Organoide reparieren Organe

Organoide - im Labor gezüchtete Gewebe-Elemente - bauen sich selbständig in Organe ein und eröffnen der Stammzelltherapie einen vielversprechenden Weg

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Auch in der Petrischale folgen Stammzellen ihrer Bestimmung: Sie erzeugen unterschiedliche Zelltypen und erschaffen komplexe Strukturen - sogenannte Organoide, kleine funktionelle Einheiten von Körperorganen. Versuche mit Mäusen haben gezeigt, dass diese Organoide sich in lebendes Gewebe integrieren und geschädigte Körperorgane reparieren. Der Aufwand für die Herstellung von Organoiden ist gering, und die Integration in den Körper ähnelt natürlichen Prozessen - gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Stammzelltherapie.

Ein Herz, komplett neu erschaffen im Labor, kontrahieren rhythmisch in einem Bioreaktor - ein faszinierendes Bild. Doch ob so ein Herz jemals in einem Menschen schlagen wird, steht in den Sternen. Denn der Aufwand ist enorm: Die technische Umsetzung erfordert Pumpen, Reaktoren und elektrische Impulse, und die Biologie muss zellfreie Gewebegerüste, Stammzellpräparationen und genau dosierte Wachstumsfaktoren beisteuern. Milliarden von Zellen müssen perfekt zusammenarbeiten, um die Arbeitsfähigkeit des Herzmuskels zu garantieren. Kontrahierende Bewegungen allein reichen nicht, um einen Menschen am Leben zu erhalten.

Ein alternativer Ansatz sieht auf den ersten Blick deutlich unspektakulärer aus: kleine Zellhaufen auf dem Boden einer Petrischale. Aber in diesen Haufen schlummert das Potential, sich selbständig in lebende Organe einzubauen und die Gewebe von Grund auf zu erneuern. Das menschliche Dazutun beschränkt sich auf ein Minimum, aufwändige technische Apparaturen sind nicht von Nöten.

Die Zellhaufen entstehen, wenn pluripotente Stammzellen dem Einfluss von passenden Wachstumsfaktoren ausgesetzt werden. Mit der Zeit entwickeln sich alle Zellarten, aus denen ein Gewebe besteht. Und mehr noch: Die Zellen folgen ihrem natürlichen Entwicklungsprogramm und bauen gewebetypische Strukturen auf. Im Miniaturmaßstab entstehen die funktionellen Einheiten von Körperorganen - von Wissenschaftlern Organoide oder Organ-Knospen genannt.

Die Organoide setzen ihre Entwicklung auch dann weiter fort, wenn sie in ein lebendes Tier transplantiert werden. Japanische Wissenschaftler haben hier Pionierarbeit geleistet (Yui et al., Nature Medicine, März 2012): Sie entnahmen einzelne Stammzellen aus dem Darm, züchteten daraus im Labor Organoide und transplantierten diese in Mäuse, deren Darmschleimhaut geschädigt war. Innerhalb von vier Wochen waren die Schäden ausgebessert, das neue Gewebe fügte sich nahtlos ein und den Mäusen ging es wieder besser. Auch nach sechs Monaten - der halben Lebensdauer einer Maus - waren die transplantierten Zellen noch aktiv.

Vor kurzem hat eine andere japanische Forscher-Gruppe ähnliche Erfolge mit Leber-Organoiden erzielt (Takebe et al., Nature, Juli 2013). Der Versuchsaufbau war allerdings deutlich komplizierter: Die Forscher mischten reprogrammierte Stammzellen, mesenchymale Stammzellen (aus denen Bindegewebe entsteht) und Gefäßzellen aus der Nabelschnur - allesamt menschlichen Ursprungs. Auch diese Zellen beherrschten die Kunst der Selbstorganisation: Bereits nach sechs Tagen entstanden organoide Strukturen, von den Forschern als Leber-Knospen bezeichnet.

Diese Leber-Knospen wurden in den Kopf von Mäusen transplantiert, da man sie dort mit dem Mikroskop beobachten und ihr Wachstum genau dokumentieren konnte. Die Forscher sahen dann zu, wie sich die menschlichen Gefäßzellen mit dem Blutkreislauf der Maus verbanden und die Leber-Knospen innerhalb weniger Tage anwuchsen. Und dieses künstliche Organ war sogar funktionsfähig: Die transplantierten Mäuse kompensierten einen Ausfall der natürlichen Leber, der normalerweise innerhalb weniger Tage zum Tod führt.

Diverse andere selbst-organisierende Strukturen sind bereits im Labor entstanden - Lungenbläschen, Augenbecher, Schilddrüse und Hirnanhangdrüse etwa. Auch wenn sich nicht alle für eine Therapie eignen, bleibt der Einsatz von Organoiden für die Heilung von erkranktem Gewebe ein zukunftsträchtiger Ansatz - vor allem, weil der Hauptteil der Arbeit von den Stammzellen selbst erledigt wird.

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