" verkauft – wobei diese zu großen Teilen aus europäischen Banken bestanden, die auch noch so schlau waren, diese Schrottpapiere mit Dollarkrediten zu finanzieren, die sie bei US-amerikanischen Banken aufgenommen hatten.

Tourre: "More and more leverage in the system, The whole building is about to collapse anytime now!" he wrote to a girlfriend in London. "Only potential survivor, the fabulous Fab standing in the middle of all these complex, highly leveraged, exotic trades he created without necessarily understanding all of the implications of those monstrosities!!!"

Angesichts dieser und weiterer Äußerungen war es der SEC also offenbar unmöglich, Tourre laufen zu lassen, und so hat die Jury jetzt zweifelsfrei ("beyond a reasonable doubt") festgestellt, dass er die Investoren wissentlich betrogen habe, was bei den Top-Managern der gescheiterten Wall-Street-Banken Bear Stearns und Lehman Brothers sowie des implodierten Versicherers AIG ebenso wenig versucht wurde, wie bei den Bossen aller anderen nur dank Staatshilfe überlebenden Finanzhäusern, obwohl mittlerweile etliche etwa im Laufe von Konkursverfahren bekanntgewordenen Mails derlei durchaus zu belegen scheinen.

Für Goldman könnte es aber dennoch teuer werden. Bei dem nun verurteilten Deal wollte der Hedgefonds Paulson & Company des milliardenschweren Investors John Paulson auf den Zusammenbruch des Subprime-Marktes und benötigte dafür unbedarfte Gegenparteien, die ihm Tourre in Gestalt des Investmentfond ACA Management LLC und der deutschen Bank IKB besorgte, für die er extra das Investmentvehikel Abacus kreiert hatte. Die betrogenen "Witwen und Waisen" dürften nun mehr Chancen haben, bei Goldman Schadenersatz einklagen zu können. Bei 1,9 Milliarden Dollar an Gewinn allein im 2. Quartal 2013 wird man sich um Goldman Sachs und dessen Management allerdings dennoch keine Sorgen machen müssen.

Die nach dem Platzen der Immobilienblase 2008 eintretende Finanzkrise hätte man schon länger kommen sehen können. In seiner Artikelserie erklärt Artur Schmidt die Ursachen der Finanzkrise und deckt die Praktiken der Banker auf, die sich teilweise als "Bankster" erwiesen haben.

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