S-Bahn paradoxerweise vom Erfolg verfolgt

Grafik: RFV

Zwei Bahnstrecken im Breisgau, deren Betrieb durch die damalige Bundesbahn aufgrund jahrelanger Vernachlässigung kaum mehr sinnvoll erschien, wurden nach einem Betreiberwechsel nicht nur wiederbelebt, sondern stießen auf eine so hohe Nachfrage, dass der Betrieb bis heute unrentabel ist

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Die Entwicklung ist geradezu grotesk. Da gab es zwei Nebenbahnstrecken, die von der deutschen Bundesbahn und später der Deutschen Bahn über Jahrzehnte so heruntergewirtschaftet wurden, dass die Fahrgastzahlen eine Betriebseinstellung nahelegten. Erst mit der Übernahme der Strecken durch die Breisgau-S-Bahn GmbH kehrte sich die Entwicklung um. Die Breisgau-S-Bahn GmbH war seit ihrer Gründung 1996 eine jeweils 50%ige Beteiligung der kommunalen Freiburger Verkehrs AG und der landeseigenen Südwestdeutschen Verkehrs-Aktiengesellschaft. Als Fahrzeuge werden 21 von Adtranz in Pankow entwickelten und später von Stadler Rail gebauten dieselbetriebenen Regio-Shuttle RS1 eingesetzt.

Als erste Strecke wurde im Sommer 1997 der Betrieb auf der Strecke nach Breisach aufgenommen. Die Strecke führte ursprünglich über Breisach hinaus bis ins elsässische Colmar. Die Eisenbahn-Brücke über den Rhein wurde aber 1945 gesprengt und auf den Pfeilern der Brücke später die heute noch bestehende Straßenbrücke erstellt. Die unzerstörten Reste der Eisenbahnbrücke wurden von französischer Seite auf Schiffe verladen und dann in die ebenfalls teilzerstörte Eisenbahn-Brücke bei Neuenburg-Chalampé eingebaut. Über diese eingleisige Eisenbahnbrücke wurde bis zum Bau der dortigen Straßenbrücke in den 1960er-Jahren auch der PKW-Verkehr geführt, was auf den zwischen die Schienen gelegten Holzbohlen eine ziemlich holprige Angelegenheit war. Heute führt die TGV-Verbindung zwischen Freiburg und Paris über diese Brücke.

Der Betrieb auf der Breisacher Strecke und auch auf der 2002 ebenfalls übernommen Elztalbahn, die von Denzlingen bei Freiburg nach Elzach führt, waren so erfolgreich, dass es bald zu Kapazitätsengpässen kam. In Abschätzung des zu erwartenden Fahrgastaufkommens hatte das Land eine bestimmte Transportleistung bestellt. Die Nachfrage bei den meisten Verbindungen überstieg das vom Land bestellte und bezahlte Angebot jedoch deutlich und so werden die meisten Kurse heute mit einer sogenannten Mehrfachtraktion bedient, das sind mehrere Regio-Shuttles aneinander gekoppelt. Die benötigen zwar nur einen Fahrzeugführer, sind jedoch alle angetrieben und verbrauchen entsprechen Dieseltreibstoff.

In Spitzenzeiten verkehren Sechsfachtraktionen. Neben dem erhöhten Kraftstoffverbrauch hat auch der erhöhte Verschleiß die Kostenrechnung verhagelt. Im Laufe der Jahre wurde der Betrieb der Strecken so ruinös, dass die zu 50% beteiligte Freiburger Verkehrs AG Anfang 2013 aus der Breisgau-S-Bahn GmbH aussteigen musste. Aufgrund umfangreicher Erweiterungen des eigenen Straßenbahnnetzes war die laufende Belastung durch den Betrieb der Breisgau-S-Bahn nicht zu schultern. Die SWEG als nun alleinige Eigentümerin verfügt über einen deutlich größeren Fahrzeugpark an RS1-Fahrzeugen, die auf den Kursen der Breisgau-S-Bahn schon bisher als Reserve einsetzen konnte.

Die gestiegene Nachfrage nach öffentlichem Nahverkehr in der Region (mit den erwähnten Kapazitätsengpässen in den Hauptverkehrszeiten) war einer der Gründe, die dazu geführt haben, dass sich das Land Baden-Württemberg und die am öffentlichen Nahverkehr der Region beteiligten Einrichtungen und Unternehmen Ende 2007 in der "Freiburger Erklärung" darauf einigten, das Nahverkehrskonzept Breisgau-S-Bahn zu entwickeln. Ziel war es, bis Dezember 2018 die Infrastruktur in der Region auszubauen, was eine Elektrifizierung für alle damals noch dieselbetriebenen Strecken vorsah und eine Ausschreibung des Betriebs zum gleichen Zeitpunkt. Allein die Elektrifizierung der Nebenstrecke ins badische Münstertal ist inzwischen realisiert und geht in den nächsten Tagen in Betrieb. Aufgrund zeitweise blockierter Landesmittel war die Fertigstellung der schienengleichen Bahnübergänge verzögert worden, was dazu führte, dass die Bahn nur mit den früher übliche 60 km/h hätte befahren werden dürfen und nicht wie beabsichtigt mit 80 km/h.

Grafik: RFV

Auch der Ausbauplan der Elztalbahn-Strecke war ins Stocken geraten, als die Netzgesellschaft der Deutsche Bahn, die Eigentümerin der Trasse ist, die Kosten ein wenig detaillierter angegeben hat, als in der ersten Abschätzung. Die jetzt aufgeführten Baukosten übersteigen den ursprünglichen Ansatz so deutlich (bis zu 200%), dass der ursprüngliche Plan nicht zu halten ist und derzeit noch nach Wegen gesucht wird, wie man den Ausbau organisieren kann. Ein Problem dabei ist, dass es für den Ausbau nur dann noch Bundesmittel gibt, wenn er bis 2019 realisiert wird. Nun sind die Strecken nach Breisach und Elzach nicht die einzigen in der Region, die dringend modernisiert werden müssen.

So ist Höllentalbahn nach Neustadt und ihr Ableger Richtung Seebruck zwar schon seit Beginn elektrifiziert, aber in einem nicht optimalen Zustand. Nicht gerade selten muss der Betrieb auf der Strecke jedoch unterbrochen werden, weil der Messzug einen Defekt an den Schienen festgestellt hat. Und zu Grippezeiten (Mainz lässt grüßen) wird der Betrieb auch auf Schienenersatzverkehr umgestellt, weil zu viele Lokführer krankheitsbedingt ausgefallen sind. Das auf der Strecke eingesetzte doppelstöckige Wagenmaterial stammt noch aus den Beständen der Deutschen Reichsbahn der DDR und auch die Lokomotiven der Baureihe 143 stammen noch aus DDR-Fertigung. Kursausfälle aufgrund Maschinenschadens gehörten bis vor wenigen Monaten zur Standard-Ansage an den Haltepunkten, die früher einmal Bahnhöfe waren. Dass sich die Südbadener vor dem Hintergrund der desolaten Bahninfrastruktur nicht für den tiefer gelegten Stuttgarter Hauptbahnhof begeistern können, verwundert da wenig. Immerhin hat Freiburg mit dem französischen TGV inzwischen auch Anschluss an die große weite Welt erhalten.

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