Indirekt direkte Demokratie

In Bayern können die Bürger am 15. September über ein bisschen mehr Mitsprache auf EU-Ebene abstimmen

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Am 15. September ist in Bayern Landtagswahl. Was vor der Zusendung des diesmal sehr dicken Briefumschlags mit der Wahlbenachrichtigung wenige Bürger wussten: An diesem Tag werden auch Volksabstimmungen über fünf Änderungen der Bayerischen Verfassung abgehalten, denen der Wähler getrennt zustimmen kann.

Vier davon neue Staatsziele: die Förderung "gleichwertige[r] Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen in ganz Bayern, in Stadt und Land", die Förderung des "ehrenamtlichen Einsatz[es] für das Gemeinwohl", eine "angemessene Finanzausstattung" der Kommunen im Rahmen der finanziellen Leistungsfähigkeit des Freistaats und eine Schuldenbremse, die festlegt, dass der Landeshaushalt "grundsätzlich ohne Nettokreditaufnahme auszugleichen" ist.

Bayerischer Landtag (Maximilianeum). Foto: Guido Radig. Lizenz: CC BY 3.0.

Die Verfassungsänderungen wurden von der regierenden CSU nicht nur mit dem Koalitionspartner FDP, sondern auch mit der SPD und den Freien Wählern gemeinsam formuliert. Nur die Grünen blieben außen vor. Sie stören sich vor allem an der fünften geplanten Verfassungsänderung, die bayerischen Bürgern eine Mitsprache bei Entscheidungen auf EU-Ebene einräumen soll:

Stimmen die Bürger dieser fünften Änderung zu, dann steht im Artikel 70 der Bayerischen Verfassung zukünftig, dass "die Staatsregierung in ihren verfassungsmäßigen Aufgaben" durch Gesetze gebunden werden kann, wenn "das Recht der Gesetzgebung durch die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union" betroffen ist. Und wenn "das Recht der Gesetzgebung durch ein Vorhaben der Europäischen Union betroffen" ist, dann "hat die Staatsregierung bei ihren verfassungsmäßigen Aufgaben die Stellungnahmen des Landtags maßgeblich zu berücksichtigen".

Nach Meinung ihrer Gegner wie ihrer Befürworter sollen diese etwas kryptisch anmutenden Formulierungen bewirken, dass der Landtag der Staatsregierung vorschreiben kann, wie sie im Bundesrat abstimmt, wenn es dort um die Abtretung von Landeszuständigkeiten an die EU geht. Und weil die im Artikel 70 aufgeführten Gesetze in Bayern auch per Volksentscheid initiiert und verabschiedet werden können, ist theoretisch (und sehr indirekt) auch denkbar, dass solch eine Kompetenzabtretung durch direkte Demokratie verhindert wird. Allerdings nur dann, wenn ein Volksbegehren dazu erfolgreich durchgeht, bevor der Bundestag abstimmt, und wenn es außer Bayern noch genügend andere Landesregierungen gibt, die sich dagegen stemmen.

Grüne dagegen

Die Grünen lehnen diesen neuen Artikel 70 mit der Begründung ab, dass der Bundesrat einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1958 (BVerfGE 8, 104, 120) ein Verfassungsorgan des Bundes und nicht der Länder sei, weshalb die Landtage hinsichtlich des Abstimmungsverhaltens ihrer Regierungen kein "ein imperatives Mandat" hätten. Rechtswissenschaftler sind sich allerdings keineswegs einig, ob Karlsruhe diesen "Exekutivföderalismus" angesichts der Änderungen durch die EU heute noch aufrecht erhalten kann. So erklärte beispielsweise Hans-Jürgen Papier, der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, vor drei Jahren, dass die damalige Auslegung "nicht zutreffend" sei. Baden-Württemberg fügte darauf hin eine der bayerischen ähnlichen Regelung bereits im Februar 2011 in die Landesverfassung ein.

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