Aufklärung ist, wenn der Geheimdienstchef den Geheimdienst überprüft?

US-Präsident Obama ernennt den Director of National Intelligence James Clapper zum Leiter der Gruppe, die das Überwachungsprogramm der NSA begutachten soll

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Obamas Winkelzug, den nationalen Geheimdienstdirektor James R. Clapper zum Leiter der Gutachtergruppe zu bestellen, die die Arbeit der Geheimdienste prüfen soll, ist Realsatire. Zu erklären ist dieser Schritt nur damit, dass es Obama nicht so sehr um das Vertrauen der Bürger in die staatlichen Institutionen ("national trust") geht, sondern darum, den Apparat künftig besser abzuschotten.

Am vergangenen Freitag kündigte der US-Präsident an, dass er eine erstrangige Gruppe aus Experten, die von außen kommen, formieren will, die die gesamte Geheimdienst-und Kommunikationstechnologie überprüfen soll. Mit dem Eingeständnis, "dass die Technologie heutigen Regierungen, darin eingeschlossen die amerikanische, noch nie dagewesene Fähigkeiten bietet, um Kommunikation zu überwachen".

Er werde diese "unabhängige Gruppe" damit beauftragen, diese Fähigkeiten, insbesondere die Überwachungstechnologien zu begutachten und Überlegungen dazu anzustellen, "wie wir das Vertrauen der Bevölkerung bewahren können", "wie wir sicherstellen können, dass es absolut keinen Missbrauch in der Anwendung dieser Überwachungstechnologie gibt". Ein erster Zwischenbericht dieser Gruppe soll binnen 60 Tagen erstellt werden und ein abschließender Bericht bis zum Ende des Jahres.

Das heißt, dass weder Obama noch die beiden Ausschüsse für Geheimdienstaktivitäten im Repräsentantenhaus und im Senat etwas von der Gruppe selbst hören werden, da alles über den Tisch von James Clapper geht, schlussfolgert das US-Blog Emptywheel.

James Clapper, per Präsidenten-Memo zum Leiter der Untersuchungsgruppe ernannt, ist nicht nur befangen, weil er eben kein auswärtiger Experte ist, sondern Chef des Hauses, das untersucht werden soll - er ist auch nicht besonders vertrauenswürdig, weil er schon einmal in der Sache gelogen hat gelogen hat, als es um das Ausmaß der NSA-Überwachung ging, wofür er sich später entschuldigen musste (siehe NSA-Überschreitungen richterlicher Befugnisse schwerwiegender als bisher dargestellt).

Mit klaren Konturen skizziert sieht die Personalie Clapper so aus:

Only in DC: James Clapper, instead of being prosecuted or fired for lying to Congress, will now lead the review of the programs he lied about.

Glenn Greenwald

Versteckt wird die Posse in einer Rhethorik des guten Willens. Schon Obamas Erklärung vom vergangenen Freitag zur Aktivität der Geheimdienste und seinem Vorhaben, hier für Transparenz zu sorgen, war so geschneidert, dass das Publikum ja nicht den Eindruck haben sollte, der Präsident sei zu solchem Aufklärungswillen gezwungen worden, etwa durch Snowdens Enthüllungen. Nein, er selbst sei die treibende Kraft, behauptete Obama. Fälschlicherweise. So biegt sich der Präsident Realitäten zurecht und behandelt das Publikum wie "Idioten", wie Kevin Drum ausführt (On Friday, the President Treated Us Like Five-Year Olds).

Wenn man sich die Aufgabenstellung für die Review Group genauer ansieht, werden die Prioritäten deutlich, die zählen, das Vertrauen der Öffentlichkeit ist wahrscheinlich nicht zufällig erst am Ende aufgelistet:

Die Gutachtergruppe wird ermessen, ob die Vereinigten Staaten im Lichte der Fortschritte in den Kommunikationstechnologien, die technischen Kapazitäten zum Sammeln von Daten in einer Weise nutzt, die unsere nationale Sicherheit optimal schützt und unsere Außenpolitik voranbringt, während man auf angemessene Weise andere politische Erwägungen berücksichtigt, wie zum Beispiel das Risiko von unerlaubten Enthüllungen und unsere Nowendigkeit, das öffentliche Vertrauen aufrechtzuerhalten.