Kalte Fusion (schon wieder) vor Durchbruch?

Während die etablierte Physik die Kernfusion bei Niedrigtemperatur nach wie vor entweder für Unsinn erklärt oder ignoriert, hoffen Befürworter auf ihren baldigen praktischen Einsatz

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die bereits 18. International Conference on Cold Fusion (ICCF), die Ende Juli von der University of Missouri ausgerichtet wurde und 83 Vortragende aus 26 Ländern aufbot, fand wieder unter weitgehender Abwesenheit junger, aufstrebender Nachwuchs-Physiker statt. Ein Teilnehmer erklärt das mit der absoluten Ablehnung der "Kalten Fusion" durch die Mainstream-Physik, die es unmöglich mache, mit Forschungen auf diesem Gebiet zu promovieren oder gar einen Aufsatz darüber in einem relevanten Journals unterzubringen.

Seit die "Kalte Fusion" 1989 als "das größte Fiasko der Physik" Schlagzeilen gemacht hatte und sich die damals von Stanley Pons and Martin Fleischmann groß ausposaunte Sensation nicht wiederholen ließ, ist dieses Forschungsgebiet für die etablierte Physik völlig abgemeldet. Schließlich hatte eine vom damaligen US-Präsidenten einberufene Expertenkommission befunden, dass die beiden Wissenschafter nichts als einen Haufen Fehler gemacht hätten, woraufhin das US-Patentamt derartige Patente jahrelang glattweg ablehnte und etliche Artikel und Bücher erschienen, die die Forscher und ihre Ergebnisse lächerlich machten.

Wer derartige Ideen weiterhin verfolgte, musste sich nun von Fachkollegen vorwerfen lassen, seine Forschungen wären ähnlich seriös wie die Suche nach dem Stein der Weisen oder dem Perpetuum Mobile. Etwaige den bekannten physikalischen Gesetzen widersprechende Ergebnisse wurden folglich schlicht als Messfehler oder Betrug abgetan, nicht aber zum Anlass genommen, die akzeptierten Theorien der Mainstream-Physik zu überdenken, für die eine Kernreaktion, die bei niedrigen Temperaturen Masse in Energie verwandelt, nach wie vor ein Ding der Unmöglichkeit darstellt.

EU und USA haben bereits entsprechende Patente erteilt

Allerdings wurde vor allem außerhalb der Universitäten weiter in diese Richtung geforscht, wobei jedoch kommerzielle oder auch militärische Projekte im Vordergrund stehen und die forschenden Unternehmen ihre Ergebnisse zumeist als Geschäftsgeheimnisse betrachten.

Bis vor kurzem wurden von den Patentämtern auch nur sehr zögerlich Patente erteilt, was sich zuletzt aber geändert hat. So hat das europäische Patentamt heuer bereits ein Patent für "eine Methode und einen Apparat zur Energieerzeugung mittels einer nuklearen Reaktion eines Metalls mit Wasserstoff" ausgesprochen und auch die NASA hat 2011 in den USA zwei einschlägige Patente erteilt bekommen.

Die verbliebenen universitären Forscher, die zudem oft nicht Physiker, sondern Chemiker sind, vermeiden mittlerweile konsequent den Begriff "Kalte Fusion" und sprechen nur noch von LENR ("Low Energy Nuclear Reactions"), weshalb auch die diesjährige Konferenz im letzten Moment noch entsprechend umgetauft wurde. Die durchwegs euphorischen, wenngleich schon etwas angegrauten Teilnehmern bleiben jedoch ihrer Überzeugung treu, Wesentliches zur Zukunft der Menschheit beizutragen. Denn sollte die Kalte Fusion tatsächlich funktionieren, wäre es wohl der wichtigste wissenschaftliche Durchbruch der jüngeren Geschichte und ein echter Game-Changer (Kalte Fusion als Game Changer), dessen Erforschung wohl sinnvoller mit Milliardenbeträgen vorangetrieben werden sollte, als die Hochenergie-Fusion, für die gerade in Südfrankreich für mehr als 50 Milliarden Euro ein Forschungsreaktor errichtet wird.

Defkalion-Reaktor

Das meiste Aufsehen bei der LENR-Konferenz erregte dann auch die Live-Präsentation des sogenannten "Defkalion-Reaktors" (3,5 Stunden Video), ein Projekt eines kommerziellen Anbieters, das allem Anschein nach tatsächlich funktioniert hat, ohne aber abseits der Konferenz für besonderes Aufsehen zu sorgen. So fand sich dazu auf Google News keine einzige deutschsprachige Meldung und auch in den USA hat außer dem Forbes Magazin und der CBS-TV-Show "60 minutes" kaum ein Mainstream-Medium von der Konferenz oder der gelungenen Präsentation berichtet.

Defkalion Green Technologies, die in Mailand, Athen und im Kanadischen Vancouver Forschungseinrichtungen betreibt, hat dabei seine Anwendung namens Hyperion vorgestellt, die anscheinend auf derselben Technologie basiert, wie der vom dem italienische Unternehmer und früheren Defkalion-Kooperationspartner Andrea Rossi schon länger angekündigten kommerziellen Anwendung E-Cat. So wie der seit Jahren in diesem Feld aktive Italiener Rossi behauptet Defkalion, Nickel-Atome mit Wasserstoff zu Kupfer fusionieren zu können. wobei während des auf der Konferenz gezeigten Experiments die dreifache Menge an Energie herausgekommen sei, als eingegeben wurde. Defkalion behauptet, es sei sogar die vierfache Menge möglich, wäre nur ausreichend Zeit für die Kalibrierung der Anlage gewesen.

Mittlerweile sind freilich auch schon die üblichen Zweifel am Defkalion-Reaktor aufgetaucht. Beispielsweise wird moniert, die Messgeräte wären manipuliert gewesen und jemand hätte einfach mittels Fernsteuerung die gewünschten Messwerte eingegeben. Schon zuvor wollen Mainstream-Physiker wie unter anderen dieser bewiesen haben, dass und warum schon Rossis vor zwei Jahren vorgestellter E-Cat (Kalte Fusion auf dem Weg zum Markt) nicht funktionieren könne.

Allerdings liegt bereits seit Mai ein unabhängiger Test eines Prototyps vor, den zwei italienische und fünf schwedische Physiker, die durchaus einen Ruf zu verlieren hätten, in einem gemeinsamen Paper beschrieben haben. Bei zwei Testläufen des E-Cat von 96 und 116 Stunden konnten sie in eigenen Labors mit eigenen Geräten jedenfalls ausreichend "anormale" Hitzeproduktion und eine "mindestens eine Größenordnung" über den mit herkömmlichen Methoden möglichen Energieausbeute nachweisen und bestätigen folglich Rossis Angaben. Darüber hinaus liegen inzwischen so viele Veröffentlichungen seriöser Institute und Forschungseinrichtungen vor, die diese physikalisch bislang unerklärlichen Energie-Phänomene bestätigen und teilweise auch schon erklären, dass der herrschenden Physik wohl bald nichts anderes mehr übrig bleiben wird, als die eigenen Theorien an die experimentelle Realität anzupassen.

Diese wird vermutlich mehr von den industriellen Anwendungen als von der Forschung voran getrieben werden, immerhin gibt es mittlerweile nicht nur bei der NASA dahingehend umfangreiche Programme, sondern neben privaten Unternehmern forschen auch etliche große Energiekonzerne wie Shell, Exxon oder die ENI-Tochter SAIPEM, die wohl vor allem als Feindbeobachtung zudem die LENR-Konferenzen besuchen, ebenso etwa der US-Laborgeräteproduzent National Instruments, sowie die japanischen Konzerne Toyota (Technova) und Mitsubishi Heavy Industries.

Worauf die Proponenten aber am dringendsten warten, wäre eine kommerziell erfolgreiche Anwendung, die in der Praxis hält, was sie verspricht. Dabei scheint Defkalion - nachdem Rossi seinen Lieferstart unter eher fadenscheinigen Begründungen ständig hinausschiebt - aktuell die Nase vorne zu haben, wobei Defkalion seine Produkte allerdings nicht selbst produzieren, sondern nur Lizenzen vergeben will. In einem aktuellen Interview erzählt CEO Alexandros Xanthoulis, dass seine Technologie bereits von zwölf Unternehmen getestet worden sei, von denen zehn zu den globalen Top-Unternehmen gehören sollen. Deren Ziel sei eben eine Lizenz zur Entwicklung von Reaktoren für spezielle Sektoren und Märkte bzw. Länder zu erhalten, wobei Xanthoulis sich allerdings bei den Verträgen, die bereits unterschrieben sein sollen, auf Verschwiegenheitsklauseln beruft und keine Namen nennen will. (Hier findet sich auch ein Erklärungsversuch des Effekts von Yeong E. Kim, einem renommierten Physikprofessor der U.S. Purdue University).

Defkalion selbst entwickelt hingegen nur zwei Reaktoren, einen (gemeinsam mit einem 50%-Investor) für Antrieb, Heizung und Kühlung von Schiffen und einen weiteren im Nonprofit-Bereich für Meerwasserentsalzungsanlagen. Da Defkalion aber gegen Jahresende in Toronto an die Börse gehen will und im November die Roadshows beginnen sollen, würden spätestens dann die Partner bekannt gegeben.

Wäre das alles indes ein Schwindel, mit dem Kunden- und Investorengelder abgezockt werden sollen, müsste man Defkalion immerhin zugestehen, sich einige Mühe gegeben zu haben. Gelingt es jedoch, zweifelsfrei funktionsfähige Generatoren auf den Markt zu bringen, dürfte der nächste Börsen-Hype jedenfalls nicht lange auf sich warten lassen.