Keine Beweise bislang, dass das Assad-Regime für den Giftgasanschlag verantwortlich ist

Britische Regierung legt Geheimdienstbeurteilung und eine rechtliche Einschätzung für einen Militärschlag ohne UN-Mandat vor

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Zwar schickt Frankreich mit "Chevalier Paul" die modernste Luftabwehr-Fregatte an die syrische Küste, aber Präsident Hollande vermeidet inzwischen die Rede von einer Beteiligung an einem militärischen Schlag gegen das Assad-Regime zu sprechen. Man müsse alles tun, um die Krise in Syrien zu beenden, sagt er jetzt nach einem Treffen mit Ahmad al-Dscharba, dem Präsidenten der Syrischen Nationalkoalition. Der hatte zuvor gefordert, dass als Reaktion auf die Giftgasangriffe ein militärischer Schlag gegen das Assad-Regime ausgeführt sollte und dieses gestürzt werden müsse. Am Samstag verlassen offenbar die UN-Inspektoren das Land und legen ihren Bericht vor, so dass ab Sonntag ein militärischer Schlag erfolgen könnte, sollte die Koalition der Willigen nicht zusammenbrechen, wie dies im Augenblick der Fall zu sein scheint. Heute treffen sich auch noch einmal die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates, um über den britischen Resolutionsentwurf zu sprechen. Das von den USA, Frankreich und Großbritannien gewünschte UN-Mandat dürfte aber weiterhin an Russland und China scheitern.

Cover der Augustausgabe der britischen Zeitschrift The Economist

Auch die britische Regierung ist im Rückwärtsgang. Der Vorsitzende des Gemeinsamen Geheimdienstausschusses hat einen auf den verfügbaren Informationen und Geheimdiensterkenntnissen basierenden Bericht zu dem Giftgasangriff vom 21. August in Damaskus vorgelegt. Man haben bereits mit "höchstmöglicher Gewissheit", dass das syrische Regime 2012 bereits 14 Mal chemische Waffen eingesetzt habe. Beim Angriff am 21. August könne man aufgrund der öffentlich zugänglichen Informationen sicher sein, dass es sich um einen Giftgasangriff vermutlich mit Sarin gehandelt habe.

Man habe überprüft und durch Experten untersuchen lassen, ob die chemischen Waffen von der Opposition verwendet worden sein könnten, habe aber "keine plausible Alternative" zum Assad-Regime gefunden. Man habe keine "glaubwürdigen Beweise" bislang, dass die Opposition chemische Waffen verwendet habe, für einen Angriff in dieser Größenordnung würden ihr die Kapazitäten fehlen. Es gebe eine "begrenzte, jedoch wachsende Menge an Geheimdienstinformationen", die das belegen. Der Ausschuss gehe daher davon aus, dass das Assad-Regime "mit hoher Wahrscheinlichkeit" den Angriff ausgeführt hat, man wisse aber nicht, mit welcher Motivation dies geschehen sei.

Das klingt alles reichlich dünn. Gleichzeitig hat die Regierung ihre Beurteilung der rechtlichen Lage für einen militärischen Schlag vorgelegt. Ein Giftgasangriff sei ein schweres Verbrechen und eine Verletzung des internationalen Abkommens über ein Verbot von Chemiewaffen, eine militärische Intervention sei aber nur legal, wenn sie aus humanitären Gründen erfolgt. Die britische Regierung versuche eine Resolution im Sicherheitsrat durchzusetzen, so heißt es weiter, um alle notwendigen Maßnahmen ergreifen zu können, Zivilisten vor chemischen Waffen zu schützen und deren Einsatz zu unterbinden.

Das britische Verteidigungsminister stationierte 6 Typhoon-Abfangjäger auf Zypern. Bild: Ministry of Defence

Auch wenn kein UN-Mandat zustande käme, gebe es nach internationalem Recht die Möglichkeit, "außergewöhnliche Maßnahmen zu ergreifen, um das Ausmaß einer überwältigenden Katastrophe in Syrien zu vermindern, indem die weitere Verwendung von chemischen Waffen durch das syrische Regime abgeschreckt und unterbunden wird". Voraussetzungen für eine solche Erlaubnis wäre erstens überzeugende und allgemein von der internationalen Gemeinschaft akzeptierte Beweise für eine extreme humanitäre Notsituation, die sofortige Hilfe erfordert, zweitens müsse "objektiv" klar sein, dass es keine Alternative zur Gewaltanwendung gibt und drittens müsse die Gewaltanwendung notwendig und angemessen sowie streng zeitlich und im Ausmaß begrenzt sein, um die humanitäre Hilfe leisten zu können. All dies sei im syrischen Fall gegeben. Wenn nach zweijähriger Blockade erneut eine Resolution im Sicherheitsrat scheitern sollte, gebe es keine praktische Alternative mehr zur Gewaltanwendung.

Im Unterhaus findet gerade eine Debatte über die britische Beteiligung an einer möglichen militärischen Intervention statt, die kurz sein und militärische Ziele zerstören soll. Oppositionsführer Miliband ruft dazu auf, die Vorlage der Regierung abzulehnen. Diese geht davon aus, dass das Assad-Regime für den Angriff verantwortlich ist und dass von der internationalen Gemeinschaft eine "starke humanitäre Reaktion" gefordert sei, die auch eine legale militärische Aktion umfasse, um Leben durch Verhinderung und Abschreckung des weiteren Einsatzes von Chemiewaffen zu retten. Es soll der Bericht der UN-Inspektoren abgewartet werden. Zudem müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um ein UN-Mandat zu erreichen. Bevor die britische Regierung handelt, muss überdies das Unterhaus noch einmal einberufen werden. Regierungschef Cameron erklärte, es gäbe keine "hundertprozentige Gewissheit", wer für den Angriff verantwortlich ist, er sei aber überzeugt, dass das Assad-Regime verantwortlich sei, das die Grenzen teste. Werde nicht gehandelt, sei mit weiterem Einsatz von chemischen Waffen zu rechnen.

Die Opposition verlangt klare Beweise darüber, wer für den Giftgasangriff verantwortlich ist. Der Sicherheitsrat müsse Gelegenheit haben, über eine militärische Aktion zu beraten, die legal sein und präzise sowie erreichbare Ziele zur Verhinderung weiterer Angriffe mit chemischen Waffen haben müsse. Darüber hinaus dürfe sie keine anderen Ziele haben. Der Regierungschef müsse das Parlament darüber unterrichten. Erwartet wird, dass die Abstimmung im Unterhaus gegen 22 Uhr erfolgt.

Mittlerweile heißt es auch aus Washington, dass man keine "smoking gun" habe, um Assad direkt mit dem Giftgasangriff zu verbinden. Er sei aber Oberbefehlshaber und damit dafür verantwortlich, was seine Truppen machen. Der angekündigte Geheimdienstbericht wird keine Abschriften von abgehörten Gesprächen oder Berichte von Spionen enthalten. Es sei aber aus den abgehörten Gesprächen klar, dass der Angriff nicht die Tat einer eigenmächtig handelnden Einheit sei. Präsident Obama hatte gestern gesagt, er habe noch keine Entscheidung getroffen.