Asimovs Automatobile

Bild: Disneyland TV, Episode "Magic Highway, USA" (1958)

Selbstständig fahrende Autos in Fiktion und Realität und als Gegenstand der Maschinenethik

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In seiner Kurzgeschichte "Sally" aus dem Jahre 1953 beschreibt Isaac Asimov in visionärer Weise die Funktionen sowie die Chancen und Risiken selbstständig fahrender Autos. Heute nehmen Assistenzsysteme dem Lenker immer mehr Aktionen ab. Das selbstständig fahrende Auto ist morgen nicht mehr Prototyp, sondern Alltag. Es wird in Situationen geraten, in denen moralische Fähigkeiten von Vorteil sind. Man wird bei Asimov bereits mit Problemen konfrontiert, die in der Maschinenethik diskutiert werden.

Sally ist ein Cabriolet und seit fünf Jahren der "Liebling" von Jacob Folkers, des Ich-Erzählers der Kurzgeschichte. Er betreibt eine Farm, auf der ausgediente Privatautomatics (auch "Automatobile" genannt), selbstständig fahrende Autos, ihr Gnadenbrot erhalten. Die Limousinen sind in seiner Vorstellung männlich, die Cabrios weiblich.

Sally besitzt "die schönsten, feinsten Linien", die er "je bei einem Modell gesehen" hat. Um ihr Aussehen kümmert sie sich selbst. Wie die anderen Automatics auf der Farm kann sie sich putzen, und sie kann sich sogar wachsen und polieren. Folkers will diese Funktion in alle Cabriolets einbauen, denn diese seien sehr eitel. Sally ist nicht nur attraktiv, sondern auch frei, geradezu autonom. In ihrer Zeit auf der Farm hat "nie ein menschliches Wesen hinter ihrem Lenkrad gesessen".

Eines Tages kommt Raymond J. Gellhorn auf die Farm. Er will die blechernen Bewohner ausschlachten, ihre alten Motoren aus- und in neue Gefährte einbauen. Automatobile sind beliebt, aber teuer. Die meisten Menschen fahren nur mit Omnibus-Automatics (auch Automatobusse genannt) durch die Gegend. Folkers erzählt dem Leser:

Ich kann mich daran erinnern, dass es auf der ganzen Welt kein Auto gab, das Verstand genug besaß, seinen Weg allein zu finden. Ich hatte tote Maschinen chauffiert, deren Steuerung jede Minute eine menschliche Hand benötigte. Jedes Jahr hatten solche Maschinen Zehntausende von Menschen getötet. Die Automatics hatten das abgeschafft. Ein Positronengehirn kann natürlich viel schneller reagieren als ein menschliches, und die Leute konnten ihre Hände von der Steuerung lassen. Man setzt sich hinein, gibt den Bestimmungsort an, und der Wagen findet seinen Weg.

Bei der Einführung traten durchaus Widerstände auf:

Heute erscheint uns das alles selbstverständlich, aber ich kann mich noch an die Zeiten erinnern, als die Gesetze die alten Maschinen von den Autobahnen zwangen und nur noch Automatics zuließen. Gott, was für ein Aufruhr! Sie nannten es alles Mögliche, von Kommunismus bis Faschismus, aber es leerte die Autobahnen und beendete das Töten, bis sich die Automatics schließlich durchsetzten.

Bereits auf den ersten Seiten werden Prinzipien, Funktionen und Chancen selbstständig fahrender Autos treffend beschrieben. Diese werden von einem künstlichen Gehirn gesteuert. Sie können mit Hilfe von Beobachtungs- und Navigationssystemen durch die Welt und zum gewünschten Ort fahren. Sie können schnell reagieren, optimieren voraussichtlich die Verkehrsflüsse und reduzieren wahrscheinlich die Zahl von Unfällen mit Todesfolge. Weltweit werden im Jahr etwa eine Million Menschen und einige Milliarden Tiere im Straßenverkehr getötet. Diese Zahlen schreien nach einem radikalen Wandel.

Es wurden mehrere Projekte zu selbstständig fahrenden Autos begonnen. Zu den bekanntesten gehören das von Google und SARTRE von der EU. BMW, Audi und mehrere deutsche Forschungsrichtungen engagieren sich. Die Assistenzgeräte, die verbaut werden, sind Vorstufen zu selbstständig fahrenden und autonom handelnden Autos. Sie ermöglichen das selbstständige Einparken und bremsen automatisch in Staus und Gefahrensituationen. Sie betätigen die magnetische Handbremse und schalten die Scheinwerfer im Tunnel und in der Nacht ein. Sie können immer mehr, von dem man dachte, dass es nur Menschen können. Manche ihrer Entscheidungen sind auch ein Gegenstand der Maschinenethik.

Google autonomous car auf einem Testparcour. Bild: Steve Jurvetson. Lizenz: CC-BY-2.0

Asimov beschreibt nicht nur die Chancen mit erstaunlicher Klarsicht, sondern auch die Reaktionen der Gesellschaft und die Risiken der Innovation. Selbstständige fahrende Autos entmündigen die Bürgerinnen und Bürger in einem weiteren Lebensbereich. Sie ersetzen die menschliche Autonomie durch die maschinelle. Man fühlt sich ähnlich wie in einem Flugzeug, das ein sicheres Fortbewegungsmittel sein mag, dessen Flug man aber nicht beeinflussen kann. Mit einem wichtigen Unterschied: Am Steuer sitzt kein Pilot, sondern eine Maschine.

Natürlich lassen die Automatics aus Fiktion und Realität (wie auch die Flugzeuge aus der Perspektive von Pilot und Co-Pilot) einen manuellen Betrieb zu. Bei gleichzeitiger persönlicher Haftung. Als in der Geschichte ein Unfall passiert, wird von der Polizei "eindringlich davor gewarnt, nach Anbruch der Nacht mit Handbetrieb zu fahren". Eine Zunahme der "Autoautonomie" dürfte weitere Effekte haben. Asimovs Geschöpfe (ver-)brauchen permanent Benzin. Moderne Wagen sparen freilich auch Energie durch ihre Automatismen.

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