Britisches Unterhaus sagt Nein zu militärischer Aktion gegen syrisches Regime

Die Entscheidung hängt nun bei US-Präsident Obama, auch alleine gegen Syrien vorzugehen, da auch die britische Resolution im UN-Sicherheitsrat keinen Anklang fand

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Die britischen Abgeordneten des Unterhauses haben sich mehrheitlich mit 285 gegen 272 Stimmen gegen eine militärische Aktion ausgesprochen. Der britische Regierungschef Cameron machte klar, dass er sich an das Votum halten werde, auch wenn das Oberhaus noch nicht darüber entschieden hat: "Es ist für mich klar, dass das britische Parlament, das den Willen des britischen Volkes repräsentiert, keine militärische Aktion will. Ich habe das verstanden und werde entsprechend handeln."

Regierungschef Cameron im Unterhaus. Bild: parliament.uk

Die Abgeordneten lehnten auch dann einen Militärschlag ab, wenn er sich auf Beweise der UN-Inspektoren stützen sollte, dass das Assad-Regime Giftgas gegen Zivilisten eingesetzt hat. Auch der Gegenantrag von Labour wurde abgelehnt. Die Beweislage war denn wohl zu dürftig, die Abgeordneten selbst sind wohl ebenso kriegsmüde wie die Bevölkerung. Das hat zu Kommentaren angeregt, dass das enge Bündnis mit den USA auseinander bricht und Großbritannien europäischer wird.

Ob es wirklich eine Niederlage für Cameron ist, wie die Medien meinen, ist fraglich, auch wenn im Parlament nach der Abstimmung Forderungen nach einem Rücktritt zu hören waren. Cameron könnte gegenüber der US-Regierung und Frankreich nun darauf verweisen können, alles versucht zu haben, aber am Parlament gescheitert zu sein. Eine erneute Teilnahme an einem militärischen Abenteuer wird auch von einer Mehrheit der Briten abgelehnt und hätte zu Protesten geführt. Zudem ist alles andere als klar, welche Folgen ein begrenzter Militärschlag haben würde, zumal die syrische Führung sich sicher schon aus allen möglichen Ziele zurückgezogen hat. Würde man nur leere Gebäude treffen? Weder die Kriege im Irak und in Afghanistan lassen sich als Erfolge beschreiben, noch die militärische Intervention in Libyen. Und nur aus Treue zu den USA in einen militärischen Konflikt verwickelt zu werden, in den andere Länder wie Israel, der Libanon, die Türkei und Iran hineingezogen werden können, wäre ein gewagtes Spiel auch für die eigene politische Zukunft. Insgeheim, so sollte man denken, könnte Cameron also den Abgeordneten dankbar sein, dass dieser Kelch an ihm vorüber gehen wird.

Auch die erneute Sitzung des UN-Sicherheitsrates führte zu keiner Annahme des britischen Resolutionsentwurfs. Schon nach einer Stunde wurde die Sitzung aufgelöst, berichtet das Wall Street Journal. Vermerkt wird von amerikanischer Seite, dass Bundeskanzlerin Merkel im Gespräch mit dem russischen Präsidenten auf eine politische Lösung insistiert hat, während sie im Gespräch mit Obama darauf verwiesen hat, dass der UN-Sicherheitsrat für eine SAntwort zuständig sein müsse. Merkel hat also verinnert, dass eine Mehrheit der Deutschen keine deutsche Beteiligung an einem Militärschlag befürwortet.

Was aber werden nun die USA, was wird der Friedensnobelpreisträger Obama machen? Das Pentagon könnte natürlich auch alleine einen solchen Militärschlag durchführen und damit zeigen, dass der US-Präsident die Verletzung der von ihm gesetzten roten Linien auch sanktioniert. Aber auch im US-Kongress wächst der Widerstand gegen eine militärische Aktion. Selbst einige Republikaner, ansonsten eher für militärisches Auftrumpfen und die Demonstration militärischer Stärke, zweifeln zunehmend – oder wollen an dem daraus möglicherweise entstehenden Fiasko nicht beteiligt sein. Zumindest verlangen die Abgeordneten, dass der Kongress an einer Entscheidung beteiligt werden müsste.

US-Präsident Obama hat erklärt, noch keine Entscheidung getroffen zu haben. Aus dem Weißen Haus heißt es, dass die USA durchaus auch alleine und ohne Unterstützung durch den Kongress und den UN-Sicherheitsrat handeln könnten, aber dass der Bericht der UN-Inspektoren, die am Samstag aus Syrien abreisen werden, abgewartet würde. Die Beweislage für eine Verantwortung des Assad-Regimes ist allerdings ebenfalls dünn. Man geht aber offenbar von 500-1000 Toten aus. Obama könnte argumentieren, dass durch den Einsatz von Giftgas auch die amerikanischen Interessen bedroht seien, zumindest insoweit, als die Alliierten Israel und Türkei von den syrischen chemischen Waffen bedroht wären.

Neben Israel übt auch die Türkei Druck aus, um eine militärische Aktion zu erzwingen. Die türkische Regierung sieht auch keinen Sinn in einer "kosmetischen" Bestrafungsaktion. Ein Militärschlag sollte das Assad-Regime an den Verhandlungstisch zwingen, sagte der Außenminister Ahmet Davutoğlu.